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Branchenbericht Ungarn Autonomes Fahren
Ungarn will zum bedeutenden europäischen Entwicklungszentrum für autonomes Fahren werden. Kernstück ist die mit staatlichen Mitteln aufgebaute Teststrecke in Zalaegerszeg.
03.02.2020
Von Waldemar Lichter | Budapest
Die Automobilindustrie ist heute einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Ungarns. Auf sie entfällt mehr als ein Viertel der Industrieerzeugung des Landes. Über 90 Prozent der Produktion gehen ins Ausland. Damit das auch in den nächsten Jahren so bleibt, soll der Zweig nach dem Willen der Regierung für Zukunftsthemen fit gemacht werden und neueste technologische Trends aufgreifen. Dadurch soll nicht nur die Autoindustrie, sondern die gesamte Wirtschaft des Landes auf ein höheres Entwicklungsniveau gebracht werden.
Zu den Zukunftstrends gehört neben der Elektromobilität vor allem das Thema autonomes Fahren. Um dieses für Ungarn zu erschließen, hat die Regierung im Mai 2016 beschlossen, für rund 144 Millionen Euro eine eigene Teststrecke für selbstfahrende Autos in Zalaegerszeg zu bauen. Der Ort liegt verkehrsgünstig im kroatisch-slowenisch-ungarischen Dreiländereck. Drei Jahre später wurde der erste Teil der Anlage fertiggestellt und seiner Bestimmung übergeben. Ein weiterer Bauabschnitt soll bis Ende 2020 folgen. „Die Zukunft hat begonnen“, jubelte Ministerpräsident Viktor Orban bei der Eröffnungsfeier im Mai 2019.
Das Besondere an der Teststrecke Zalaegerszeg: Neben den konventionellen Parcours zur Erprobung von Fahrverhalten und -stabilität soll hier auch eine Forschungsinfrastruktur integriert werden, die speziell auf die Entwicklung von Fahrzeugen der Zukunft ausgerichtet ist. Es werden normale Fahrdynamikprüfungen und Tests für selbstfahrende Autos und Elektrofahrzeuge ermöglicht. Gleichzeitig können Ungarns eigene Kapazitäten für Forschung und Entwicklung (F&E) in der Fahrzeugindustrie gestärkt werden.
Ungarns Innovations- und Technologieminister László Palkovics, einer der „Väter“ der Anlage, sieht in ihr einen großen Nutzen für den Standort Ungarn. Die mit staatlichen Mitteln realisierte Teststrecke und das in der Nähe errichtete Forschungs- und Technologiezentrum ZalaZone würden das Land langfristig zu einem „bestimmenden Faktor“ der Entwicklung in der Automobilindustrie machen, ist der in Zalaegerszeg geborene Politiker überzeugt. Fortschrittliche Technologien müssten künftig nicht überwiegend importiert werden, sondern würden vor Ort weiterentwickelt, so Palkovics.
Genutzt werden soll die Teststrecke vor allem von Automobilherstellern und ihren Zulieferern. Schließlich sind in Ungarn neben Dutzenden Kfz-Zulieferern auch vier Autobauer (Audi, Daimler, Opel, Suzuki) mit eigenen Werken vertreten. Ein fünfter (BMW) wird demnächst in Debrecen hinzukommen. Die großen Kfz-Zulieferfirmen Bosch, Knorr-Bremse und Continental konnte die Betreibergesellschaft der Teststrecke bereits für eine industrielle Partnerschaft gewinnen.
Für die F&E-Infrastruktur von ZalaZone beginnen sich aber auch schon andere zu interessieren. So wurde im Herbst 2019 das ungarisch-israelische Joint Venture WeVid gegründet, das ein Kommunikationssystem für autonom fahrende Busse entwickeln soll. WeVid will dafür die Einrichtungen der ZalaZone zum Testen autonom fahrender Fahrzeuge nutzen. Die Joint-Venture-Partner planen Pressemeldungen zufolge, für ihr Projekt Mittel eines mit 3 Millionen Euro dotierten ungarisch-israelischen F&E-Fonds zu nutzen.
Die ZalaZone-Strecke wird nicht zuletzt auch für Tests und Demonstrationen des neuen Mobilfunkstandards 5G genutzt. So installierte die ungarische Vodafone-Tochter im Mai 2019 ihre erste 5G-Basisstation an diesem Standort. Die Deutsche Telekom-Tochter Magyar Telekom, die IT-Gesellschaft T-Systems Hungary und der Telekomausrüster Ericsson führten in Zalaegerszeg ebenfalls im Mai 2019 ein auf 5G-Basis kommunizierendes selbst fahrendes Fahrzeug vor.
Für die Vermarktung, Kundenakquise, aber auch für die Geschäftsentwicklung der Betreibergesellschaft von ZalaZone hat die ungarische Regierung einen wichtigen ausländischen Partner gewinnen können. Mit der österreichischen Consulting- und Forschungsfirma AVL wurde im November 2019 das Gemeinschaftsunternehmen AVL-ZalaZone gegründet. AVL-Hungary hält 74 Prozent und der ungarische Staat (über Autóipari Próbapálya Zala Kft.) 26 Prozent an dem Joint Venture.
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