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Amerikanische Start-ups setzen auf Fleisch und Käse aus dem Labor

Jungunternehmen in den USA wollen die Lebensmittelindustrie revolutionieren. Künstlich erzeugte Fleisch- und Milchprodukte sollen einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Von Heiko Stumpf | San Francisco

Was noch klingt wie eine Utopie, landet in den USA schon auf den Tellern: Die kalifornischen Start-ups Upside Foods und Eat Just können neugierigen Kunden im Labor gezüchtetes Hühnerfleisch servieren. Nachdem bereits die U.S. Food and Drug Administration (FDA) den Verzehr für unbedenklich erklärt hatte, gab im Juni 2023 auch das United States Department of Agriculture (USDA) grünes Licht. Damit sind die Vereinigten Staaten erst das zweite Land auf der Erde, in dem kultiviertes Fleisch angeboten werden darf. Vorreiter war Singapur.

Bislang können nur kleine Mengen hergestellt werden, sodass zunächst Auserlesene in den Genuss kommen: Das Produkt von Upside Foods wird einzig im Nobelrestaurant Bar Crenn in San Francisco angeboten. Tische dort sind auf Monate hin ausgebucht. Just Eat kooperiert mit einer Gaststätte in Washington D.C. Damit in Zukunft mehr Neugierige kosten können, müssen die Produktionskapazitäten stark erweitert werden.

Dazu braucht es insbesondere große Bioreaktoren: Aus Stammzellen, die Tieren entnommen wurden, werden darin verschiedene Zellkulturen gezüchtet wie zum Beispiel Muskelzellen. Ein Hightechsektor, in dem auch viele deutsche Unternehmen Expertise haben von Maschinenbaugrößen wie GEA bis hin zu spezialisierten Start-ups wie The Cultivated B aus Heidelberg.

Cultivated-Meat-Start-ups befürchten, dass die Verfügbarkeit von geeigneten Technologien zum Problem werden könnte. In der Pharmaindustrie beispielsweise werden Bioreaktoren zwar bereits eingesetzt, häufig erreicht das Fassungsvermögen aber nur bis zu 25.000 Liter. Zu wenig für die kommerzielle Massenproduktion von kultiviertem Fleisch – dafür müssten die Anlagen bis zu zehn Mal größer sein.

Unternehmen starten den industriellen Markthochlauf

Upside Foods gab im September 2023 die Pläne für seine erste Großanlage bekannt. In Glenview bei Chicago investiert das Unternehmen 141 Millionen US-Dollar (US$) in eine Produktionsstätte mit einer jährlichen Kapazität von 13.000 Tonnen. Dabei sollen modulare Bioreaktoren mit einem Fassungsvermögen von 100.000 Litern zum Einsatz kommen.

Gemeinsam mit der Ingenieursfirma ABEC strebt Eat Just sogar ein Reaktorvolumen von 250.000 Litern an. Hierfür muss aber noch ein Standort gefunden und die abschließende Finanzierung geklärt werden. Pläne für eine kommerzielle Produktion verfolgt auch Believer Meats: In Wilson, North Carolina sollen rund 120 Millionen US$ in eine Anlage mit einer Jahreskapazität von über 10.000 Tonnen fließen.

Insgesamt arbeiten in den USA mehr als 40 Start-ups an der Kommerzialisierung eine anspruchsvolle Aufgabe. Denn kultiviertes Fleisch in großen Mengen brauche enorm leistungsfähige Zellkulturen, mit denen die Bioreaktoren befüllt würden, um die Nährstoffe für das Zellwachstum zu liefern, erklärt Prof. Thomas Herget, Leiter der Group Innovation Field bei der Merck KGaA. Im Gespräch mit Germany Trade & Invest bezieht sich Herget auch auf eine Studie, die der Darmstädter Konzern zu dem Thema erstellt hat. Die Herstellung von passenden Zellkulturmedien sei komplex und kostenaufwendig.

Mehrere Start-ups zählen bereits zu unseren Kunden und werden von Merck mit optimierten Nährmedien für kultiviertes Fleisch beliefert.

Prof. Thomas Herget Leiter Group Innovation Field, Merck KGaA Darmstadt

Am Anfang konzentrieren sich die Unternehmen in der Regel auf hackfleischartige Produkte, aus denen Burger-Pattys oder Nuggets hergestellt werden. Mit Hilfe weiterer Techniken wie 3-D-Bioprinting könnten künftig auch Rindersteaks im Labor erzeugt werden. Blue Nalu hat wiederum zellbasierten Fisch im Fokus. Die erste Fertigungsstätte der Firma aus San Diego soll bis 2027 eine Kapazität von etwa 2.700 Tonnen pro Jahr erreichen.

Umweltfreundlicher Fleischkonsum für alle?

Nach Prognosen von Custom Market Insights könnte der US-Markt für kultiviertes Fleisch bis 2030 ein Volumen von 950 Millionen US$ erreichen. Damit käme die Sparte nur auf einen geringen Marktanteil, denn 2022 erreichte der Fleischabsatz in den USA insgesamt rund 121 Milliarden US$. Längerfristig könnte kultiviertes Fleisch aber beliebter werden. Vorhersagen kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen: Für das Jahr 2040 wird ein Weltmarktanteil zwischen 35 und 60 Prozent vermutet. In jedem Fall dürfte aber eine neue Milliardenindustrie entstehen.

Fürsprecher argumentieren vor allem mit dem Klimawandel. Die Viehzucht trägt nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen rund 14,5 Prozent zum globalen Klimagasausstoß bei. Gleichzeitig steigt der weltweite Fleischkonsum nach Prognosen weiter an. Ein Ausbau der traditionellen Landwirtschaft ist mit den globalen Klimaschutzbemühungen jedoch schwer vereinbar.

Die Klimabilanz von Laborfleisch könnte um bis zu 90 Prozent besser ausfallen als die traditionelle Erzeugung, sofern die eingesetzte Energie aus erneuerbaren Quellen stammt. Auch beim Verbrauch von Land- und Wasserressourcen werben die Befürworter mit Umweltaspekten.

Hersteller von künstlichen Milchprodukten setzen auf hohe Nachfrage

Nicht nur Fleischprodukte sind im Visier. Durch das Verfahren der Präzisionsfermentation können auch tierische Erzeugnisse wie Käse im Labor entstehen. Mithilfe von Mikroorganismen wie Hefe oder Bakterien werden in einem Bioreaktor Milchproteine wie Molke und Kasein hergestellt. Anfang 2023 hatten insgesamt 42 amerikanische Start-ups den winkenden Milliardenmarkt im Blick. Vorreiter wie Betterland Milk oder Modern Kitchen bringen tierfreie Produkte wie Milch und Frischkäse bereits in die Supermarktregale.

Weil es an lokalen Kapazitäten zur Präzisionsfermentation mangelt, gehen erste Auftragsfertiger an den Start. Liberation Labs baut bis Ende 2024 eine erste Großanlage in Richmond, Indiana. Ihre Kapazität soll sich auf 600.000 Liter pro Jahr belaufen, wobei weitere Vorhaben folgen könnten. Auch Synonym hat Investitionen in mehrere "Fermentation Farms" angekündigt.

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Auswahl von Start-ups im Bereich künstlich erzeugter Fleisch- und Milchprodukte
BezeichnungAnmerkungen
Upside FoodsProduktion von künstlichem Fleisch 
Eat JustFertigung von künstlichen Eiprodukten
Believer MeatsHerstellung von künstlichem Fleisch
Blue NaluProduktion von zellbasiertem Fisch
Betterland MilkHerstellung von Molkenprotein
Liberation LabsAnlagen für fermentierte Proteine
SynonymPlattform für "Biomanufacturing"
Modern KitchenKünstliche Milchprodukte
The Cultivated BProduktion von künstlichem Fleisch

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