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Branchen | USA | Autonomes Fahren

Automobil- und Techkonzerne forcieren die Vollautomatisierung

Der US-Markt für selbstfahrende Fahrzeuge soll bis 2027 im Schnitt um gut 17 Prozent pro Jahr zulegen. Neben Tech-Start-ups kooperieren Autobauer stärker mit Fahrdienstvermittlern.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Ein neuer Lidar-Sensor mit einer Reichweite von 400 Metern macht es möglich: Argo AI testet Roboterautos in Miami und Austin ohne Sicherheitsfahrer. Ford und Volkswagen sind an dem Start-up aus Pittsburgh zu je 40 Prozent beteiligt. Lidar (Light detection and ranging) ist eine Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung. Sie arbeitet ähnlich wie ein Radar, hat aber eine höhere Auflösung und gilt als Schlüsseltechnologie für autonomes Fahren.

Autobauer kooperieren verstärkt mit US-Partnern

Um selbstfahrende Autos schneller auf den Markt zu bringen, hat sich auch General Motors (GM) in ein US-Start-up eingekauft: Cruise. GM könnte 2022 bis zu 2 Milliarden US-Dollar (US$) in den Robocar-Spezialisten aus San Francisco investieren. Mercedes-Benz kooperiert mit dem US-Chipentwickler Nvidia. Die Zulieferer Bosch und Continental sind beim Silicon-Valley-Start-up Recogni eingestiegen, das Hochleistungschips entwirft. Andere entscheiden sich für die Lizenzierung der Technologie, anstatt Milliarden in die Entwicklung eines eigenen autonomen Fahrsystems zu investieren. So kooperieren unter anderem Jaguar LandRover, Renault-Nissan-Mitsubishi, Stellantis und Volvo mit Branchenprimus Waymo.

Das autonome Fahren gilt weithin als die wichtigste Zukunftstechnik der Automobilbranche, auch wenn die Coronapandemie einige Teilmärkte wie Robotaxis hart getroffen hat. Lieferroboter bekamen dagegen in der Krisenzeit einen kräftigen Schub.

Die Marktforscher von Mordor Intelligence schätzten den US-Markt für autonome Fahrzeuge 2021 auf über 3,5 Milliarden US$. Bis 2027 soll er auf knapp 9,4 Milliarden US$ zulegen, was einem Wachstum von durchschnittlich über 17 Prozent pro Jahr entspräche. Hohe Zuwächse werden in dem Zeitraum bei teil- und hochautomatisierten Kfz (Stufe 2 und 3) erwartet, dank der hohen Nachfrage nach Assistenzsystemen zum Kollisionsschutz und zur adaptiven Geschwindigkeitsregelung. Dessen ungeachtet arbeiten Automobil- und Techkonzerne weiterhin mit Hochdruck an der Vollautomatisierung des Autos.

Viele Hersteller setzen auf Lidar-Technologie

Laut den Marktforschern von Bloomberg New Energy Finance haben 17 Autobauer angekündigt, Lidar-Sensoren in 21 verschiedenen Modellen einzusetzen. Mercedes-Benz und Volvo kooperieren bei Lidar mit Luminar Technologies. Die Sensortechnik des US-Partners ist so klein, dass sie sich in Autoscheinwerfer integrieren lässt. Auch andere Hersteller schließen sich zu Lidar mit US-Partnern zusammen, darunter Jaguar Land Rover mit Silc Technologies und GM mit Cepton.

Neben Start-ups und traditionellen Autobauern arbeitet auch Elektroautopionier Tesla an Lidar-Sensorik: Firmenchef Elon Musk verschmähte die teure Technologie zunächst, doch in den letzten Monaten wurden Tesla-Prototypen mit Lidar-ähnlichen Aufbauten gesichtet. Anfang Juni hat Tesla ein hochauflösendes Radargerät bei der Federal Communications Commission (FCC) angemeldet. Der Gedanke liegt nahe, dass damit Umgebungen kartiert werden sollen, ähnlich wie es mit Laserimpulsen durch Lidar-Sensoren geschieht.

Vom wachsenden Lidar-Trend profitieren auch deutsche Firmen, die solche Sensoren entwickeln, darunter Blickfeld aus München und Ibeo Automotive Systems aus Hamburg. Für beide sind die USA ein Schlüsselmarkt. Blickfeld erregte auf der diesjährigen Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas große Aufmerksamkeit, dies mit einem Lidar-Sensor, der ohne zusätzlichen Computer, Server oder Adapterboxen auskommt, um 3D-Daten in einem einzigen Gerät zu verarbeiten.

Umstrittener Zukunftsmarkt: profitorientierte Personenbeförderung ohne Fahrer

Großes Potenzial sehen einige Anbieter bei selbstfahrenden Ride-Hailing-Diensten. Solche autonome Taxis, die per App herbeigerufen werden können, können nicht nur die Transportkosten erheblich reduzieren, sondern erreichen die Gewinnschwelle schon bei deutlich niedrigeren Kosten pro Fahrtkilometer als herkömmliche Fahrdienste. So kooperiert Argo AI bei seinen Tests in Miami und Austin mit dem Fahrdienstvermittler Lyft. Cruise bekam Anfang Juni die Genehmigung, Robotaxis in San Francisco ohne Sicherheitsfahrer kommerziell zu betreiben. Waymo erbringt solche Dienste bereits in Phoenix und will sie nun ebenfalls in San Francisco testen. Und Toyota erprobt mit dem US-Start-up Aurora Innovation seit März eine autonome Ride-Hailing-Flotte bei Dallas. Den Optimismus scheinen aber nicht alle zu teilen: Mercedes-Benz und BMW wollen ihren gemeinsamen Carsharing-Dienst Share Now an Stellantis veräußern.

In Kalifornien haben bereits acht Firmen eine Lizenz für den Robotaxi-Testbetrieb ohne Begleitfahrer: AutoX Technologies, Baidu, Cruise, Nuro, Pony.ai, Waymo, WeRide und Zoox. Zur Sicherheit haben die Fahrzeuge noch alle Steuerelemente mit an Bord - mit Ausnahme der L5-Robotaxis von Zoox. Auch GM hat konkrete Pläne für ein Auto ohne Steuer und Pedale. Auf Antrag des Autobauers aus Detroit erteilte die nationale Verkehrsbehörde National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) ihm im März die Erlaubnis, solche Fahrzeuge zu bauen.

Quo vadis, iCar?

Bald könnten noch mehr Firmen die NHTSA um eine solche Ausnahmegenehmigung ersuchen. Apple ist – wie die meisten der gut 60 Firmen, die selbstfahrende Autos auf Kaliforniens Straßen testen dürfen – noch mit Sicherheitsfahrer unterwegs. Es gibt Anzeichen, dass auch der Tech-Gigant ein autonomes Fahrzeug ohne bedienbare Steuerelemente anstrebt. Ermöglichen soll das ein Hochleistungschip aus neuronalen Prozessoren. Apple hat aber noch keinen Autobauer als Kooperationspartner für sein iCar-Projekt gefunden. Gespräche mit Hyundai und Nissan scheiterten, weil die Autokonzerne ihre Markenhoheit nicht aufgeben wollen.

Wahrscheinlich wird Apple vor allem mit CarPlay weiter in den Automarkt vordringen wird: Die neue Version der Plattform dürfte Ende 2023 auf den Markt kommen und soll bestehende Infotainmentsysteme der Hersteller komplett ersetzen. Damit bekäme Apple über das iPhone Zugriff auf fast alle für die tägliche Autofahrt relevanten Daten.

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