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Covid-19 bescherte dem US-Haushaltsgerätemarkt einen Boom. Hersteller können ihre Aufträge kaum abarbeiten. Durch die Verwerfungen in den Lieferketten werden zudem Bauteile knapp.
28.05.2021
Von Heiko Steinacher | San Francisco
Der US-Hausgerätemarkt platzt aus allen Nähten: Hinter der explodierenden Nachfrage stecken zum einen direkte Verbraucherverhaltensänderungen im Zuge der Pandemie, zum anderen aber auch viele Neu- und Umbauprojekte, die ebenfalls einen Mehrbedarf auslösen.
Die erhöhte Nachfrage bringt diverse Probleme mit sich - besonders beim Wohnungsbau. Die Bauträger sehen sich mit immer größeren Engpässen bei Haushaltsgeräten konfrontiert. Laut dem Industrieverband NAHB (National Association of Home Builders) wird ein Großteil der Einfamilienhäuser in den USA mit vorinstallierten Einbaugeräten verkauft: Rund zwei Drittel dieser Häuser haben bereits Kühlschränke, 88 Prozent eine Mikrowelle, 93 Prozent einen Geschirrspüler und 97 Prozent eine Kombination aus Backofen und Kochfeld.
Noch bevor sich der Mangel auch auf dem Baumarkt zeigte, hatten die US-Verbraucher bereits Schwierigkeiten, ihren Ersatzbedarf zu befriedigen. Nach dem großflächigen Covid-19-Ausbruch deckten sich viele Hausbesitzer mit Lebensmitteln ein und kauften zusätzliche Kühl- und Gefrierschränke, vor allem mit großer Lagerkapazität. Da viele Menschen zudem anfingen, ihre Kleidung öfter zu waschen als früher, stieg auch die Nachfrage nach Waschmaschinen und Trocknern. „Die Menschen ersetzen ihre Geräte, weil sie häufiger benutzt werden als früher“, sagt John Raynor, Vertriebsleiter von Airport Home Appliance. Zudem erkennt Raynor einen großen Reparaturbedarf.
Auch Herde, Backöfen und Mikrowellen stehen im Lockdown hoch im Kurs. Intelligente Sensoren und IoT-Technologie (Internet of Things) spielen eine besonders große Rolle, da die Kunden auch in der Coronazeit nach neuen Wegen suchen, um ihren Alltag zu erleichtern. Da viele weiterhin im Homeoffice arbeiten und mehr Zeit zu Hause verbringen als früher, dürfte die hohe Nachfrage nach Küchengeräten und Waschmaschinen in den nächsten Monaten anhalten. Zumal viele wohlhabende Menschen die Pandemiezeit dazu nutzen, ihre Häuser zu renovieren und bei der Gelegenheit auch neue Elektrogroßgeräte zu bestellen.
Doch hielt das Angebot nicht mit der Nachfrage Schritt. Zum einen liegen Containerschiffe in den US-Eingangshäfen viele Wochen, bevor sie entladen und ausgeliefert werden können. Zum anderen werden Produkte, die in elektrischen Hausgeräten verbaut werden, zur Mangelware. Betroffen sind davon unter anderem Kunstharze: Durch massive Ausfälle im Zuge der Wintereinbrüche in weiten Teilen der USA standen nicht nur viele Rohölanbieter sondern auch die nachgelagerte Wertschöpfung, wie Kunststoffe, lange unter Druck.
Durch das zeitlich versetzte Wiederhochfahren der Produktion in verschiedenen Teilen der Welt kam es zu weiteren Engpässen in der Lieferkette. Plötzlich fehlten auch Bauteile wie zum Beispiel Halbleiter für Steuergeräte. Der Hersteller Whirlpool hatte laut der Nachrichtenagentur Reuters große Schwierigkeiten, die Prozessoren zu beschaffen, die mehr als die Hälfte der Modelle seiner Produktpalette antreiben, darunter Waschmaschinen, Mikrowellen und Kühlschränke.
Da viele Gerätehersteller und Händler diesen Mehrbedarf nicht vorhergesehen haben, waren Gefrierschränke in vielen Geschäften großer Einzelhandelsketten wie Home Depot und Best Buy zeitweise komplett ausverkauft und mussten unter Inkaufnahme monatelanger Lieferzeiten nachbestellt werden. Der Baumarktkonzern Lowe's ging zu Direktlieferungen über, lässt seinen Kunden also direkt Modelle aus dem Angebot seiner Lieferanten zustellen. Andere Einzelhandelsgeschäfte berichten, dass sie Standgeräte an Kunden verkaufen, die nicht länger auf ein Einbaumodell warten können.
Der Mangel betrifft laut NAHB elektrische Hausgeräte aller Preisklassen und aller Marken. Neue Häuser kommen oft erst mit Verspätung auf den Markt, weil die Bauträger monatelang auf die Erfüllung ihrer Bestellungen warten müssen. Und das dürfte sich so schnell nicht ändern: „Unser Auftragsbestand ist immer noch so hoch wie Ende September 2020“, sagt Jim Peters, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Finanzchef von Whirlpool. „Wir erwarten, dass wir den Rückstand bis zum Ende des 2. Quartals 2021 großenteils abarbeiten können.“
Das US-Medien- und Nachrichtenunternehmen Business Insider meldete im April, dass wohlhabende Hausbesitzer in den USA fünfstellige Dollarbeträge für Luxusherde ausgäben, trotz mehrmonatiger Wartezeit. Außerdem sei die US-Nachfrage nach Geräten wie Kühlschränken mit Sub-Zero-Kältetechnik sowie High-End-Eismaschinen im 2. Halbjahr 2020 sprunghaft gestiegen.
Zum Nachteil ausländischer Anbieter wurden sowohl die seit 7. Februar 2018 geltenden Kontingente als auch die wenig später eingeführten US-Schutzzölle auf Waschmaschinen und bestimmte Komponenten noch unter dem früheren US-Präsidenten Donald Trump bis zum 7. Februar 2023 verlängert. Sie haben zu gewaltigen Preissteigerungen geführt: Die Verbraucherpreise für elektrische Haushaltsgeräte sind in den USA von Februar 2018 bis April 2021 um fast ein Viertel gestiegen.
Die Schutzzölle sollen vor allem den US-Hersteller Whirlpool schützen. Bei ihrer Einführung richteten sie sich in erster Linie gegen Samsung und LG. Beide südkoreanischen Hersteller haben aber inzwischen Teile ihrer Waschmaschinenproduktion in die USA verlagert, sodass ein Großteil der in den USA gekauften Waschmaschinen – die Südkoreaner sprechen in dem Zusammenhang von 80 Prozent – seither aus US-Produktion stammt. Dennoch hat Trump am Ende seiner Präsidentschaft im Januar 2021 entschieden, die Schutzzölle für zwei weitere Jahre beizubehalten, da sonst eine Billigimportschwemme drohe.
Auch die deutschen Hersteller Miele und BSH Hausgeräte sind von den Schutzmaßnahmen betroffen. Für Miele sind die USA im Jahr 2020 dennoch der größte Exportmarkt geblieben. Und BSH konnte seinen Marktanteil dort – ebenso wie in China – sogar kräftig steigern.
Warengruppe (SITC-Position) | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 |
Haushaltswaschmaschinen (775.1) | 508,3 | 600,2 | 653,4 | 738,0 | 821,3 |
davon aus Deutschland | 27,2 | 31,9 | 32,6 | 34,8 | 35,0 |
Haushaltskühl-, -gefrier- und -tiefkühlschränke (775.2) | 5.627,5 | 5.854,2 | 6.252,8 | 6.125,9 | 7.282,3 |
davon aus Deutschland | 14,0 | 14,5 | 13,0 | 9,9 | 7,5 |
Haushaltsgeschirrspülmaschinen (775.3) | 358,7 | 422,2 | 436,3 | 470,2 | 563,3 |
davon aus Deutschland | 53,9 | 71,9 | 62,3 | 53,5 | 53,4 |
Elektromechanische Küchenmaschinen (775.7) | 1.880,2 | 1.942,5 | 2.125,6 | 2.322,7 | 2.596,8 |
davon aus Deutschland | 46,3 | 56,8 | 80,0 | 77,3 | 89,6 |
Mikrowellengeräte, Öfen, Küchenherde, Grillgeräte (775.86) | 2.567,0 | 2.790,7 | 3.246,5 | 2.987,3 | 3.664,0 |
davon aus Deutschland | 42,0 | 53,8 | 54,2 | 48,9 | 38,6 |