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Die USA streben die Technologieführerschaft für Wasserstofftechniken an. Neben der Dekarbonisierung der Wirtschaft locken lukrative Exportmöglichkeiten.
23.07.2020
Von Ullrich Umann | Washington, D.C.
In den USA werden vielfältige Technologien zur Erzeugung, zum Transport, zur Lagerung und zur Nutzung von Wasserstoff in der verarbeitenden Industrie sowie in der Energie- und Transportwirtschaft entwickelt. Staat und Wirtschaft arbeiten dabei Hand in Hand. Auf föderaler Ebene finanziert das Department of Energy (DOE) entsprechende Forschungsprojekte.
Damit übernimmt das DOE einen Teil der sehr hohen Entwicklungskosten, bevor sich durch Skaleneffekte die Kosten reduzieren lassen. Bislang hat das DOE im zurückliegenden Jahrzehnt zwischen 100 Millionen und 280 Millionen US-Dollar (US$) pro Jahr an Zuschüssen gewährt. Seit 2017 liegt Bundeszuschuss bei jährlich 150 Millionen US$.
2020 | 2022 | 2025 | 2030 | |
---|---|---|---|---|
Bedarf an Wasserstoff (in Mio. MT) | 11 | 12 | 13 | 17 |
Verkaufte Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb | 2.500 | 30.000 | 150.000 | 1.200.000 |
Gabelstapler mit Wasserstoffantrieb | 25.000 | 50.000 | 125.000 | 300.000 |
Tankstellen | 63 | 165 | 1.000 | 4.300 |
Umschlagstellen für Wasserstoff | 120 | 300 | 600 | 1.500 |
Investitionen in Mrd. US-Dollar | k.A. | 1 | 2 | 8 |
Jobzuwachs pro Jahr | k.A. | 50.000 | 100.000 | 500.000 |
Auf Ebene der Bundesstaaten werden ebenfalls Fördergelder ausgeschüttet. Auf dieser Verwaltungsebene ist außerdem die Kompetenz zur Ausarbeitung und Inkraftsetzung technischer Normen und Standards für die neuen Wasserstofftechnologien angesiedelt, die dann in den entsprechenden Bundesstaaten gelten. Landesweit einheitliche Normen und Standards existieren somit nicht.
Wirtschaftsstarke Großstädte entwickelten darüber hinaus eigene Initiativen, unter anderem zur Dekarbonisierung ihrer regionalen Ökonomien, bei denen Wasserstofftechnologien eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehört zum Beispiel der Climate Action Plan von Houston, wonach die Öl- und Gas-Metropole bis 2050 CO2-neutral aufgestellt sein möchte. Ähnlich geartete Vorstöße unternehmen unter anderem New York City, Chicago, San Francisco und Los Angeles.
Neben Umweltaspekten und Aspekten des Klima- und Katastrophenschutzes sind die Initiativen der Bundesstaaten und Metropolen stark kapitalmarkgetrieben. Die regionale Politik bietet der Industrie mit Wasserstoffanwendungen neue Geschäfts- und Investitionsfelder an, beugt damit einen ansonsten drohenden Kapitalabfluss vor und zieht sogar neue Investoren und Unternehmen an. Insgesamt haben 32 Bundesstaaten Aktionspläne für den Klimaschutz verabschiedet, die in ihrer weiteren Modifizierung zunehmend Zukunftsthemen wie Wasserstoff mit beinhalten.
Die US-Bundespolitik möchte die Technologieführerschaft der USA bei Wasserstoff sicherstellen. Angestrebt wird der Aufbau einer breit aufgestellten Wasserstoffindustrie, die 2030 ein jährliches Einkommen von 140 Milliarden US$ generiert und 700.000 Personen beschäftigt. Dies geht aus einer Studie hervor, die McKinsey und die Fuel Cell and Hydrogen Energy Association veröffentlicht haben. Das National Renewable Energy Laboratory (NREL), das unter anderem auch an Wasserstoffzellen und -technologien forscht, kam zu einer ähnlichen Zukunftsprojektion.
Bis 2050 soll der Anteil von Wasserstoff am Energiemix der USA auf 14 Prozent ansteigen. Im gleichen Jahr soll die Wasserstoffbranche 750 Milliarden US$ pro Jahr an Einnahmen generieren und 3,4 Millionen Menschen beschäftigen.
Geopolitische Interessen spielen beim Ausbau der Wasserstoffwirtschaft eine nicht zu unterschätzende Rolle. Neben der vor kurzem erreichten weltweiten Führungsposition beim Export von Öl und Flüssigerdgas wollen die USA zusätzlich die Nummer eins bei den weltweiten Lieferungen von Wasserstoff werden. Für die Industrie stellen die Exportmöglichkeiten, vor allem in Länder, in denen es an entsprechenden Technologien und Ressourcen mangelt, einen überaus lukrativen Absatzmarkt dar.
Bereits angewendet wird Wasserstoff in den USA in Raffinerien bei der Herstellung synthetischer Schmier- und Treibstoffe sowie bei der Gewinnung von Ammoniak. Die Stahlindustrie wendet Wasserstoff zur Sauerstoffbindung bei der Eisenveredelung an. Auch die Nahrungsmittelindustrie nutzt Wasserstoff für verschiedene Verarbeitungsprozesse. Die Anwendungsfelder werden in den kommenden Jahren sukzessive ausgeweitet.
Die zur breiten Gewinnung von Wasserstoff benötigte Energie sollen nach Angaben von McKinsey und dem DOE die Windkraft und Photovoltaik, die Erdgaswirtschaft und die Kernenergie liefern. Umgekehrt sollen Wasserstoff und Wasserstoffzellen als Langzeitspeicher für temporär überschüssigen Wind- und Sonnenstrom sowie zur autonomen Stromversorgung von Privathaushalten genutzt werden.
Wasserstoff beziehungsweise Wasserstoffzellen kommen, entsprechend den US-Projektionen, vorrangig für den schweren Straßenferntransport, das heißt für Lkw und Zugmaschinen, in Frage. Wogegen für Pkw vorweisbare Ergebnisse beim Ausbau einer notwendigen Tankstelleninfrastruktur vorrangig nur in Kalifornien vorliegen. Weder wurden in anderen Bundesstaaten Wasserstofftankstellen in nennenswerter Zahl gebaut noch hat Kalifornien die selbst gesteckten hohen Ausbauziele erfüllt. Dies wird als ein klarer Hinweis dafür gehandelt, dass sich für Pkw der reine Elektroantrieb als Zukunftstechnologie bevorzugt durchgesetzt hat - zumindest außerhalb von Kalifornien.
Zu den weiteren Anwendungen für Wasserstofftechnologien gehören das Beheizen von Gebäuden. Aktuell werden 47 Prozent des Immobilienbestandes mit Erdgas und 8 Prozent mit Flüssigerdgas beheizt, was mit Hilfe von Wasserstofftechnologie reduziert werden soll. Geprüft wird die Vermischung von Erdgas mit Wasserstoff beziehungsweise der Einbau von Wasserstoffzellen in Gebäuden, mit denen elektrischer Strom zum Heizen und zur Nutzwassererwärmung erzeugt werden kann.
Die Nutzung von Wasserstoff wird in zunehmenden Maße auch für Industriezweige über die Chemie, Petrochemie, Stahl- und Eisenerzeugung und Nahrungsmittelverarbeitung hinaus erwogen. Damit könnte die Industrie als ganzes den Anteil der Kohle und von Erdgas als Energieträger reduzieren. Derzeit laufen auch Untersuchungen, ob stationäre Wasserstoffzellen als Reservequellen in Rechenzentren, Krankenhäusern und anderen Bereichen in Frage kommen, in denen eine ununterbrochene Stromversorgung unabdingbar ist. Auf diese Art könnte die Zahl der Dieselgeneratoren sinken, die bislang für den Notfall in Reserve gehalten werden.