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Lebensmitteldiscounter machen in den USA Boden gut

Die Rekordinflation zwingt US-Verbraucher zum Sparen. Aldi und Lidl profitieren von der Entwicklung. Der E-Commerce im Food-Bereich wächst weiter.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Discountgeschäfte machen US-Platzhirschen wie Walmart und Kroger zunehmend Konkurrenz: "US-Verbraucher kaufen immer öfter bei Discountern wie Aldi, Trader Joe's und Lidl ein", sagt R.J. Hottovy von der Standortanalyseplattform Placer.ai.

Discounter wachsen schneller als Supermärkte

Laut den Marktforschenden von Euromonitor werden die Umsätze von Discountern in den USA 2022 um 4,7 Prozent zulegen, die von Supermärkten - also Geschäften mit breiterer Produktpalette sowie Service und Beratung - dagegen nur um 3,8 Prozent. Der größte Gewinner ist Aldi: Wie das Unternehmen Mitte September 2022 mitteilte, ist sein US-Umsatz in den davorliegenden zwölf Monaten zweistellig gestiegen. Aber auch Lidl und die Aldi-Nord-Tochter Trader Joe’s verzeichnen Besucherrekorde.

Befeuert wurde die Entwicklung durch die Rekordinflation, die 2022 in den USA auf ein 40-Jahres-Hoch zusteuert. Herbstprognosen zufolge sollen es im Gesamtjahr 8 Prozent werden, für Nahrungsmittel sogar 9 Prozent.

Die Lohnentwicklung hält in vielen Bereichen nicht Schritt, die Menschen werden kostenbewusster. Für niedrige Preise nehmen sie auch lange Schlangen bei Eröffnungsangeboten in Kauf oder dass sie, wie im Fall Aldi, an der Kasse ihre Einkäufe selbst einpacken müssen. Gewöhnlich steht in den USA hinter der Kasse eine Person als Einpackhilfe bereit.

Eigenmarken feiern Hochkonjunktur

"Da die Lebensmittelpreise vorerst hoch bleiben dürften, wird der Trend zu Discountern wohl noch einige Zeit anhalten", meint Hottovy - zumal diese hochwertige Eigenmarken zu relativ günstigen Preisen versprechen. Bei Aldi sind etwa 90 Prozent der abgepackten Waren solche Private Labels. So mancher Beobachter erwartet, dass der Discountertrend in den USA ein längerfristiges Phänomen sein wird, das die aktuell hohe Inflation überdauert.

Lidl tritt stärker als Aldi in Wettbewerb zu großen US-Ketten

Dabei hatten sogenannte Harddiscounter in den USA lange einen schwierigeren Stand als Vollsortimenter, die mehr Verkaufsstellen, eine breitere und tiefere Produktpalette sowie Fleisch und Käse im Offenverkauf haben. Denn grundsätzlich bevorzugen US-Kunden eher Läden mit hochwertiger Innenausstattung, viel Service und großer Auswahl, vor allem an ihnen bekannten Marken, auch wenn deren Preise etwas höher sind als bei Discountern.

Das bekam Lidl, das den US-Markt 2017 und damit erst mehrere Jahrzehnte nach Aldi betrat, anfangs zu spüren: "Lidl ist zunächst als normaler Supermarkt angetreten", zitiert das Handelsblatt den Euromonitor-Berater Bob Hoyler. Supermärkte bieten mehr Markenprodukte als Discounter an. Zwar haben die Neckarsulmer gegenüber ihrem Konkurrenten Aldi größere Filialen. Als die Kunden aber ihre gewohnten Marken dort nicht finden konnten, waren sie enttäuscht. Neuere Lidl-Läden in den USA bieten daher mehr Auswahl, vor allem an Bio- und lokal bezogenen Waren. Sie sind etwa doppelt so groß wie in Deutschland. Im Unterschied dazu bleibt Aldi seinem Harddiscounterprofil auch in den USA treu.

Mittelschicht goes Discounter

So gewinnen diese Geschäfte auch neue Käuferschichten: "Auf einmal sind es nun Familien aus der Mittelschicht, die zu den Discountern gehen", beobachtet Tanja Ebner von der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Eine IRI-Studie (Information Resources, Inc.) bestätigt das: Zwar wendeten sich mehr Kunden aus allen Einkommensklassen Discountern zu, doch die größten Zuwächse gäbe es bei jenen mit einem Jahreseinkommen von 50.000 bis 100.000 US-Dollar (US$) und sogar darüber.

Mit 88 neuen Filialen ist Aldi bereits 2021 schneller gewachsen als jede andere Lebensmittelkette in den USA, meldet der Immobiliendienstleister Jones Lang LaSalle (JLL). Bis Ende 2022 sollen weitere 150 neue Filialen dazukommen, vornehmlich an der Golfküste. Damit käme Aldi in den USA auf knapp 2.200 Filialen in 38 Bundesstaaten und stünde nach der Filialanzahl hinter Walmart und Kroger an dritter Stelle. Der deutsche Wettbewerber Lidl expandiert ebenfalls kräftig in den USA, aber im Osten, wo Aldi schon relativ stark vertreten ist. An der US-Ostküste betreibt Lidl bislang etwa 170 Filialen.

Aldi ist laut einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Dunnhumby das preisgünstigste Lebensmittelgeschäft in den USA, Lidl folgt erst auf Platz sechs. Laut eigenen Angaben bietet der US-Ableger von Aldi Obst und Gemüse um 20 bis 40 Prozent günstiger an als die Konkurrenz.

E-Commerce mit Lebensmitteln nimmt stark zu

Onlineverkäufe machten 2021 in den USA bereits 9,5 Prozent des Gesamtumsatzes (1,1 Billionen US$) im Lebensmitteleinzelhandel aus. Im Jahr 2019 lag dieser Anteil erst bei 3,4 Prozent; bis 2026 soll er auf gut 20 Prozent steigen. Um davon zu profitieren, will Aldi seinen Curbside-Pick-Up-Dienst bis Ende 2022 auf 300 weitere Verkaufsstellen ausweiten: Dabei bestellen Kunden ihre Käufe online, lassen sie von Aldi zusammenstellen und holen sie dann in einer Filiale ab.

Parallel dazu baut der Discounter seine Kooperation mit dem Lieferdienst Instacart aus. Dafür werden kleine, flexible Lager benötigt, die als Versorgungszentren für die letzte Meile dienen. Handelsketten bauen zu diesem Zweck immer mehr Ladenflächen um, wobei sie zunehmend auf Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik setzen.

Auch die großen US-Konzerne Kroger, Target und Walmart setzen auf Omnikanal-Strategien für ein kanalübergreifendes Einkaufserlebnis und erweitern ihre Apps, um das Beste aus Online-, Mobile- und Ladengeschäft zu kombinieren. So hat Walmart im Oktober eine neue mobile Scan-and-Go-Technologie eingeführt, mit der Kunden beim Einkauf Produkte per Smartphone scannen und direkt in der App bezahlen können. Amazon bietet Unternehmen seit einigen Monaten aggregierte, anonymisierte Daten zum Kaufverhalten der Kunden in kassenlosen stationären "Amazon Go"- und "Amazon Fresh"-Läden an. Sie sollen unter anderem dazu dienen, das Kauferlebnis zu verbessern und Sortimente weiterzuentwickeln.

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