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Neue Vorgaben für Medikamentenpreise in den USA

Die US-Regierung will die hohen Gesundheitsausgaben dämpfen. In den kommenden Jahren werden sich Hersteller von Arzneimitteln auf Preisverhandlungen einstellen müssen.

Von Joanna Zygadlo | San Francisco

In Deutschland sind Verhandlungen über Arzneimittelpreise nicht wegzudenken. Nun will auch die US-Regierung nachziehen. Der Mitte August 2022 verabschiedete Inflation Reduction Act of 2022 sieht neben anderen Maßnahmen die Einführung von Preisverhandlungen für Medikamente vor, die von der staatlichen Krankenkasse Medicare abgedeckt werden. Damit strebt die Regierung an, die Kosten für Pharmazeutika in den nächsten zehn Jahren um etwa 288 Milliarden US-Dollar (US$) zu senken.

Teuerstes Gesundheitssystem der Welt

Das US-Gesundheitssystem ist das mit Abstand teuerste der Welt. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entfielen 2021 insgesamt 17,8 Prozent des Bruttoinlandproduktes der USA auf den Gesundheitssektor. Das sind 12.318 US$ pro Kopf.

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Mit dem Inflation Reduction Act of 2022 setzt die US-Regierung auf einen grundlegenden Wandel im Gesundheitssystem und bei der Preisgestaltung von Medikamenten, um die Gesundheitsausgaben langfristig deutlich zu senken. Eine wichtige Rolle spielt dabei die öffentliche und bundesstaatliche Krankenversicherung Medicare.

Medicare

Medicare besteht aus vier Teilen. Jeder Teil bezieht sich auf unterschiedliche Kosten der Gesundheitsversorgung. So deckt Teil A (Medicare Part A) stationäre Krankenhausbehandlungen und Teil B Arztbesuche ab. Beide Teile zusammen werden als "Original Medicare" bezeichnet.

Teil C, auch "Medicare Advantage" genannt, ist eine Alternative zur ursprünglichen Medicare-Versicherung. Dabei handelt es sich um ein Komplettpaket, das eine Krankenversicherung (Teil B), eine Krankenhausversicherung (Teil A) und eine Versicherung für verschreibungspflichtige Medikamente umfasst. Teil D deckt nur verschreibungspflichtige Arzneimittel ab.

Neues Gesetz soll Ausgaben für Empfänger von Medicare senken

Der Inflation Reduction Act of 2022 enthält drei wichtige Maßnahmen zu Arzneimitteln und zur Gesundheitsversorgung, die die Gesundheitsausgaben in den USA grundlegend verändern sollen.

  • Preisverhandlungen für Medikamente: Medicare darf die Preise für die zehn teuersten Arzneimittel und Insulinprodukte der Teile B und D verhandeln, die nicht mehr unter das Patentexklusivitätsrecht fallen. Patentgeschützte kleine Moleküle sind in den ersten neun Jahren ausgeschlossen; für Biopharmazeutika gilt eine Frist von 13 Jahren. Bis 2028 soll die Zahl der für Preisverhandlungen in Frage kommenden Pharmazeutika auf 20 steigen. Kleinere Biotech-Unternehmen sind davon ausgenommen. Die Verhandlungen werden 2023 beginnen; ab 2025 sollen die neu ausgehandelten Preise gelten.
  • Inflationsbedingte Preissteigerungen: Die Preisobergrenzen sollen ab 2023 gelten. Dabei werden die Preise von Oktober 2021 als Referenzzeitraum herangezogen. Unternehmen, die die Preise für Arzneimittel der Medicare-Teile B und D um einen höheren Wert als die Inflation erhöhen, werden mit Strafen belegt. Hersteller müssen der Regierung dann einen Rabatt in Höhe der Einnahmen aus der Preiserhöhung, die über die Inflationsrate hinausgeht, zahlen. Tun sie dies nicht, werden sie zusätzlich mit einer Strafe von 125 Prozent in Höhe des Rabatts belegt. Die Inflationsgrenze gilt nicht nur für Medicare, sondern auch für private Krankenversicherungen.
  • Neugestaltung von Medicare-Teil D: Die neue Gesetzgebung soll helfen, Lücken bei der Gesundheitsversorgung zu schließen. Derzeit sind etwa 4 Millionen Menschen in den USA nicht krankenversichert. Ein besserer Zugang zur Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung bedeutet für Hersteller von Arzneimitteln zeitgleich eine größere Nachfrage nach Medikamenten. Allerdings werden diese positiven Effekte durch strukturelle Veränderungen gemindert. Die Ausgaben für verschreibungspflichtige Medikamente für über 65-Jährige werden ab 2025 auf 2.000 US$ jährlich gedeckelt und die Ausgaben für Insulin auf 35 US$ monatlich begrenzt.

USA sind und bleiben weltweit wichtigster Pharmamarkt

Nach Angaben des Analyseunternehmens Fitch Solutions lag der Gesamtumsatz mit Pharmazeutika in den USA 2021 bei 397,4 Milliarden US$. Für 2022 erwartet Fitch Solutions einen Anstieg auf 416,2 Milliarden US$.

Die Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel bezifferten sich in den USA 2021 auf etwa 1.194 US$. Dabei entfielen 94,9 Prozent des Gesamtumsatzes auf verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx). Rezeptfreie Medikamente (Over the Counter, OTC) kamen auf einen Anteil von 5,1 Prozent. Der Umsatz patentierter Arzneimittel lag 2021 bei 310,9 Milliarden US$, der von Generika bei 64,8 Milliarden US$.

Die neuen Reformen werden das Wachstum des Pharmamarktes voraussichtlich ab 2025 etwas dämpfen. Gleichzeitig dürfte die Nachfrage nach Generika in den kommenden Jahren stärker wachsen.

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Trotz des bevorstehenden Eingreifens der Regierung in die Preisgestaltung von Pharmazeutika bleibt der US-Markt der größte und bedeutendste weltweit. Laut Fitch Solutions könnten die neuen Maßnahmen allerdings ein Ausgangspunkt für weitere Preiskontrollen sein. Auch die Midterm Elections im November 2022 könnten Einfluss auf die neue Arzneimittelpreisverordnung nehmen oder diese blockieren, wenn beispielsweise die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewinnen. Die volle Auswirkung der Maßnahmen auf die Pharmabranche wird sich allerdings erst langfristig zeigen.

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