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Für die Stahlbranche in den USA war der massive Protektionismus der letzten drei Jahre zumindest eine psychologische Stütze: Die Unternehmen investieren wieder.
19.02.2021
Von Ullrich Umann | Washington, D.C.
Die US-Stahlbranche hat in den letzten drei bis vier Jahren in ihre Erweiterung, Modernisierung und Neustrukturierung investiert. So gab zum Beispiel das Bergbauunternehmen Cleveland-Cliffs Inc. im Dezember 2019 die Übernahme des Stahlkochers AK Steel bekannt. Der Transaktionswert belief sich auf 1,1 Milliarden US-Dollar (US$). Innerhalb der neuen Struktur wird seither die gesamte Wertschöpfungskette, vom Erzabbau, seiner Aufbereitung zu Eisenerzpellets bis hin zum Stahlkochen abgebildet.
Dabei blieb es aber nicht. Der gerade erst erweiterte Großkonzern übernahm im September 2020 zusätzlich das US-Geschäft von ArcelorMittal. Hierfür sind weitere 1,4 Milliarden US$ geflossen. Die Transaktion umfasste sechs Stahlwerke, acht Veredelungsanlagen, zwei Bergbaubetriebe und Aufbereitungsanlagen für Eisenerz sowie drei Kokereien.
Lourenco Goncalves, Vorstandvorsitzender von Cleveland-Cliffs, begründet die vertikale Konsolidierung seines Konzerns mit den Worten: "Die Stahlerzeugung ist ein Geschäft, bei dem vor allem das Produktionsvolumen, die betriebliche Diversifizierung, die Senkung der Fixkosten und das technische Know-how die ausschlaggebende Rolle spielen".
Argumentative Unterstützung erhält er dabei von Jeff Larsen, zuständig für den Bereich Rohstoffe, Chemikalien and Landwirtschaft beim Beratungsunternehmen Capgemini North America. Auch er hält Betriebserweiterungen in der Kohle-, Erz- und Stahlbranche für essenziell für die Zukunftsfähigkeit der US-Industrie. "Denn erst über verlängerte Wertschöpfungsketten erlangen die Unternehmen die notwendige Flexibilität. Daher wird sich die Konsolidierung garantiert fortsetzen.“
Auch andere Eisen- und Stahlunternehmen kauften Firmenanteile hinzu: Zum Beispiel hatte die U.S. Steel Corp. mit Stammsitz in Pittsburgh 2020 die Big River Steel aus Arkansas für rund 0,8 Milliarden US$ übernommen. Diese Transaktion war wichtig für die Zukunftsfähigkeit des Konzerns, da Big River das vorerst einzige, gemäß dem amerikanischen Umweltstandard LEED zertifizierte Stahlwalzwerk in Nordamerika ist. Wie Big River Steel auf seiner Internetseite ausweist, erfüllt der Standort damit nicht nur die Normen der US-Umweltbehörde EPA, sondern auch die strengeren europäischen Standards in Sachen Energieeffizienz und Wasserschutz.
Neben einer erweiterten Produktpalette erhält U.S. Steel mit dieser Übernahme einen besseren Marktzugang in den südlichen Bundesstaaten der USA und darüber hinaus in Mexiko, wo Big River starke Positionen besetzt.
U.S. Steel baute darüber hinaus am Standort Fairfield, Alabama, einen Elektrolichtbogenofen im Wert von 0,4 Milliarden US$, der seit Oktober 2020 in Betrieb ist. Ein günstiger Zeitpunkt, wie sich herausstellte, als die Stahlnachfrage im Herbst und Winter 2020 deutlich anzog.
Der Stahlkocher Nucor Steel begann Ende 2020 ein Stahlplattenwerk in Brandenburg, Kentucky, zu errichten. Nach seiner Fertigstellung werden hier einmal 400 Mitarbeiter beschäftigt sein.
Der Bau eines Betonstahlwerks mit 185 Mitarbeitern am Standort Mesa, Arizona, befindet sich derzeit in der Planung. Auftraggeber und künftiger Betreiber ist die Commercial Metals Company.
Die US-Stahlindustrie fühlt sich trotz ihrer milliardenschweren Strukturanpassungen und Modernisierungsinvestitionen von der ausländischen Konkurrenz immer noch bedroht. Daher bestehen die Unternehmen auf der Beibehaltung der Sonderzölle auf Importe von Eisen und Stahl aus bestimmten Ländern.
Die Nachfrage nach Stahl und Eisen wird ihre Aufwärtsbewegung unter den gegenwärtigen Prämissen 2021 beibehalten. Laut einer Konsensprognose der Bluechip Economic Indicators vom Februar 2021 wird das Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den USA im Jahr 2021 um 4,9 Prozent ansteigen, flankiert von Bruttoanlageninvestitionen, die voraussichtlich um 6,8 Prozent zulegen.
Zudem kann für 2021/22 mit dem Start eines umfangreichen Konjunkturprogramms gerechnet werden, das sich neben massiven Investitionen in die Gesundheitswirtschaft, den Bildungssektor, in Klimaschutzmaßnahmen auch auf staatliche Ausgaben für die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur stützen wird. Gerade der letztgenannte Ausgabenbereich wäre für die Stahlbranche äußerst lukrativ.
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