Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | USA | Elektronik

US-Halbleiterriesen sind bereit zur Aufholjagd

Die geplanten hohen Bundessubventionen für die Chipindustrie rücken einen Schritt näher: Auch das Repräsentantenhaus legte einen Gesetzentwurf vor. Ehrgeizige Pläne hat Intel.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Ende Januar 2022 gab Intel die Entscheidung bekannt: Der Großraum Columbus in Ohio soll es diesmal werden. Dort, im Mittleren Westen, will der US-Chipriese 20 Milliarden US-Dollar (US$) in einen komplett neuen Standort mit zwei neuen Fabriken investieren. In den sogenannten Fabs sollen ab Ende des Jahres 2025 Chips mit Strukturgrößen unter zehn Nanometer gefertigt werden, die bisher vor allem in Systemen der Künstlichen Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen. Der Bundesstaat will das Projekt laut lokalen Medien mit 2 Milliarden US$ fördern.

Auf seinem bestehenden Campus in Arizona investiert Intel ebenfalls rund 20 Milliarden US$ in zwei neue Fabs. Die ersten Spatenstiche erfolgten im September 2021. Der Standort in Arizona wird damit künftig sechs Fabriken beherbergen.

Intel wittert strategische Chance

Wie diese Geldbeträge zeigen, hat Intel sich viel vorgenommen: So will das Unternehmen unter anderem stärker in die Auftragsfertigung einsteigen (wir berichteten). Die hierfür neu gegründete Sparte Intel Foundry Services (IFS) hat einen Investmentfonds in Höhe von 1 Milliarde US$ aufgelegt, um Foundry-Start-ups in der Frühphase zu unterstützen. Das soll "Fabless"-Unternehmen (ohne eigene Fertigungsstätten) Anreize bieten, ihre Chips von IFS produzieren zu lassen. Letztlich will Intel ein komplettes Ökosystem schaffen, das Zugang zu Designdiensten, geistigem Eigentum, Tools und Technologien für die Entwicklung von Halbleiterprodukten bietet: den IFS Accelerator. So möchte das Unternehmen nicht nur die Produktion stärken, sondern auch ein führender Dienstleister der Branche werden.

Intel stellte bereits in Aussicht, innerhalb der nächsten zehn Jahre in den USA insgesamt 100 Milliarden US$ in bis zu acht neue Chipfabriken zu investieren. TSMC, Samsung und GlobalFoundries liebäugeln ebenfalls mit Milliardenbeträgen für den Aufbau neuer Werke, darunter in Arizona, New York und Texas. Mit Zusagen halten sich die großen Auftragsfertiger indes bisher noch zurück. Dagegen steht Intel unter Zugzwang: Das US-Unternehmen hat bislang fast alle Chips selbst entwickelt, ist aber bei Spitzentechnologie gegenüber anderen Herstellern in den vergangenen Jahren ins Hintertreffen geraten. Apple, AMD, Nvidia und Qualcomm zum Beispiel lassen bei TSMC und Samsung ihre Chips fertigen.

So willkommen den Investoren Fördergelder seitens einzelner Bundesstaaten sind - angesichts der enormen Kosten für den Aufbau neuer Kapazitäten sind sie nur ein Zusatzbrot. Viel entscheidender wird das Wohlwollen aus Washington D.C. sein. So sieht das insgesamt 250 Milliarden US$ umfassende Gesetzespaket "U.S. Innovation and Competition Act" 52 Milliarden US$ an Bundesförderung für die Chipindustrie in den USA vor.

Die Bundesförderung lässt weiter auf sich warten …

Trotz parteiübergreifender Zustimmung zur Halbleiterförderung ist das Gesetz, das bereits im Juni 2021 den US-Senat passiert hat, noch immer nicht in Kraft. Das Repräsentantenhaus hat seine Version davon, den "America Competes Act of 2022", erst Anfang Februar 2022 vorgelegt. Allerdings enthält diese nicht die vom Senat außerdem geplanten 190 Milliarden US$ zur Stärkung der US-Technologie und -Forschung für den Wettbewerb mit China. Dafür aber 45 Milliarden US$, um die Lieferkette widerstandsfähiger zu machen und die Herstellung kritischer Güter zu unterstützen. Neu darin sind außerdem Maßnahmen zur Stärkung der Beziehungen der USA zu Taiwan und der Allianz "Quad", zu der sich die USA, Japan, Indien und Australien zusammengeschlossen haben, vor allem als Gegengewicht zu China.

Beide Kongresskammern müssen zustimmen, bevor das Gesetz in Kraft treten kann. Wie lange ein für beide tragbarer Endentwurf noch auf sich warten lassen wird, weiß indes niemand. Doch die Zeit drängt: Denn auch andere Weltregionen, darunter die Europäische Union (EU), wollen mit Milliardenhilfen die Versorgung mit kritischen Halbleitern sicherstellen. Zudem werden bei den US-Zwischenwahlen am 8. November 2022 alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie 34 der 100 Senatoren neu gewählt. Angesichts gesunkener Umfragewerte steht für die Demokraten gleich die Sitzverteilung in beiden Parlamentskammern auf dem Spiel. Zurzeit haben sie im Senat eine hauchdünne Mehrheit.

Sobald sich der Kongress einigt, könnte der Fördersegen der US-Halbleiterindustrie zu neuer Blüte verhelfen. Vorgesehen sind unter anderem Mittel für ein Technologiezentrum für die Forschung im Bereich Halbleiterdesign sowie zur Stärkung der Montage, der Mikroelektronikforschung und von Start-ups. Zudem ist eine neue Einrichtung im Rahmen von "Manufacturing USA" geplant, die sich speziell mit der Halbleiterfertigung beschäftigen soll. Manufacturing USA ist ein Netzwerk aus spezialisierten Instituten, vergleichbar mit der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft.

… und könnte auch zu knapp bemessen sein

Dennoch könnte die vorgesehene Finanzspritze nicht reichen: Schätzungen zufolge bedarf es mehr als 0,5 Billionen US$ Investitionen in neue Produktionsstätten, wenn ein Großteil des in den nächsten 20 Jahren zu erwartenden Halbleiterbedarfs aus US-Fabriken kommen soll. Die geplante Bundesförderung dürfte aber nur rund 280 Milliarden US$ an zusätzlichen Investitionen des Privatsektors mobilisieren – was für bis zu zehn Chipfabriken reichen könnte, die ohne die Beihilfen nicht gebaut würden. Davon geht der US-Branchenverband Semiconductor Industry Association (SIA) aus.

Kaum dass das US-Repräsentantenhaus seinen Gesetzentwurf "America Competes Act of 2022" vorgelegt hat, sorgt ein Bericht aus China für Furore: Über eine vom Handelsministerium Chinas gesteuerte Chipplattform sollen führende Halbleiter- und Anlagenhersteller ihr Know-how einbringen. Auf der Wunschpartnerliste der Chinesen stehen laut Medienberichten unter anderem Intel, AMD und Infineon. Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: Einige US-Senatoren forderten bereits, dass Unternehmen, die sich daran beteiligen, kein Geld aus dem Subventionsprogramm der USA erhalten dürften.

Globale Halbleiternachfrage (insgesamt und nach Kategorie, in Millionen US$) *

2020

2021

2022

Insgesamt, davon

440.389

552.961

601.490

  Diskrete Halbleiter

23.804

30.100

32.280

  Optoelektronik

40.397

43.229

45.990

  Sensoren

14.962

18.791

20.913

  Integrierte Schaltungen

361.226

460.841

502.307

* 2021 Schätzung, 2022 Prognose; Stand November 2021Quelle: World Semiconductor Trade Statistics

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.