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USA wollen Markt für Säuglingsnahrung dauerhaft öffnen

Erst Lieferengpässe, dann Produktrückrufe – um die Versorgung zu sichern, sollen ausländische Anbieter auf dem stark konzentrierten und reglementierten US-Markt Fuß fassen können.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Zölle und Zulassungsvorschriften der Regulierungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) hielten ausländische Anbieter von Babynahrung bisher weitgehend vom US-Markt fern. Doch zwangen starke Versorgungsengpässe die Regierung zum Einlenken: Im Mai 2022 ließ US-Präsident Joe Biden eine Luftbrücke einrichten, um dringend benötigtes Babymilchpulver aus Europa in die USA einzufliegen. Im Juli wurde Säuglingsnahrung dann vorübergehend von sämtlichen US-Zöllen und mengenmäßigen Beschränkungen ausgenommen.

Die Knappheit geht zum einen auf Lieferengpässe bei Babymilchpulver in der Coronapandemie zurück. Zudem horteten die Menschen Babynahrung während der Lockdowns. Im Februar 2022 musste Branchenplatzhirsch Abbott Nutrition dann wegen des Verdachts auf bakterielle Verunreinigungen eine Fabrik in Michigan schließen und Produkte vorübergehend zurückrufen. Im Mai konnte das Unternehmen die Produktion dort wieder aufnehmen.

Der Vorfall hat gezeigt, wie stark konzentriert das Segment ist. Laut Angaben der US-Denkfabrik Center for American Progress stellen drei in den USA ansässige Unternehmen rund 98 Prozent der dort gekauften Säuglingsnahrung her. Dies sind Abbott Nutrition, die Nestlé-Tochter Gerber und die zum britischen Konzern Reckitt Benckiser gehörende Mead Johnson. Der Löwenanteil entfällt auf Abbott Nutrition. Importiert werden nur geringe Mengen, hauptsächlich aus Mexiko, Irland und den Niederlanden.

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Wenige Großhersteller profitieren bisher von Exklusivverträgen

Ein Grund dafür ist, dass der US-Markt stark reguliert ist. Mehr als die Hälfte der Säuglingsnahrung wird in den USA von Personen gekauft, die staatliche WIC-Leistungen erhalten (Special Supplemental Nutrition Program for Women, Infants and Children). Das Programm für einkommensschwache Amerikaner wird von staatlichen Stellen durchgeführt, die Rabattverträge mit Herstellern ausschreiben. Dem Gewinner, der den niedrigsten Lieferpreis bietet, winkt ein Exklusivvertrag. Der Preis für Babynahrung wird auf diese Weise niedrig gehalten. Da jeder US-Bundesstaat nur mit einem Hersteller einen Vertrag schließt, sind die Preisnachlässe oft enorm. Andererseits sind die Endkunden dadurch bei ihrer Produktwahl eingeschränkt.

Für rund die Hälfte der circa 1,2 Millionen Säuglinge im WIC-Programm ist die vom zeitweisen Rückruf betroffene Abbott Nutrition exklusiver Lieferant, wodurch sich die Versorgungsengpässe noch zuspitzten. Besonders betroffen sind Kleinstkinder einkommensschwacher Familien sowie afroamerikanische Babys und Säuglinge, die in ländlichen Gemeinden leben. Diese nehmen am ehesten Säuglingsnahrung zu sich, wie Daten der Centers for Disease Control and Prevention (CDC), einer Behörde des US-Gesundheitsministeriums, zeigen. Trotz staatlicher Reglementierung sind die Preise für Babynahrung im Zuge der Knappheit in den ersten drei Quartalen 2022 um 10 Prozent bis 15 Prozent nach oben geklettert. In einzelnen Regionen wird von noch höheren Preisanstiegen berichtet.

Neueinsteiger erhalten mehr Zeit, um sich an US-Standards anzupassen

Um besser vor Engpässen gewappnet zu sein, will die FDA ausländischen Herstellern nun ermöglichen, auch langfristig in den USA Fuß zu fassen. „Viele Unternehmen, die diese Produkte anbieten, haben bereits ihr Interesse bekundet, den US-Markt dauerhaft zu bedienen“, sagen die FDA-Experten Robert Califf und Susan Mayne. Ende September 2022 erklärte die Regulierungsbehörde, dass Neueinsteiger auf dem US-Markt nun bis Oktober 2025 Zeit bekämen, um sicherzustellen, dass ihre Produkte den Bundesstandards für Säuglingsnahrung entsprechen.

Inwieweit sich dieser Aufwand lohnt, dürfte erheblich davon abhängen, wie die Vereinigten Staaten künftig mit WIC-Verträgen umgehen. Diese werden bislang alle vier Jahre neu ausgeschrieben und erlauben Herstellern, einen Großteil des Angebots in einem Bundesstaat zu kontrollieren. „Wenn die US-Regierung das System nicht ändert, wird alles wieder so, wie es war“, sagte ein Branchenexperte gegenüber dem Wall Street Journal unter Anspielung auf die oligopolistische Marktstruktur.

Um parallel dazu die heimische Produktion anzukurbeln, nutzt Biden den "Defense Production Act". Danach müssen Lieferanten von Inhaltsstoffen diese vor allen anderen Kunden an Hersteller von Säuglingsnahrung weiterleiten. Mit dem Gesetz, das aus der Zeit des Koreakriegs stammt, kann die Regierung die Industrie dazu veranlassen, kriegsentscheidende Güter herzustellen. Das Gesetz wurde auch in der ersten Phase der Coronapandemie 2020 angewendet, unter anderem um Autobauer zu verpflichten, in vorübergehend stillgelegten Werken Beatmungsgeräte zu produzieren.

Marktgröße liegt im mittleren einstelligen Milliardenbereich

Über die Größe des US-Markts für Säuglingsnahrung kursieren unterschiedliche Schätzungen, die meisten liegen für das Jahr 2020 bei 3,5 Milliarden bis 4 Milliarden US-Dollar (US$). Manche gehen aber auch von 5 Milliarden US$ aus. Der größte Anteil entfällt auf Babynahrung auf Milchbasis, was sich in den nächsten Jahren nicht ändern dürfte. Doch steigt laut dem Branchenportal Nutrition Insight in den USA auch der Umsatz von Säuglingsnahrung auf pflanzlicher Basis.

Die Statistik-Plattform Statista fasst den Markt etwas weiter und bezieht neben der Anfangs- und Folgenahrung auf Milchbasis auch Beikost wie Obst- und Gemüsebrei ein. Ihr zufolge erreichte der US-Markt für diese Produkte 2021 gut 6 Milliarden US$. Bis 2027 rechnet Statista mit einem durchschnittlichen jährlichen Marktwachstum in den USA von real knapp 1,5 Prozent.

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