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Wirtschaftsumfeld | USA | Industriepolitik

Die USA setzen bei der Investorenanwerbung auf Steuergutschriften

In Europa reißt die Kritik an der wettbewerbsverzerrenden Wirkung des US-Klimapakets nicht ab. Doch die deutschen Exporte in Richtung USA steigen. Wie passt das zusammen?

Von Ullrich Umann | Washington, D.C.

Der Inflation Reduction Act (IRA), das große US-Klimapaket, zielt unter anderem auf den Abbau der CO2-Emissionen. Dafür sieht das Gesetz großzügige Steuergutschriften vor, die Unternehmen zu Investitionen in den klimagerechten Umbau der Energie- und Transportwirtschaft anregen sollen. Anderen Branchen, etwa der Metall- und Stahlindustrie, soll die Umstellung von fossilen auf klimaneutrale Energieträger erleichtert werden.

Doch fördert das Gesetz nicht nur den Klimaschutz, sondern belohnt auch den Aufbau von Produktionen in den USA. Politik und Wirtschaftsvertreter in Europa sehen europäische Exporteure daher benachteiligt und warnen vor negativen Folgen des Gesetzes auf den transatlantischen Technologieaustausch.

Zusätzliche Steuergutschriften für amerikanische Produkte

Ein Beispiel ist die Energie- und Elektrotechnik: Der IRA fördert die Errichtung von grünen Energieanlagen mit Steuergutschriften. Ein zusätzlicher Steuerbonus von 10 Prozent wird ausgeschüttet, wenn der in den Anlagen verbaute Stahl, das verbaute Eisen oder Fertigprodukte (manufactured products) eine nationale Herkunft aufweisen.

Ein Fertigprodukt gilt dann als in den USA hergestellt, wenn 40 Prozent der Herstellungskosten aus inländischen Bergwerken, aus inländischer Produktion oder Verarbeitung herrühren. Für Vorhaben im Bereich Offshore-Wind reicht zunächst ein Anteil von 20 Prozent aus.

In den USA wird diese Art des Lokalisierungsdrucks mehrheitlich befürwortet. Die amerikanische Juristin Lauren Collins, Partnerin in der Anwaltskanzlei Vinson & Elkins, spricht etwa von einem „Paradigmenwechsel monumentalen Ausmaßes“. Gegenüber der Fachzeitschrift Recharge schwärmt sie „von einer langen Startbahn, über die Investitionen in erneuerbare und saubere Energie abheben.“ Demnach können Investoren Steuergutschriften in Anspruch nehmen, wenn sie sich für den Bau oder die Modernisierung von Fabrikanlagen für grüne Energie- und Elektrotechnik entscheiden. Das gleiche gilt für jene Firmen, die nur einzelne ihrer Produktionsanlagen modernisieren.

Umleitung von Investitionen in die USA wahrscheinlich

Für die Erzeuger klimafreundlicher Energie winken ebenfalls Steuergutschriften: Nach Inbetriebnahme von Wind-, Solar-, Geothermie- und Biomasseanlagen wird nämlich ein zusätzlicher Production Tax Credit (PTC) pro Kilowattstunde erzeugten Stroms gewährt. Laut Lauren Collins würden einige ihrer Mandanten aufgrund der umfangreichen steuerlichen Anreize des IRA ein Reshoring von Fabrikanlagen beziehungsweise den Kauf in den USA hergestellter Technologie erwägen.

In den europäischen Hauptstädten wird angesichts solcher Prognosen befürchtet, dass internationale Investoren in grüne Energie- und Speichertechnologien die USA für neue Standorte ins Auge fassen und Projekte in Europa zeitlich zurückstellen. Erste Anzeichen dafür sind bereits zu erkennen.

Zweifellos wird der IRA umfangreiche Investitionen in grüne Technologien auslösen, wenn auch nicht über Nacht. Die Branchenvereinigung American Clean Power Association (ACP) erwartet für das laufende Jahrzehnt Vorhaben bei Energiespeichern, Solar- und Windenergie mit einer Gesamtkapazität von bis zu 550 Gigawatt. Pro Jahr würde sich der Zuwachs auf 66 Gigawatt belaufen, wie ACP weiter ausführt. Dieser jährliche Zuwachs läge mehr als das Doppelte über dem Vergleichswert von 28,5 Gigawatt aus dem bisherigen Rekordjahr 2021.

Durchführungsbestimmungen stehen noch aus

Vertreter deutscher Konzernniederlassungen in Washington, D.C., äußersten sich Anfang 2023 durchgehend positiv zu den Geschäftsaussichten, die für ihre Unternehmen aus dem IRA hervorgehen. Gleichzeitig machten sie aber unisono darauf aufmerksam, dass US-Bundesbehörden, darunter die Steuerbehörde IRS und das US-Energieministerium Department of Energy (DoE) noch keinerlei Durchführungsbestimmungen für die Gewährung von Steuergutschriften erlassen haben. Steueranwälte gehen von mehreren Monaten aus, die allein die Steuerbehördd IRS zum Ausarbeiten der Richtlinien für die neuen Steuergutschriften benötigt.

Reger Außenhandel im Jahr 2022

Auf den deutsch-amerikanischen Außenhandel haben die Sogwirkungen, die vom IRA auf Direktinvestitionen aus dem Ausland ausgehen, zumindest vorerst, keine negativen Einflüsse ausgeübt. Die US-Einfuhren aus Deutschland sind von Januar bis einschließlich November 2022 im Vorjahresvergleich sogar um 8 Prozent auf 132,8 Milliarden US-Dollar (US$) angestiegen.

Unter den neun wichtigsten Warengruppen im deutschen Export verzeichneten nur zwei, Pharmazeutika und Schmuck/Perlen einen Rückgang. Deutsche Exporteure setzen somit fortgesetzt auf den amerikanischen Markt und haben ihre Absatzbemühungen 2022 sogar noch verstärkt.

Deutsche Produkte in den Warengruppen Kraftwerksausrüstungen, elektrotechnische Erzeugnisse sowie vollständige Fabrikanlagen legten kräftig zu. Sollte der IRA den in den USA erhofften Investitionsboom auslösen, würden für die neuen Fabrikanlagen in den USA zudem Maschinen und Ausrüstungen gebraucht, die unter anderem in Deutschland hergestellt werden.

US-Importe aus Deutschland nach wichtigsten Warengruppen (in Milliarden US-Dollar, Veränderung in Prozent)

Warengruppe (HS-Nr.)

Januar-November 2021*

Januar-November 2022*

Veränderung*

Gesamt

123,0

132,8

8,0

  Fahrzeuge und Teile (87)

22,0

28,2

28,3

  Kraftwerksausrüstungen (84)

23,5

25,5

8,6

  Pharmazeutische Waren (30)

20,3

15,3

-24,8

  Optische Waren (90)

10,4

11,1

7,3

  Elektrotechnische Erzeugnisse (85)

7,9

9,2

16,6

  vollständige Fabrikationsanlagen (98)

4,7

5,2

10,4

  Kunststoffe (39)

3,4

4,1

21,3

  Perlen und Schmuck (71)

4,0

3,2

-20,7

  organische Chemikalien (29)

2,6

2,9

11,2

*Abweichungen durch RundungenQuelle: U.S. International Trade Commission 2023

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