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USA forcieren Reshoring und Investitionsförderung
Die US-Regierung möchte die internationalen Lieferketten verkürzen. Zudem sollen amerikanische Industrieunternehmen Fertigungskapazitäten aus dem Ausland zurückverlagern.
25.10.2021
Von Ullrich Umann | Washington, D.C.
Die Verkürzung von Lieferketten und die Rückverlagerung von Fertigungskapazitäten beruhen auf Erfahrungen aus der Coronakrise, als eine Reihe von Waren in kürzester Zeit knapp wurden. In den USA sollen mehr hochwertige Arbeitsplätze entstehen und weniger Technologien nach China abwandern.
Anforderungen an die Wertschöpfung verschärft
Die Handels-, Investitionsförder- und Industriepolitik wurde nicht erst unter Joe Biden auf die Stärkung der USA als führender Industrienation ausgerichtet. Die aktuelle Regierung hat Elemente der Vorgängerregierungen übernommen und teilweise geändert, etwa durch die Verschärfung der lokalen Wertschöpfungsanforderungen bei öffentlichen Beschaffungen auf Bundesebene.
Neu hinzu gekommen sind 2021 klima- und umweltpolitische Schwerpunkte in der Industrieförderung, was die USA aus Sicht der deutschen Wirtschaft aber nur noch attraktiver erscheinen lässt: Auf diesen Feldern haben Firmen und Forschungseinrichtungen aus Deutschland einiges zu bieten.
Strategisch wichtige Branchen stehen im Mittelpunkt
Zur Rückverlagerung von Industriekapazitäten aus dem Ausland (Reshoring) sowie Förderung ausländischer Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment – FDI) konzentriert sich die Regierung Biden auf strategische Schwerpunkte. Dazu gehört die Fertigung von Halbleitern, Akkumulatoren für Elektrofahrzeuge, medizinischen Schutzausrüstungen und pharmazeutischen Produkten sowie die Exploration und Verarbeitung seltener Erden.
Über FDI und Reshoring sollen 2021 in der Industrie 220.000 Arbeitsplätze entstehen, nach 160.000 im Vorjahr. Das sagt die privat finanzierte Reshoring Initiative in ihrem jüngsten Ausblick voraus. Die Initiative wirbt seit 2010 für die Wiederansiedlung abgewanderter Industrien und wird von US-Branchenverbänden der Metall- und Maschinenbaubranche mitfinanziert. Deutschland als Herkunftsland für FDI kommt der Initiative zufolge eine wichtige Rolle zu: Demnach schaffen Produktionsniederlassungen deutscher Firmen in den USA 2021 knapp 7.300 Arbeitsplätze.
Anzahl der Firmen | Anzahl der Arbeitsplätze | Anteil an geschaffenen Arbeitsplätzen (in %) | |
---|---|---|---|
Reshoring | 1.134 | 138.110 | 62 |
Ausländische Direktinvestitionen | 510 | 86.103 | 38 |
Gesamt | 1.844 | 224.213 | 100 |
Deutschland liegt dem Bericht zufolge unter den wichtigsten Herkunftsländern von Direktinvestitionen in den Vereinigten Staaten auf Platz zwei nach Südkorea. Als Besonderheit nennen die Autoren des Berichts, dass 2021 das zweite Jahr in Folge mehr Industriearbeitsplätze durch Reshoring als durch FDI entstehen würden.
Die Anzahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze im Fahrzeugbau wächst 2021 vor allem dank der rasch zunehmenden Fertigung von Akkumulatoren, die für elektrisch betriebene Pkw benötigt werden. Hier verspüren die USA derzeit noch starke Defizite. In der reinen Fahrzeugmontage haben sich die Zuwachszahlen dagegen von Jahr zu Jahr nur unbedeutend geändert. Die Megainvestitionen von Intel und TSMC in die Halbleiterfertigung erklären wiederum den starken Zuwachs an Arbeitsplätzen in der Computer-/Elektronik-Branche, die 2021 zu verzeichnen ist.
US-Bundesstaat | Arbeitsplätze | Firmen |
---|---|---|
Ohio | 12.423 | 37 |
Arizona | 10.158 | 28 |
Tennessee | 10.094 | 49 |
Oklahoma | 7.065 | 10 |
Kalifornien | 6.330 | 55 |
Georgia | 5.802 | 33 |
North Carolina | 5.664 | 68 |
Alabama | 5.243 | 12 |
Indiana | 4.147 | 28 |
Kentucky | 3.756 | 32 |
Im Ranking der US-Bundesstaaten hat sich im 1. Halbjahr 2021 bei der Schaffung von Arbeitsplätzen als Resultat von FDI und des Reshoring im Vorjahresvergleich eine Verschiebung ergeben. So lagen Ohio, Arizona und Tennessee im laufenden Jahr in der Investorengunst weit vorn. Dagegen fiel Texas von Rang 2 auf 13 zurück. Der ehemals langjährige Spitzenreiter South Carolina rutschte in dieser Momentaufnahme auf Platz 11 ab.
Initiative beklagt hohe Produktionskosten
Die Reshoring Initiative befürwortet die Bestrebung der US-Regierung, sich auf die Förderung strategisch wichtiger Produkte zu konzentrieren. Gleichzeitig wird die Regierung dafür kritisiert, dass sie kaum etwas zur Kostensenkung in den USA unternehme. Laut Initiative liegen die Herstellungskosten um etwa 15 Prozent höher als in Deutschland und um 40 Prozent höher als in China. Solange sich daran nichts ändere, würden zu wenige Anreize zur Rückverlagerung von Industriearbeitsplätzen geschaffen.