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USA modernisieren die Stromnetze

Ein Großteil der Netze zur Stromübertragung und -verteilung ist veraltet. Um das zu ändern, werden in den kommenden Jahren mit Bundeshilfe hohe Investitionen getätigt.

Von Ullrich Umann | Washington, D.C.

Damit die Stromwirtschaft bis 2035 klimaneutral werden kann, muss viel in den Netzausbau investiert werden. Denn die Netze müssen auf einen qualitativ und technologisch höheren Stand gebracht werden. Für deutsche Firmen der Elektrotechnik entstehen daraus umfangreiche Geschäftsmöglichkeiten, etwa als Subauftragnehmer oder Komponentenlieferant für die US-Niederlassungen von Siemens, Bosch, ABB, Schneider Electric und weitere.

Beim Aufbau der Stromnetze gingen die Planer vor Jahrzehnten davon aus, dass Kohle- und Wasserkraftwerke rund um die Uhr die Grundlast liefern. Nach 1958 kamen Atomkraftwerke, später Gaskraftwerke hinzu. Mit der eingeleiteten Rückführung fossiler Energieträger aus dem Strommix und dem Hochfahren wetter- und tageszeitabhängiger regenerativer Energiequellen bedarf es eines grundlegenden Umbaus der Netzinfrastruktur.

Stromnetze werden umstrukturiert

Dazu gehört unter anderem eine Nachrüstung mit Sensor- und nachgelagerter Analysetechnik, nebst umfangreichen Rechenkapazitäten und Anwendungen der künstlichen Intelligenz. Auch rücken Strom- und Breitbandnetze näher zusammen, zumal moderne Stromnetze ohne digitale Kommunikationsinfrastrukturen und Kontrollsysteme nicht mehr auskommen.

Aber auch die strukturelle Unterteilung der Netze ändert sich: Experten schlagen die landesweite Einrichtung sogenannter Kleinnetze (Microgrids) vor, die zwar mit den Verteilernetzen verbunden sind, jedoch über eine autonome Stromgenerierung verfügen, vorzugsweise basierend auf erneuerbaren Energiequellen wie Solar oder Wind. Im Normalbetrieb lässt sich darüber der Strombedarf aller Verbraucher im Microgrid decken. Netzunabhängige Wechselrichter gleichen kritische Lastschwankungen aus und sorgen dafür, dass stets genügend Strom in den Microgrids vorhanden ist. Zusätzlich dienen Backup-Strukturen als virtuelle Kraftwerke.

Netzplanung 2022 im vollen Gange

Gesetzgeber auf allen Verwaltungsebenen, aber auch Stromproduzenten und Energieversorger diskutieren 2022 über die Netzmodernisierung und bewerten Bedarf, Strategien, Kosten sowie Investitionsrenditen. Die American Society for Civil Engineers hat vorsorglich die Kosten für die landesweite Netzmodernisierung und -erweiterung auf 42 Milliarden US-Dollar (US$) im Bereich Übertragung und auf 94 Milliarden US$ im Bereich Verteilung prognostiziert.

Im Flächenland USA fällt die Netzmodernisierung wegen der unterschiedlichen örtlichen Bedingungen von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich aus. Eine Besonderheit ist, dass sich die Stromnetze im privaten Besitz befinden, außer im Bundesstaat Nebraska. Dort sind öffentliche und genossenschaftliche Strukturen anzutreffen.

Deutsche Anbieter mit Chancen

Die mehrheitlich private Besitzstruktur erleichtert Unternehmen der Elektrotechnik mit Sitz in Deutschland die Geschäftsanbahnung. Schließlich werden protektionistische „Buy American“-Regeln in der Privatwirtschaft im Vergleich zum öffentlichen Sektor weit weniger streng, wenn überhaupt angewendet. Zu beachten sind „Buy American“-Regeln fallweise, wenn private Projektträger Bundeszuschüsse in Anspruch nehmen. Dann gilt es für den Anbieter aus Deutschland, bei der Geschäftsanbahnung seine technologischen Alleinstellungsmerkmale und wettbewerbsfähige Preise in den Vordergrund zu stellen.

Ausnahmegenehmigungen für Technologieimporte werden selbst für Vorhaben mit Bundesbeteiligung gewährt, wenn qualitativ gleichwertige Lösungen nicht von amerikanischen Anbietern oder nur mit unzumutbarer Verzögerung beziehungsweise zu überhöhten Preisen bezogen werden können. Selbst während der Präsidentschaft von Donald Trump, als die Handelspolitik sehr protektionistisch geprägt war, hat das zuständige US-Handelsministerium (DOC) eine Vielzahl von Importgenehmigungen sowie Importabgabebefreiungen (Import Waver) erteilt.

Investitionspaket bringt Modernisierungsschub

Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden möchte die Bundeszuschüsse für den Netzausbau erhöhen. Bereits im Winter 2021 hatte das Weiße Haus 8 Milliarden US$ an Soforthilfen nach Texas überwiesen, als die damalige Kältewelle einen flächendeckenden Netzausfall provozierte. Wenige Wochen danach hatte der US-Kongress den American Rescue Plan Act erlassen. Auf dieser Grundlage flossen 350 Milliarden US$ in Bundesstaaten, Städte und Landkreise, die sie für Investitionen in die Infrastruktur, darunter zum Netzausbau nutzen konnten.

Für einen großen Investitionsschub sorgt das 1,2 Billionen US$ schwere Infrastrukturpaket, das im November 2021 mit der Bezeichnung "Infrastructure Investment and Jobs Act" (IIJC) vom US-Kongress verabschiedet wurde. Für den Netzausbau, darunter intelligente Netze (smart grids), und für die Stärkung der Netzsicherheit gegen Angriffe aus dem Internet sieht IIJC Bundeszuschüsse von 175 Milliarden US$ vor. Allein 7,5 Milliarden US$ stehen für Ladesäulen zum Auftanken von Elektrofahrzeugen bereit, nebst ihrer Netzanbindung.

Weitere Informationen zum Infrastrukturpaket und den Anknüpfungspunkten für deutsche Firmen erhalten Sie auch im GTAI-Webinar zu diesem Thema.

Ausgewählte Projekte im Bereich Stromnetze

Projekt

Investition (in Mio. US$)

Projektstand

Anmerkung

DTE Energy, Michigan

388

Planung

Netzmodernisierung und Einrichtung von Stromspeichern

National Grid PLC, New York, Massachusetts, Rhode Island

5.000

Planung

Netzerweiterung mit Schwerpunkt Solarstrom

NYSERDA, New York

11

Planung

Ausbau von sog. intelligenten Netzen 

Grid Modernization Program, State of Washington

3,9

Zuschüsse für 18 Projekte

Ausbauprogramm des Washington State Department of Commerce

Grid Investment Plan, Georgia

1.300

Durchführung

Netzmodernisierung im gesamten Bundesstaat 

Quelle: Pressemitteilungen

Regional aufgeteilt werden die Mittel zum Netzausbau nach einem Schlüssel, der den Bevölkerungsanteil, Investitionsbedarf, das wirtschaftliche Entwicklungsniveau und weitere Kriterien eines jeden Bundesstaates berücksichtigt. Gleichzeitig müssen die Bundesstaaten, die in ihnen befindlichen Landkreise und Kommunen sowie die Projektträger aus der Wirtschaft qualitativ hochwertige Projektanträge stellen. Im Fall des Netzausbaus führt das US-Energieministerium (DOE) die Erstprüfung und Mittelfreigabe durch.

Auf der Basis des IIJC erhält aber auch das Smart Grid Investment Grant Program des DOE frische Mittel in Höhe von 3 Milliarden US$. Das Programm wurde 2007 mit dem Ziel gestartet, die Stromnetze auf das Aufschalten erneuerbarer Energiequellen vorzubereiten.

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