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Wirtschaftsumfeld | Vereinigtes Königreich | Außenhandel

Briten fallen aus Top Ten der größten Handelspartner Deutschlands

Der deutsch-britische Handel entwickelt sich seit Jahren schleppend. Nun fällt das Vereinigte Königreich aus Deutschlands Liste der zehn größten Handelspartner.

Von Marc Lehnfeld | London

Deutsch-britischer Handel seit Jahren schwach

Der deutsch-britische Außenhandel entwickelt sich so langsam, dass das Vereinigte Königreich nach diesem Jahr nicht mehr zu den zehn größten Handelspartnern Deutschlands gehört. Das geht aus den neuen Außenhandelsdaten des Statistischen Bundesamts für den Oktober 2022 hervor. Demnach ist der kalender- und saisonbereinigte Warenaustausch mit dem Vereinigten Königreich von Januar bis Oktober 2022 um 13,7 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode gewachsen. Im Vergleich dazu stieg der deutsche Außenhandel insgesamt mit 20,7 Prozent deutlich schneller. Die zweistelligen Wachstumsraten reflektieren vor allem die hohe Inflation. Die reale Außenhandelsentwicklung ist deutlich schwächer.

Deutschlands Warenaußenhandel mit dem Vereinigten Königreich 2022

Handelspartner

in Mrd. Euro (unbereinigt)

nominale Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %

nominale Veränderung in % auf Basis der saison- und kalenderbereinigten Daten

Ausland gesamt

3.068,4

18,8

19,0

Vereinigtes Königreich

111,0

14,1

14,4

  davon deutsche Importe

37,5

16,4

16,7

  davon deutsche Exporte

73,4

13,0

13,3

Quelle: Berechnungen von Germany Trade & Invest auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamts 2023

Schon seit 2017 sinkt die Bedeutung des Vereinigten Königreichs im deutschen Außenhandel. Lag die britische Insel damals noch auf Platz 5 der wichtigsten deutschen Handelspartner, ging es seitdem fast jährlich um einen Rang abwärts. Im Jahresverlauf 2022 wurde deutlich, dass der starke Handel Deutschlands mit Tschechien die Briten vom zehnten Platz verdrängen wird. Der tschechische Vorsprung ist mit rund drei Prozent signifikant und im November und Dezember 2022 kaum aufzuholen.

Die Aussichten für 2023 sind verhalten. Deutschland gehört zu den wichtigsten Lieferanten des Vereinigten Königreichs von Pkw, Industriemaschinen und chemischen Erzeugnissen. Die Branchen leiden jedoch im nächsten Jahr unter der schwachen Wirtschaftsentwicklung, zögerlichen Investitionen von Unternehmen und dem Strukturwandel in der Automobilindustrie. Absatzchancen bestehen jedoch im Gesundheitswesen, im Ausbau von Offshore-Windenergie und im Infrastrukturbau.

Wichtigste deutsche Exportgüter in das Vereinigte Königreich 2023
Anteil und Veränderung in Prozent
Güterkategorie

Volumen (in Mrd. Euro) 1)

Anteil

Nominale Veränderung gegenüber 2022

Gesamt

78,3

100,0

6,2

Pkw 2)

14,5

18,5

24,6

Kfz-Teile 3)

3,7

4,7

6,5

Industriemaschinen 4)

11,3

14,4

7,9

Elektronik und Elektrotechnik 5)

7,4

9,5

3,2

Chemische Erzeugnisse (exklusive Pharma) 6)

6,8

8,7

-10,2

1 unbereinigte Daten; 2 SITC-781; 3 SITC-784; 4 SITC-71-74; 5 SITC-75-77; 6 SITC-5./.54.Quelle: Berechnungen von Germany Trade & Invest auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamts 2024

Globale Wirtschaftsentwicklung und Brexit bremsen 

Sowohl die Coronapandemie, die energiepreisgetriebene Inflation als auch die geldpolitische Wende der Bank of England haben den britischen Wirtschaftsmotor aus dem Takt gebracht. Die Folgen des Brexit verstärken den Effekt, da der Handel über die Zollgrenze teurer geworden ist. Das Land steht vor einem Rezessionsjahr 2023, in dem die Wirtschaftsleistung nach Prognosen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) real um 0,4 Prozent fällt. Damit bildet das Vereinigte Königreich das Schlusslicht der G7-Länder. Das Office for Budget Responsibility (OBR) erwartet in seinem Wirtschafts- und Haushaltsausblick gar einen Rückgang um 1,4 Prozent. Erst im 4. Quartal 2024 soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) das Niveau von vor der Coronakrise 2019 erreichen.

Zusätzlich fällt der Staat als Impulsgeber aus. Die neue Regierung von Premierminister Rishi Sunak revidierte den turbulenten Niedrigsteuerkurs der kurzweiligen Vorgängerregierung und setzt auf eine Stabilisierung des Haushalts. Angesichts der hohen Staatsschuldenquote von rund 102 Prozent des BIP fallen neue schuldenfinanzierte Milliardenpakete zur Belebung der Wirtschaft aus.

Unternehmerische Unsicherheit durch Post-Brexit-Nebel

Auch knapp drei Jahre nach dem britischen EU-Austritt bleibt der wirtschaftspolitische Post-Brexit-Kurs des Landes unklar und verunsichert britische Unternehmen. Die von Wirtschaftsverbänden kritisierte und gleichzeitig als Befreiungsschlag proklamierte regulatorische Abwendung von der EU lässt weiterhin auf sich warten. Aufgrund hoher Komplexität muss die als "Brexit Freedoms Bill" verankerte Abschaffung von EU-Recht wahrscheinlich weiter verschoben werden. Vor kurzem erst wurde die Frist für die Anerkennung des europäischen CE-Kennzeichens um zwei Jahre verlängert. 

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Die Investitionen der gewerblichen Wirtschaft liegen noch mehr als 8 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau. Angesichts der bevorstehenden Rezession, steigender Finanzierungskosten und einer Anhebung der britischen Körperschaftssteuer von 19 auf 25 Prozent im April 2023 ist keine Trendwende in Sicht. Kommt es zu einer Annäherung zwischen der britischen Regierung und der EU-Kommission, vor allem in Bezug auf das umstrittene Nordirlandprotokoll, könnte das vielen Unternehmen eine Perspektive am britischen Wirtschaftsstandort geben.

Elektromobiler Wandel belastet bilateralen Handel

Gemischte Signale sendet insbesondere die britische Automobilindustrie. Der Branchenverband SMMT zeigt sich hoffnungsvoll, dass der britische Markt für Pkw und Transporter im nächsten Jahr um 15 Prozent zulegen könnte. Das würde eine Trendwende am britischen Automobilmarkt bedeuten, von der besonders Deutschland als starke Pkw-Exportnation profitieren könnte. Ein wichtiger Treiber ist der elektromobile Wandel. Die britische Regierung plant ab 2030 den Verkauf von Pkw mit klassischen Verbrennungsmotoren zu verbieten. Bereits heute verkaufen britische Autohäuser mehr Hybridfahrzeuge und Elektro-Pkw als klassische Verbrenner.

Ob die britische Automobilindustrie aber fit für den Wandel ist, bleibt unklar. Im Oktober 2022 gab BMW bekannt, seine Produktion des Elektro-Mini nach China zu verlagern. Damit verbleibt am Werk in Oxford lediglich die Herstellung für Verbrenner-Modelle. Die Produktion von Nissan im nordostenglischen Sunderland ist ein Gegenbeispiel. Die Japaner setzen weiter auf ihren britischen Produktionsstandort, der auch den europäischen Markt bedient. Der Bau für die notwendige Gigafactory für die Batterien der Elektroautos am Standort ist bereits beschlossen.

Die Batteriepläne der anderen Hersteller im Königreich bleiben unklar. Während das Britishvolt-Projekt laut Medienberichten in eine finanzielle Schieflage geraten ist, bleibt die West Midlands Gigafactory ein Projekt ohne sichtbaren Fortschritt. Ohne Batteriefabriken hat die britische Automobilindustrie kaum eine große Zukunft. Laut europäisch-britischem Freihandelsabkommen steigen ab 2024 die Ursprungsregeln beim Export von Pkw. Stammen die verbauten Batterien in den Elektroautos dann noch aus Asien, fallen beim Export in die EU Zölle an – ein erheblicher Wettbewerbsnachteil gegenüber Herstellern in der EU.

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