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Britische Großprojekte weiterhin Teil des "Mini-Budget"

Nach der weitgehenden Revision des "Mini-Budget" durch den neuen Finanzminister Jeremy Hunt bleiben wenige Maßnahmen bestehen. Die Förderung von Großprojekten gehört dazu.

Von Marc Lehnfeld | London

Der neue britische Finanzminister Jeremy Hunt hat zahlreiche Maßnahmen des vom ehemaligen Finanzminister Kwasi Kwarteng vorgestellten "Mini-Budget" beziehungsweise Growth Plan 2022 revidiert. Darunter fallen viele Steuerregelungen; unsere Rechtsexperten haben diese hier zusammengefasst. Im Einklang mit dem Wahlversprechen von Premierministerin Truss zu mehr Wirtschaftswachstum ("Growth, growth, growth") wurden unter anderem drei zentrale Maßnahmen zur Investitionsförderung beibehalten:

  1. Die Planungsverfahren ausgewählter Großprojekte sollen beschleunigt werden.
  2. "Investment Zones" sollen zusätzliche Investitionsanreize in ausgewählten Gebieten schaffen.
  3. Die jährliche Sonderabschreibungsmöglichkeit auf Investitionen ("Annual Investment Allowance") in Höhe von 1 Millionen Pfund Sterling pro Jahr besteht weiter.

Planungsverfahren für Großprojekte werden entbürokratisiert

Ein wichtiger Teil des Growth Plans 2022 ist die ausdrückliche Beschleunigung der Planungsverfahren von britischen Großprojekten. Dabei wird vor allem auf Projekte aus dem Bereich Straßen- und Schieneninfrastruktur, der Energiewirtschaft und dem Breitbandausbau abgezielt.

Um die Planungsverfahren zu beschleunigen, setzt die britische Regierung vor allem auf Bürokratieabbau, zum Beispiel bei Umweltregularien. Dabei ist allerdings mit Blick auf das europäisch-britische Freihandelsabkommen Fingerspitzengefühl gefragt, beinhaltet das Handels- und Kooperationsabkommen doch auch die hart verhandelten Regeln zum "Level-Playing-Field". Sie verbieten beiden Seiten eine Abschwächung des Sozial-, Arbeits- und Umweltschutzes unter das festgelegte Niveau von Ende 2020. Für die britische Regierung wird es somit eine Gratwanderung, die Planungsverfahren zu optimieren und dabei die Regeln des "Level-Playing-Field" nicht aufzuweichen.

Der Plan listet konkret 138 Projekte, deren Baustart größtenteils bis Ende 2023 von der britischen Regierung durch das beschleunigte Verfahren unterstützt werden sollen. Diese Liste wird als "nicht abschließend" bezeichnet. Der Fokus des Plans liegt jedoch nicht darauf, ob diese Projekte tatsächlich bis Ende 2023 in die Bauphase eintreten. Vielmehr zeigt die Auflistung, wo strategische Schwerpunkte der britischen Regierung liegen und welche Projekte dadurch von einem engen Dialog mit ihr profitieren können.

Infrastruktur und Wasserstoffwirtschaft profitieren von "Mini-Budget"

Profiteur des Plans ist unter anderem die Schieneninfrastruktur. Zehn Schienenverbindungen jenseits des Leitprojekts zur Schnellzugverbindung HS2 sollen gefördert werden. Gelistet wurden auch die Vorhaben des Integrated Rail Plan, welcher im vergangenen Herbst beschlossen wurde. Außerdem sollen die Projekte des Northern Powerhouse Rail und die umgerechnet rund 13 Milliarden Euro teure Modernisierung der Transpennine Route beschleunigt werden.

Auch die Wasserstoffwirtschaft wird im Growth Plan 2022 priorisiert. Im Fokus steht unter anderem der Aufbau von zwei CCUS-Clustern. So sollen zum Beispiel im Industriecluster HyNet North West die Pläne für eine Wasserstoffpipeline und den Wasserstoffspeicher des Ineos-Tochterunternehmens INOVYN vorangetrieben werden. Die Pipeline und Speicherprojekte im East Coast Cluster sollen ebenfalls gefördert werden. 

Bedeutende Infrastrukturprojekte im Vereinigten Königreich (Auswahl)

Projekt

Investitionssumme in Milliarden Euro

Projektstand

Akteur/Anmerkungen

Northern Powerhouse Rail Programme

44,7

Umsetzung zurzeit nicht bekannt

Geplant sind Schnellstrecken zwischen Liverpool und Leeds über Manchester und Bradford, sowie Aufrüstung und Elektrifizierung. Department for Transport, Transport for the North


Transpennine Route Upgrade Programme, (120 Kilometer langes Streckennetz zwischen York und Manchester über Leeds und Huddersfield)

13,2

geplante Fertigstellung: 2036

Aufrüstung und Elektrifizierung des gesamten Streckennetzes. Department for Transport, Network Rail

Atomkraftwerk Sizewell C, in Suffolk, Südostengland (3,2 Gigawatt)

2,5

Genehmigung zur Entwicklung im Juli 2022 erhalten

EDF Energy mit Beteiligung China General Nuclear Power Corporation

Offshore Windpark "Morven", vor der schottischen Ostküste (Kapazität: 2,9 Gigawatt)

k. A.

in Planung

Projektpartner: bp und Energie Baden-Württemberg AG (EnBW)

"Murlach Field Development", Neugewinnung von Erdölaufkommen an der Küste vor Aberdeenshire in Schottland; geschätzte Reserven: 25,9 Millionen Barrel Öl und 602 Millionen Kubikmeter Gas

k. A.

geplante Produktion: Mitte 2025

Projektpartner: BP Exploration Operating Company und NEO Energy Central North Sea

Aldbrough Hydrogen Storage, (East Coast Cluster, Humber), Kapazität: rund 320 Gigawattstunden

k. A.

geplante Inbetriebnahme: 2028

Bau einer neuen Wasserstoffanlage. Projektpartner: SSE Thermal und Equinor

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen

Steuererleichterungen sollen Investitionen anreizen

Neben der Beschleunigung von Planungsverfahren setzt die britische Regierung einen zweiten Hebel bei Großprojekten ein. Demnach sollen Investitionen in Großprojekte in sogenannten "Investment Zones" zusätzlich auch von Steuererleichterungen mit einer Geltungsdauer von 10 Jahren profitieren. So entfallen dort zum Beispiel die Grundsteuer ("Business Rate") und die Grunderwerbssteuer ("Stamp Duty Land Tax"); zu versteuernde Gewinne werden zudem um Sonderabschreibungsmöglichkeiten reduziert. Auch die Sozialversicherungsbeiträge vonseiten der Arbeitgeber werden übernommen.

Ziel der Regierung ist es, durch die Initiative zusätzliche Investitionen anzureizen und gleichzeitig keine Investitionsverlagerungen zu provozieren. Das Konzept der "Investment Zones", das noch keinen rechtlichen Rahmen besitzt, ähnelt stark der bereits vorangetriebenen Freihafen-Initiative. Vor allem die enthaltenen "Tax Zones" beider Pläne ähneln sich, wobei die neuen "Investment Zones" laut einer Einschätzung von PWC größere Steuervorteile bieten. Die neuen "Investment Zones" grenzen sich auch darin von der Freihafen-Initiative ab, dass förderfähige Maßnahmen nicht nur auf gewerbliche Investitionen begrenzt sind, sondern auch Wohnprojekte umfassen können. 

Auch Gigafactories stehen auf Förderliste der Regierung

Die Investitionsinitiative geht ebenfalls mit einer Liste möglicher Zonen im Growth Plan 2022 einher. Die Regierung hat bereits mit 38 englischen Kommunen über die Errichtung von "Investment Zones" verhandelt. Ein anschließendes Interessensbekundungsverfahren mit weiteren Kommunen lief bis zum 14. Oktober 2022.

Profitieren könnte zum Beispiel die sich bereits in Planung befindliche Batterieproduktion der West Midlands Gigafactory in der Nähe des Flughafens von Coventry. Spekuliert wird auch über den Bau einer Gigafactory von Jaguar Landrover in Somerset. Auch der Bahnhof Solihull als Teil der Schnellzugverbindung HS2 zwischen London und Birmingham könnte gefördert werden. 

Besonders die Region Teesside zeigt sich in einer starken Position. Dort wird südlich des Flusses Tees bereits ein englischer Freihafen betrieben, zu dem auch vier ausgewiesene Gebiete mit Steuererleichterungen gehören. Auch für die "Investment Zones" werden weitere Flächen in der Nähe des Freihafens gelistet, darunter der Teesside International Airport und in der Stadt Middlesbrough.

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