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Britisches "Mini-Budget" verunsichert Finanzmärkte

Der als "Mini-Budget" geplante Wachstumsimpuls der neuen britischen Regierung sorgt für einen Knall. Nach dem Pfund Sterling-Absturz sind alle Augen auf den November gerichtet.

Von Marc Lehnfeld | London

Die neue britische Regierung von Premierministerin Liz Truss startete mit einem ökonomischen Paukenschlag. Das Pfund Sterling fiel am Montag, den 26. September 2022, kurzzeitig auf den historisch niedrigsten Stand von 1,0327 US-Dollar. Damit zeigten sich Finanzinvestoren besorgt über die Solidität der britischen Staatsfinanzen.

Grund dafür war die Ankündigung des Growth Plan 2022 des neuen britischen Finanzministers Kwasi Kwarteng am vorangegangenen Freitag. Darin stößt er die größten Steuersenkungspläne seit 50 Jahren in einem schwierigen konjunkturellen Umfeld an. Kassiert wird im Mini-Budget nicht nur die von seinem Amtsvorgänger und Truss-Rivalen Rishi Sunak lancierte Körperschaftsteuererhöhung von 19 auf 25 Prozent im April 2023. Kwarteng verspricht auch Einkommensteuersenkungen, Investitionsfördermaßnahmen und Energiepreisdeckel für Haushalte und Unternehmen. Die ebenfalls angekündigte Absenkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer nahm der Finanzminister jedoch bereits wieder zurück.

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Scharfe Kritik und Zweifel an Wirkung des "Mini-Budgets"

Nach Berechnungen des Institute for Fiscal Studies (IFS) dürften die neuen Maßnahmen im Mini-Budget die Nettoneuverschuldung im laufenden Haushaltsjahr um umgerechnet rund 210 Milliarden Euro in die Höhe treiben. Damit würde die Nettoneuverschuldung mit 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts die drittgrößte seit dem Zweiten Weltkrieg sein. 

Paul Johnson, Direktor des IFS, vermisst am "Mini-Budget" in ungewöhnlich harscher Kritik "den geringsten Anschein von Mühe, die Zahlen der öffentlichen Finanzen zusammenzubringen" und bezeichnet die Rede des Finanzministers zum Mini-Budget als "Glücksspiel mit der Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen".

Damit begegnet Johnson auch Kwartengs Bruch mit einer wichtigen Tradition der nationalen Haushaltsführung: Anders als üblich erlaubte die Regierung dem unabhängigen Office for Budget Responsibility (OBR) keine begleitende Einschätzung zur Auswirkung der Maßnahmen auf den Staatshaushalt und die Konjunktur. Auch der hochgeschätzte Think-Tank Institute for Government verurteilte diesen Schritt als "unverantwortlich und (es) untergräbt die Glaubwürdigkeit der Fiskal- und Wirtschaftspolitik der Regierung". Der Think-Tank nahm damit die Kritik von Finanzinvestoren vorweg, die sich aus dem Absturz des Pfund Sterling ergab. Andrew Goodwin, Chief UK Economist des britischen Analysehauses Oxford Economics, sieht in der temporären OBR-Blockade einen wichtigen Auslöser für den Vertrauensbruch.

Daneben äußern zahlreiche Finanz- und Wirtschaftsanalysten erhebliche Zweifel an der ökonomischen Durchschlagskraft der angekündigten Maßnahmen. Der Internationale Währungsfonds kritisierte offen den zur Geldpolitik des Landes konträren fiskalpolitischen Kurs mit ungedeckten Ausgaben, der höchstwahrscheinlich auch die Ungleichheit im Land verstärken würde.

Problematisch für die britischen Staatsfinanzen könnten auch die Auswirkungen des "Mini-Budgets" auf den Anleihemarkt werden. Die Renditen für zehnjährige britische Staatsanleihen sind auf über 4 Prozent geklettert. Die Refinanzierung des Staates hat sich erheblich verteuert. Um den Anleihemarkt zu stabilisieren, hat die Bank of England ein Anleihekaufprogramm angekündigt: Es hat einen Umfang von rund 5,5 Milliarden Euro pro Tag, begrenzt auf 13 Tage. Laut Financial Times will die Nationalbank damit auch ein Systemversagen bei den privaten Pensionskassen verhindern.

Mittelfristige Finanzplanung für den 23. November erwartet

Um die Glaubwürdigkeit im Finanzmarkt wiederherzustellen, traf Kwarteng gemeinsam mit Premierministerin Liz Truss das Budget Responsibility Committee des OBR. Sie beauftragten einen ökonomischen und fiskalischen Ausblick im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des mittelfristigen Fiskalplans. Beide Berichte werden erst für den 23. November 2022 erwartet.

Deutlicher Anstieg des Leitzinses möglich

Das OBR und das Finanzministerium müssen auch mit einem höheren Leitzins rechnen, wenn der entscheidende geldpolitische Ausschuss der Nationalbank am 3. November 2022 das nächste Mal zusammenkommt.

Das Wirtschaftsforschungsunternehmen Capital Economics erwartet, dass der Leitzins von aktuell 2,25 Prozent bis Anfang 2023 auf 5 Prozent steigen wird – mit deutlichen Folgen. Neben der allgemein verteuerten Kreditaufnahme von Staat, Unternehmen und Privathaushalten, rechnen die Forscher durch den steigenden Zins von Immobiliendarlehen mit einem Rückgang der Immobilienpreise um 10 bis 15 Prozent.

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