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Wirtschaftsumfeld | Vereinigtes Königreich | Konjunktur

Kehrtwende in der britischen Haushaltsplanung

Der britische Finanzminister Jeremy Hunt revidiert die gesamte Haushaltsplanung seines Vorgängers. Die Wirtschaft befindet sich in einer Rezession und erholt sich nur langsam.

Von Marc Lehnfeld | London

Der britische Finanzminister Jeremy Hunt hat das Land in seiner mit Spannung erwarteten Haushaltsrede auf seinen harten Sparkurs und umfangreiche Steuererhöhungen eingestimmt. Sein Autumn Statement reagiert damit auf den düsteren Ausblick des parallel veröffentlichten Wirtschafts- und Haushaltsausblicks des Office for Budget Responsibility (OBR). Demnach befindet sich das Königreich bereits in einer Rezession, die bis ins nächste Jahr andauern wird und den Lebensstandard britischer Haushalte um acht Jahre zurückwirft. Erst im 4. Quartal 2024 soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) das Niveau von vor der Coronakrise in 2019 erreichen.

Aktualisierte Konjunkturprognose des Office for Budget Responsibility (in Prozent)

Realwachstum gegenüber dem Vorjahr

2022

2023

2024

BIP

4,2

-1,4

1,3

Privatkonsum

4,7

-1,9

1,1

Staatskonsum

2,1

4,8

1,6

Bruttoanlageinvestitionen

4,5

-1,4

1,2

davon von der gewerblichen Wirtschaft

4,9

-2,1

3,1

Export (Waren und Dienstleistungen)

5,1

-2,8

0,1

Import (Waren und Dienstleistungen)

11,2

-5,5

-0,2

Weitere Indikatoren:

Inflationsrate 

9,1

7,4

0,6

Arbeitslosenquote

3,6

4,1

4,9

Realwachstum der verfügbaren Haushaltseinkommen

-3,1

-3,4

1,2

Quelle: Office for Budget Responsibility (OBR) 2022

Steueraufkommen auf höchstem Stand seit dem Zweiten Weltkrieg

Der Finanzminister sendet schon seit seiner Ernennung das Signal steigender Zinsen und größerer Einsparungen. Damit begegnet er der Inflation, der hohen Staatsverschuldung, den sichtbar werdenden Brexit-Folgen und der allgemein schwierigen globalen Wirtschaftslage, die das Land in eine Rezession treiben. Mit seiner Haushaltsrede hat er seine Richtung konkretisiert und überarbeitet damit den gesamten Steuersenkungskurs seines Vorgängers. Geplante Steuererhöhungen vergrößern die Umverteilungsrolle des Staates erheblich. Machte das Steueraufkommen im Haushaltsjahr 2019/20 noch rund ein Drittel des BIP aus, steigt der Anteil nach Berechnungen des OBR auf 37,5 Prozent bis 2024 – den höchsten Stand seit Ende des Zweiten Weltkriegs. 

Bei der Einkommensteuer wird die Schwelle für den Spitzensteuersatz von 150.000 auf 125.140 Pfund Sterling gesenkt. Weitere Schwellenwerte wie bei der Sozialversicherung werden eingefroren. Der Körperschaftsteuersatz wird im April 2023 von 19 auf 25 Prozent steigen. Weitere Steuererhöhungen entstehen vor allem durch eine Anhebung der Übergewinnsteuer bei Erdöl- und Gasunternehmen ("Energy Profits Levy") von 25 auf 35 Prozent und die Einführung einer vorübergehenden Stromerzeugerabgabe ("Electricity Generator Levy") von 45 Prozent. Um die Energiepreisbelastung der Haushalte zu begrenzen, steigt der bisherige Preisdeckel ab April 2023 um 500 Pfund Sterling auf 3.000 Pfund Sterling im Jahr 2023, nebst zusätzlicher Hilfen für einkommensschwache Haushalte. Nach Einschätzung des Branchenverbands Energy UK werden viele Haushalte dennoch Probleme haben, ihre Energierechnungen zu bezahlen. Die sechsjährige Stromerzeugerabgabe sei außerdem ein Wettbewerbsnachteil gegenüber der nur sechsmonatigen Periode in der EU. 

Außerdem müssen ab 2025 die Halter von Elektrofahrzeugen Kraftfahrzeugsteuer bezahlen. Dies erkennt der Automobilverband SMMT zwar als fairen Anteil an. Der Verband verweist aber auch darauf, dass viele Besitzer die Zusatzsteuer für Fahrzeuge über dem Listenpreis von 40.000 Pfund Sterling zahlen müssen, was angesichts der grundsätzlich teureren Elektrofahrzeuge nicht gerechtfertigt sei.  

Staatsverschuldung bleibt hoch

Auch wenn das Finanzministerium die Steuern anhebt und Haushaltseinsparungen anstrebt, steigen die Staatsausgaben weiter. Schuld sind die hohen Kosten für die Schuldenzinsen. Die jährliche Neuverschuldung fällt zwar schrittweise von aktuell 7,1 Prozent BIP-Anteil auf unter 3 Prozent in 2025. Die Staatsschuldenquote bleibt aber hoch und klettert nach Einschätzung des OBR bis nächstes Jahr von 102 Prozent auf rund 107 Prozent. Selbst bis 2027 fällt sie nur auf 99 Prozent. Eine hohe Staatsschuldenquote bleibt damit mittelfristig eine erhebliche Belastung in der britischen Fiskalpolitik.

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Einzelhändler und Gesundheitswesen profitieren

Es gibt allerdings auch Sektoren, die von den Ankündigungen profitieren. Dazu zählt das Gesundheitswesen mit dem unterfinanzierten staatlichen Gesundheitsdienstleister NHS. Dieser erhält eine Budgeterhöhung um jährlich 3,3 Milliarden Pfund Sterling bis 2024. Die NHS Confederation sieht darin eine Hilfe, um die langen Wartelisten für Patienten zu bekämpfen und die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems zu verbessern.

Positiv wird auch die Ankündigung des britischen Finanzministers aufgenommen, dass die Kostenbelastung durch die umstrittene Business Rate, eine Form der Gewerbesteuer, gesenkt wird. Das British Retail Consortium sieht darin einen "ersten Schritt zur fundamentalen Reform des kaputten Business Rate Systems". Das Branchensprachrohr des Gastgewerbes, UK Hospitality, äußerst sich zur Business Rate Senkung ähnlich, bemängelt aber fehlende Impulse für Wirtschaftswachstum. Auch der mächtige Industrieverband Make UK vermisst einen "übergreifenden Plan wie die großen Wachstumstreiber Fachkräfte, Innovation und Wissenschaft zusammengefasst werden, um die Produktivität zu verbessern."

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