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Wirtschaftsumfeld | Vereinigtes Königreich | Regierung

Neue britische Premierministerin Liz Truss steht vor hohen Hürden

Liz Truss gewinnt die Wahl zur konservativen Parteivorsitzenden und wird neue britische Premierministerin. Nicht nur die Energiekrise und die Inflation erschweren ihr den Start.

Von Marc Lehnfeld | London

Die britische Königin Elisabeth II. hat die ehemalige Außenministerin Liz Truss zur neuen Premierministerin des Vereinigten Königreichs ernannt. Als Nachfolgerin des zurückgetretenen Premierministers Boris Johnson ist sie nun mit der Aufstellung eines neuen Regierungskabinetts beauftragt. Truss ist die 15. Premierministerin des Landes und nach Margaret Thatcher und Theresa May die dritte Frau in diesem Amt.

Nach der Rücktrittsankündigung Johnsons im Juli 2022 wurde das mehrstufige Verfahren für den Vorsitz der konservativen Partei und somit den Posten des britischen Premierministers eingeleitet. Es mündete in einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Liz Truss und dem ehemaligen Finanzminister Rishi Sunak. Truss galt früh als Favoritin und gewann die Wahl mit 57 Prozent der abgegebenen Stimmen der Parteimitglieder.

Steuersenkungen gegen grassierende Inflation

Truss steht nun jedoch vor einigen Hürden. Die britischen Wirtschaftsverbände fordern baldige Maßnahmen, um Unternehmen und Haushalte vor den rasant steigenden Energiekosten zu schützen. Martin McTague, National Chair der Federation of Small Businesses (FSB), beschreibt die momentane Wirtschaftslage als eine "toxische Mischung aus sehr hohen Steuern, einer grassierenden Inflation und Lieferkettenunterbrechungen". Die britische Handelskammer legte unmittelbar einen Fünf-Punkte-Plan vor, um die Folgen hoher Energiepreise für Unternehmen abzumildern. Der Industrieverband Make UK nennt steigende Rohstoffpreise und den verschärften Fachkräftemangel als weitere Probleme.

Im Wahlkampf um den Parteivorsitz der Konservativen versprach Truss bereits Steuersenkungen und zusätzliche staatliche Hilfsmaßnahmen. Dafür will die neue Premierministerin die beschlossene Erhöhung der Körperschaftssteuer von 19 auf 25 Prozent rückgängig machen. Diese hatte ihr Konkurrent und ehemaliger Finanzminister Sunak für April 2023 noch auf den Weg gebracht. Auch die Anhebung der Sozialversicherungsbeiträge vom April 2022 möchte sie zurücknehmen.

Laut Alex Wickham von Bloomberg wird die Premierministerin zudem pauschale Energiepreissätze mit der Regierung festlegen. Diese ersetzen die bisher übliche Bestimmung einer Preisobergrenze durch die Regulierungsbehörde Ofgem. Die jährlichen Energiekosten der Haushalte sollen so auf 1.971 Pfund Sterling (etwa 2.266 Euro) begrenzt werden. Basierend auf der aktuellen Regelung würden sie im Oktober 2022 auf 3.548 Pfund Sterling (etwa 4.080 Euro) steigen.

Weitere Leitzinserhöhungen erwartet

Paul Dales, Chief UK Economist beim Wirtschaftsforschungsunternehmen Capital Economics, warnt, dass dieses neue Preissystem eine fiskalische Mehrbelastung bedeuten könnte. Er spricht dabei von bis zu 4 Prozent der britischen Wirtschaftsleistung. Das könnte den Druck auf die Bank of England erhöhen, den Leitzins erneut anzuheben. Nach Einschätzung der Ökonomen von Capital Economics ist es möglich, dass die von Truss geplanten Maßnahmen eine Rezession zwar abmildern könnten, aber nicht gänzlich verhindern. Es wird deshalb eine erneute Leitzinserhöhung von 1,75 Prozent auf 3 Prozent erwartet. Der entscheidende geldpolitische Ausschuss (MPC) der britischen Notenbank wird am 15. September 2022 über mögliche Maßnahmen beraten.

Drohende Eskalation im Streit um Nordirland-Protokoll

Im Streit um das Nordirland-Protokoll als Teil des Brexit-Vertrags ist durch die Ernennung von Liz Truss zur Premierministerin keine Entspannung in Sicht. Noch vor der Rücktrittsankündigung von Boris Johnson befürwortete sie als Außenministerin die Pläne der Regierung für die Northern Ireland Protocol Bill. Mit dieser will sich die britische Regierung ohne Zustimmung des Vertragspartners Europäische Union (EU) ermächtigen, die Regelungen des Nordirland-Protokolls zu brechen. Im Wahlkampf um den Parteivorsitz versprach Truss dieser Linie treu zu bleiben.

Medienberichten zufolge berät der Stab der Premierministerin bereits eine mögliche Anwendung des Artikels 16 des Nordirlandprotokolls. Mit diesem können Teile des Protokolls bei schwerwiegenden Störungen ausgesetzt werden und ein Schlichtungsverfahren einleiten. Als Reaktion der EU wird mit Gegenmaßnahmen bis hin zur Aussetzung des Freihandelsabkommens gerechnet. Die EU hat bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen das Vereinigte Königreich angestoßen.

Der Streit um das Nordirland-Protokoll begründet sich in der britischen Argumentation, dass die Umsetzung der nordirischen Wirtschaft schade. Die NI Business Brexit Working Group, eine verbandsübergreifende nordirische Arbeitsgruppe, ruft sowohl die EU als auch die britische Regierung dazu auf, den Konflikt zu beenden. Die Northern Ireland Protocol Bill birgt laut der Arbeitsgruppe reputierliche, rechtliche und geschäftliche Risiken für die Unternehmen. Die britische Regierung steht außerdem unter dem Druck der nordirischen unionistischen Partei DUP. Diese fordert die Auflösung einer Zollgrenze zwischen Nordirland und Großbritannien und damit das Kernelement des Protokolls. 

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