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Wirtschaftsumfeld | Welt | Ausländische Direktinvestitionen
Die Pandemie hat das globale Investitionsgeschehen stärker als während der Finanzkrise einbrechen lassen. Die wenigen Gewinner sitzen in Asien.
10.02.2021
Von Christiane Süßel | Bonn
Covid-19 hat viele Länder ins Mark getroffen. Die große Unsicherheit hat dafür gesorgt, dass die weltweiten ausländischen Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) einbrachen. Die Industrienationen und allen voran die USA und Europa gingen als Verlierer aus dem Rennen um Gelder ausländischer Investoren hervor. Die Vereinigten Staaten, jahrzehntelang an der Spitze der Empfängerländer, mussten 2020 zusehen, wie FDI-Gelder nach Asien und insbesondere nach China umgeleitet wurden.
Die weltweiten Investitionen brachen 2020 gegenüber dem Vorjahr um 42 Prozent auf 859 Milliarden US-Dollar (US$) ein. Der Rückprall fiel um knapp ein Drittel heftiger aus als während der Finanzkrise 2009. Das berichtet die Konferenz für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCTAD) im World Investment Report. Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland bei der Deutschen Bank, sieht hier große Unwägbarkeiten für die Unternehmen: "Die Corona-Pandemie, der Brexit und der unsichere Ausgang der US-Wahlen haben die Investoren im Ausnahmejahr äußerst vorsichtig werden lassen." Ein großer Hemmschuh seien die Reisebeschränkungen: "FDI-Deals werden nicht vom heimischen Schreibtisch aus geschlossen."
Der FDI-Einbruch traf einzelne Länder mit unterschiedlicher Härte. Über dem weltweiten Durchschnitt stürzten die Investitionen in den Industrienationen auf ein 25-Jahres-Tief ab. Sie brachen im Vergleich zum Vorjahr um 69 Prozent auf 229 Milliarden US$ ein. Allein in den USA halbierten sich die Investitionen nahezu, auf 134 Milliarden US$. In Europa stockte der Zufluss ganz; unter dem Strich wurden sogar 4 Milliarden US$ abgezogen. Insgesamt trugen die Industrieländer 80 Prozent der weltweiten FDI-Einbußen.
Profiteure des allgemeinen Abwärtstrends sind die Entwicklungs- und Schwellenländer, deren FDI-Zuflüsse um vergleichsweise geringe 12 Prozent auf 616 Milliarden US$ zurückgingen. In den asiatischen Schwellenländern sanken die ausländischen Direktinvestitionen nur um 4 Prozent. So haben die Schwellenländer ihren Anteil an den weltweiten FDI-Geldzuflüssen auf 72 Prozent ausgebaut.
Region | FDI 2019 | FDI 2020 | Veränderung 2020/2019 |
---|---|---|---|
Welt | 1.489 | 859 | -42 |
Industriestaaten | 730 | 229 | -69 |
Europa | 344 | -4 | |
Nordamerika | 309 | 166 | -46 |
Schwellenländer | 702 | 616 | -12 |
Afrika | 46 | 38 | -18 |
Lateinamerika und Karibische Staaten | 160 | 101 | -37 |
Schwellenländer Asiens | 495 | 476 | -4 |
Staaten im Übergang * | 58 | 13 | -77 |
Mittlerweile fließt jeder dritte investierte FDI-US-Dollar nach Ostasien. Zugpferd ist China, das sich 2020 mit einem Plus bei den Investorenmitteln von 4 Prozent auf insgesamt 163 Milliarden US$ als größter FDI-Empfänger an den USA vorbei an die Spitze geschoben hat. Anders als die große Mehrzahl der von der UNCTAD untersuchten Länder, in denen weniger Gelder investiert wurden, verbuchte das Riesenreich gemeinsam mit Indien 2020 eine deutliche Steigerung.
"Die asiatischen Länder punkten bei den Investoren mit nachhaltig hohen Wachstumsraten und einer positiven demografischen Entwicklung", erklärt Schneider. China locke als enormer Wachstumsmarkt mit einer kaufkräftigen Mittelschicht und habe sich als Hightech-Standort positioniert. Dies ziehe Investorengelder an.
Europa war der einzige Kontinent, bei dem unter dem Strich sogar Mittel abgezogen wurden. In den 27 EU-Staaten fielen die FDI-Zuflüsse um 71 Prozent auf 110 Milliarden US$. In Deutschland flossen zwar netto noch Investorengelder ins Land – es waren mit 23 Milliarden US$ aber fast zwei Drittel weniger als noch 2019.
"Europa ist von Corona hart getroffen, sodass die Investoren mit Vorsicht agierten," erläutert Schneider. Doch insbesondere Deutschland habe eine hohe Krisenresilienz bewiesen. "Das solide Gesundheitswesen und der funktionierende Sozialstaat dürften dazu beitragen, dass Deutschland in der Gunst der Investoren am Ende steigen könnte." Umgekehrt habe Corona aber auch dazu beigetragen, dass viele Lieferketten künftig regionaler ausgerichtet werden dürften, und das Beispiel Huawei habe gezeigt, dass ausländische Beteiligungen in strategisch wichtigen Bereichen nicht immer gern gesehen seien. Zudem stehe Europa vor der Herausforderung, sich in einer bipolaren Welt zwischen den beiden Blöcken USA und China zu positionieren. "Unternehmen müssen in beiden Märkten präsent sein", so Schneider.
China punktete 2020 bei den internationalen Geldgebern mit einem trotz Corona positiven Wirtschaftswachstum und staatlichen Hilfen, die dazu beitrugen, dass sich das Land schneller von der Pandemie erholte als der Rest der Welt. Dabei legten Investitionen in Hightech-Industrien zweistellig zu.
Ganz anders in den USA, wo das Engagement multinationaler Großkonzerne aus Großbritannien, Deutschland und Japan weit geringer ausfiel als im Vorjahr. Schneider sieht hier die Unsicherheit durch die Pandemie und die US-Wahlen am Werk. Von der Zurückhaltung waren besonders der US-amerikanische Großhandel, der Finanzdienstleistungssektor und die Industrie betroffen.
Die FDI-Investitionen sanken zwar auch in den südostasiatischen Staaten. Sie zeigten ihre Attraktivität aber bei den geringen Rückgängen bei Geldern für den Aufbau neuer Produktionsstätten, sogenannten Greenfield-Investments. In Südostasien kürzten die Investoren ihre Pläne für neue Fabriken und Standorte nur sehr moderat: mit 70 Milliarden US$ erreichten sie den höchsten Wert aller Schwellenländer.
Weltweit sind Greenfield-Investments 2020 um 35 Prozent auf 547 Milliarden US$ eingebrochen. Unterstützt auch durch die Stimuli-Pakete der Industrienationen zeichnet sich ein Trend hin zu Projekten im Bereich erneuerbare Energien und dem Ausbau von Infrastruktur ab, während weniger in Kohle und Raffinerie-Produkte sowie den Fahrzeugbereich investiert wird.
Die FDI-Ströme werden auch 2021 nur zäh fließen. Die UNCTAD geht für 2021 von einem Rückgang von 5 bis 10 Prozent aus und erwartet in erster Linie von Fusionen und Übernahmen Impulse. Schneider sieht in der Erholung des Welthandels einen Hoffnungsschimmer. Er werde das FDI-Geschehen anschieben und die Gelder rege fließen lassen: "Wir schwimmen global in Liquidität".