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Wirtschaftsumfeld | Welt | Fragile Staaten
Eine neue Strategie der Weltbankgruppe betont die Rolle der Privatwirtschaft in fragilen Staaten. Sie soll die Förderansätze besser abstimmen und effizienter machen.
22.07.2020
Von Martin Walter | Bonn
Nach Schätzungen der Weltbank werden bis ins Jahr 2030 mehr als die Hälfte der extrem armen Menschen in Ländern leben, in welchen Gewalt und Konflikte an der Tagesordnung sind. Solche Länder werden als fragile oder „gescheiterte“ Staaten bezeichnet. In den letzten Jahren hat sich die Situation in den fragilen Staaten weiter verschlechtert. Gewaltsame Konflikte haben zugenommen und die Anzahl von Vertriebenen und Flüchtlingen hat nach Zahlen vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mit fast 80 Millionen Menschen ein Allzeithoch erreicht. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bewertet jährlich die Fragilität von Staaten. 2018 wurden 65 Länder als fragil eingestuft.
Vor diesem Hintergrund hat die Weltbank im Februar 2020 ihre neue Strategie für Fragilität, Konflikte und Gewalt 2020-2025 für den Umgang mit fragilen Kontexten veröffentlicht. Sie reagiert damit auch auf den von der britischen Kommission für Fragilität, Wachstum und Entwicklung veröffentlichten Bericht "Der Fragilitätsfalle entkommen", welcher die Rolle von Entwicklungsbanken und des Privatsektors in fragilen Kontexten betont. Entwicklungsbanken seien am besten in der Lage, private Investitionen in fragilen Kontexten zu mobilisieren und auch abzusichern. Pionierunternehmen könnten so beim Eintritt in schwierige Märkte unterstützt werden.
Ziel der neuen Strategie ist die Verbesserung der Förderansätze zur Unterstützung gescheiterter Staaten. Die Einflussfaktoren und Auswirkungen von Fragilität, Konflikten und Gewalt sollen in einem ganzheitlichen Ansatz erfasst und bekämpft werden. In ihrer Strategie stellt die Weltbank den Privatsektor und konfliktsensitive Investitionsansätze in den Mittelpunkt und hebt ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung hervor.
Die Strategie wurde in einem globalen Konsultationsprozess erarbeitet und basiert auf vier Säulen zur Unterstützung von Regierungen und der Privatwirtschaft.
Die Strategie der Weltbank betont die Bedeutung einer Zusammenarbeit mit einem breiten Spektrum von Akteuren aus dem öffentlichen und privaten Sektor. Dazu gehören nationale und lokale Regierungen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie regionale und multinationale Konzerne. Durch das Zusammenspiel dieser Akteure sollen Anreize für Investitionen geschaffen und wichtige politische Reformen beeinflusst werden. Triebkräfte und strukturelle Ursachen von Fragilität können damit effektiver bekämpft werden. Die Operationalisierung der Strategie erfolgt im Rahmen regionaler Umsetzungspläne und spezieller Länderprogramme.
Um den wachsenden Herausforderungen in fragilen Kontexten zu begegnen, haben die Organisationen der Weltbankgruppe das Volumen ihrer finanziellen Unterstützung erheblich erhöht. Die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) hat seit 2017 mehr als 3 Milliarden US-Dollar (US$) zu Vorzugskonditionen zur Verfügung gestellt. Die Mittel der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA), der Weltbanktochter für die ärmsten Staaten, belaufen sich für den Zeitraum von 2017 bis 2020 auf 14 Milliarden US$, welche in verschiedenen Situationen von Fragilität eingesetzt werden können. Die Garantien der Multilateralen Investitionsgarantie Agentur (MIGA) in fragilen Kontexten haben 2019 einen Rekordbetrag von 2 Milliarden US$ erreicht.
Mit Blick auf die Zukunft will die Weltbank die Ressourcen für die betroffenen Länder weiter aufstocken und über verschiedene Maßnahmen eine Anreizstruktur für Regierungen schaffen, um Risiken von Fragilität, Konflikten und Gewalt weiter zu reduzieren.
Die Internationale Finanzkorporation (IFC), der Privatsektorarm der Weltbank, unterstützt Unternehmen in fragilen Kontexten. Ein Beispiel ist Grupo M, welche 2010 in die Textil- und Bekleidungsherstellung in Haiti investierte und hier neun Jahre später bereits über 10.000 Mitarbeiter beschäftigte. In Kolumbien ging die lokale Tochtergesellschaft von General Motors, GM Colmotores, eine Partnerschaft mit einer Nichtregierungsorganisation ein, um ehemalige paramilitärische Kämpfer auszubilden und zu beschäftigen. Auch in der philippinischen Region Mindanao, die seit Generationen unter gewalttätigen Konflikten leidet, gibt es positive Bespiele. Die Paglas Corporation und La Frutera errichteten in den 1990er-Jahren eine Bananenplantage, die sowohl für Christen als auch für Muslime, einschließlich ehemaliger Kämpfer, Arbeitsplätze und Einkommensmöglichkeiten geschaffen hat.
Auch andere Entwicklungsbanken unterstützen Länder in fragilen Kontexten und fördern Frieden und Sicherheit. So bezuschusst die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) einen Stabilisierungs- und Entwicklungsfonds der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) mit 19 Millionen Euro. Die einzelnen Mitgliedsstaaten können für den Fonds Vorschläge einreichen, etwa für den Bau oder die Sanierung der regionalen Infrastruktur sowie für Maßnahmen zur Stärkung des Privatsektors und der Beschäftigung. Im Mittelpunkt steht dabei, dass die Finanzierungen der strukturellen Stabilisierung und nachhaltigen Entwicklung dienen. Davor wurden bereits im Pilotland Gambia Wertschöpfungsketten für Gartenbau, Geflügel und Fischfang mit Investitionen von 10 Millionen Euro unterstützt, um Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten zu schaffen.
Vermehrtes Engagement institutioneller Geber wird nötig sein, um die Risiken von Fragilität weiter zu minimieren und um das Ziel der Verringerung extremer Armut zu erreichen.