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Special | Kasachstan | Smart Farming

Agrarwirtschaft: Großes Potenzial für digitale Lösungen

Kasachstans Landwirtschaft erfreut sich seit einiger Zeit einer zunehmenden staatlichen Unterstützung. Die Erwartungen an den Einsatz digitaler Lösungen sind groß.

Von Jan Triebel | Almaty

Die Rolle des Agrarsektors hat sich in den letzten drei Jahrzehnten stark gewandelt. Noch Anfang der 1990er Jahre war er ein prägender Zweig der kasachischen Wirtschaft mit einem Beitrag von gut einem Drittel zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). In den letzten Jahren steuerte die Landwirtschaft jedoch nur noch etwa 5 Prozent zum BIP bei.

Inzwischen findet der Sektor aber vor allem auf politischer Ebene wieder starke Beachtung. Die Landwirtschaft soll Plänen der Regierung zufolge bei der angestrebten Diversifizierung der Exporte eine wichtige Rolle spielen. Sie konnte sich nicht zuletzt dank bedeutender Finanzhilfen des Staates als einer der wachstumsstärksten Wirtschaftszweige etablieren.

Eckdaten zu Landwirtschaft und Infrastruktur in Kasachstan

2020

Einwohner (in Millionen)

18,9

Ackerfläche (in Millionen Hektar)

22,6

Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des BIP (in Prozent)

5,3

IMD Digital Competitiveness Ranking (Rang unter 63 untersuchten Ländern)

36

Quelle: Büro für nationale Statistik Kasachstans; IMD

Getreidekulturen dominieren den Ackerbau

In der Pflanzenproduktion dominiert der Anbau von Getreidekulturen, hauptsächlich Weizen und Gerste. Knapp 70 Prozent aller für den Ackerbau genutzten Flächen gehen auf ihr Konto. Größere Agrarunternehmen bewirtschaften etwa 60 Prozent der Flächen.

In der Tierproduktion dominieren demgegenüber private Hof- oder Nebenwirtschaften. Diese halten vor allem Rinder, Ziegen und Schafe. Pferde, Schweine und Kamele kommen als Nutzvieh hinzu. Größere Agrarunternehmen sind einzig in der Geflügelzucht bestimmend.

Kasachstans Agrarsektor ist weiterhin stark auf Zulieferungen aus dem Ausland angewiesen - trotz der Bestrebungen, die Versorgung der Agrarproduzenten mit verschiedenen Vorleistungen oder Ausrüstungen stärker aus heimischen Quellen zu bestreiten. Zuletzt stiegen die Importe bei zahlreichen wichtigen Warengruppen wie etwa Landmaschinen, Düngemitteln, Rindern zu Zuchtzwecken oder Saatgut sogar recht deutlich an. Hauptlieferant ist häufig Russland. Es folgen Belarus, China und Deutschland.

Digitale Technik hält langsam Einzug 

Zu den Hauptanwendungen zählen in Kasachstan derzeit die Präzisionslandwirtschaft mit Feld-Monitoring über Drohnen, die Navigation per GPS und der damit verbundene Zugriff auf elektronische Kartensysteme. Mit smarten Telemetriesystemen lassen sich wichtige Parameter der eingesetzten Technik mit den Standortdaten verknüpfen, um beispielsweise Fahrgeschwindigkeit und Kraftstoffverbrauch zu optimieren. Hinzu kommen Parallelfahrsysteme, die auf großflächigen Feldern als besonders hilfreiche digitale Lösung gelten.

In vereinzelten Fällen werden Traktoren inzwischen auch mit Mini-Klimastationen ausgestattet. Ebenso nutzen erste Landwirte auf ihren Mähdreschern sogenannte Ertragskarten, die der Planung von Aussaat und Düngemitteleinsatz in der jeweils folgenden Saison dienen. Erste Betriebe greifen beim Einsatz von Feldspritzen auf ein System des deutschen Anbieters Amazonen-Werke H. Dreyer SE & Co. KG (Amazone) aus Hasbergen zurück, das dank chlorophyllsensitiver Infrarotsensoren Unkraut erkennt und so den Einsatz von Herbiziden auf den Feldern reduzieren hilft.

Darüber hinaus gibt es Ansätze, digitale Lösungen in Gewächshäusern einzusetzen. Partner bei einem entsprechenden Pilotprojekt sind die Agraruniversität in Almaty und eine Stiftung aus Südkorea, die sich dem Transfer landwirtschaftlicher Technologien widmet. Eine 1,5 Hektar große Versuchsanlage benötigt Personal nur zum Ernten des dort auf Kokosfasern-Erde angebauten Gemüses. Alle weiteren Prozesse zur Regulierung von Temperatur, Sonneneinstrahlung und Feuchtigkeit in den Gewächshäusern sind automatisiert.

Erste Beispiele für innovative Anwendungen im Bereich Nutzvieh

Zu Anwendung von smarten Lösungen in der Tierproduktion liegen nur wenige Informationen vor. Verschiedentlich werden bei größeren Viehherden bereits GPS-Tracker zur Standortnachverfolgung und RFDI-Funketiketten zur Markierung von Nutztieren eingesetzt.

Es gibt auch einige Testprojekte in Versuchsbetrieben, die in der Rinderzucht und bei Milchkühen eine technische Lösung der österreichischen Firma smaXtec animal care GmbH (smaXtec) aus Graz nutzen, um kontinuierlich Daten zu erheben und auszuwerten. Dazu werden Sensoren an die Kühe "verfüttert", die mehrere Jahre lang im Verdauungstrakt der Tiere verbleiben. Die Sensoren sammeln etwa Daten zum Gesundheitszustand oder Trinkverhalten und ermöglichen so, nicht zuletzt Fütterungsprobleme frühzeitig zu erkennen.

Insgesamt ist der Kreis der aktiven Nutzer von Smart-Farming-Anwendungen bislang jedoch relativ überschaubar. Nachfrager sind vor allem Landwirte, die sich gegenüber innovativen Lösungen aufgeschlossen zeigen.

Ministerium rechnet mit steigendem Interesse an Smart Farming

Das Landwirtschaftsministerium schätzt die Zahl der Agrarbetriebe in Kasachstan, die aktuell digitale Anwendungen umfassend einsetzen, auf etwa 20. Hinzu kommen rund 170 Firmen in der Pflanzen- und Tierproduktion, die bei einem Teil ihrer Aktivitäten auf digitale Lösungen zurückgreifen.

Das Ministerium erwartet, dass bis Ende 2023 mindestens 20 weitere Unternehmen umfassend Smart-Farming-Prozesse einführen und etwa 4.000 weitere Agrargesellschaften zumindest einen Teil wesentlicher Wertschöpfungsprozesse digital umsetzen.

Zur Popularisierung digitaler Anwendungen sollen auch diverse Förderangebote des Staates beitragen. Sie lieferten bisher jedoch nur wenige Impulse, weil der Abruf finanzieller Unterstützungsmaßnahmen häufig mit einem beträchtlichen bürokratischen Aufwand verbunden ist. Hinzu kommt, dass viele landwirtschaftliche Betriebe in Kasachstan das Thema Digitalisierung aktuell nicht angehen, da sie sich in ihrem Alltag vorrangig um traditionelle Ressourcen wie Saatgut, Dünger und Treibstoff oder den Zustand der Technik kümmern müssen.

Einer stärkeren Verbreitung digitaler Instrumente steht zudem das häufig unzureichende Ausbildungsniveau vieler Maschinenführer entgegen. Sie verfügen häufig nur über elementare Grundkenntnisse zum Fahren eines Traktors oder Mähdreschers mit einfachen mechanischen Funktionen. Hinsichtlich der Ausstattung der eingesetzten Landmaschinen gilt daher häufig noch immer die Devise "Je einfacher, desto besser."

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