Branchen | Aserbaidschan | Wasserwirtschaft
Kapitalbedarf bei Wasser und Abwasser gut 8 Milliarden US-Dollar
Die Sicherung einer flächendeckenden und umweltfreundlichen Trinkwasserver- und und Abwasserentsorgung in Aserbaidschan erfordert forcierte Investitionen, Expertise und Reformen.
01.10.2021
Von Uwe Strohbach | Baku
Die Kaukasusrepublik Aserbaidschan muss in den kommenden Jahren noch viel in die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser und eine umweltfreundliche Abwasserwirtschaft investieren. In den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten wurden schon viele Projekte umgesetzt. Sie reichen aber für eine flächendeckend optimierte Wasserversorgung nicht aus. Noch gravierender sind die verbliebenen Probleme bei der Abwasserentsorgung.
Kapitalbedarf summiert sich auf mehrere Milliarden US-Dollar
Der Kapitalbedarf für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung im Zeitraum bis 2035 beträgt verschiedenen Schätzungen zufolge mindestens 8 Milliarden US-Dollar. Von den Ausbauplänen des zentralen Wasserversorgers Azersu können auch ausländische Unternehmen profitieren.
Allein der Stadtentwicklungsplan für die Hauptstadtregion Baku sieht perspektivisch den Bau von vier größeren lokalen Abwasseranlagen vor. Der tägliche Trinkwasserverbrauch auf der Abscheron-Halbinsel, einschließlich der Landesmetropole Baku, wird bis 2040 voraussichtlich um mehr als zwei Fünftel gegenüber dem heutigen Niveau anwachsen. Dann werden etwa 1,8 Millionen Kubikmeter Trinkwasser benötigt.
Eine Auswahl der geplanten wasserwirtschaftlichen Projekte des staatlichen Wasserversorgers Azersu im Zeitraum 2022/2023 bietet die nachfolgende Übersicht.
Ausgewählte aktuelle wasserwirtschaftliche Projekte im Kompetenzbereich von Azersu
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Kenndaten der Gesellschaft für Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung Azersu
Kenndaten | Größe |
---|---|
Wasserfernleitungsnetz (in Kilometer, 1.1.2021) | 20.000 |
Abwasser- und Regenwasserkanäle (in Kilometer, 1.1.2021 ) | 5.000 |
Kunden (in Mio., 1.4.2021 ) | 1,63 |
Bevölkerung (in Mio.) | 1,57 |
Andere Verbraucher (in Tausend) | 62,8 |
Beschäftigte | 13.600 |
Abwasser- und Regenwasserkanäle (in Kilometer, 1.1.2021 ) | 5.000 |
Kunden (in Mio., 1.4.2021 ) | 1,63 |
Bevölkerung (in Mio.) | 1,57 |
Andere Verbraucher (in Tausend) | 62,8 |
Beschäftigte | 13.600 |
Enormer Investitionstau
Ursache für die gravierenden Probleme bei der Trinkwasserversorgung sind immens ausgebliebene Investitionen in die gesamte Wasserbranche. Diese schließen auch fehlende Wasserzähler vor allem in den Regionen ein.
Hinzu kommt, dass viele Ausbauprojekte, darunter auch geberfinanzierte, nicht den gewünschten Effekt brachten. Marktkenner nennen als Gründe eine mangelhafte Vorbereitung und Umsetzung von Projekten, unzureichend eingesetzte moderne Technologien und schlecht vorbereitete Bedarfsanalysen. Zudem verschärfen geringe Wasserstände in Flüssen und Speichern (Talsperren) die ohnehin angespannte Wasserversorgung in einigen Landesteilen weiter.
Noch gravierender als bei Trinkwasser ist allerdings der Nachholbedarf bei Abwasser. Nach Angaben der japanischen Agentur für internationale Zusammenarbeit /JICA) sind etwa 70 Prozent der Einwohner der Abscheron-Halbinsel (Hauptstadt Baku und Umland) nicht an die zentrale Kanalisation angeschlossen. Hier lebt etwa ein Drittel der Bevölkerung. In vielen kleineren aserbaidschanischen Städten und auf dem Lande fehlen Kanalisationssysteme gänzlich.
Entwicklung der Bruttoanlageninvestitionen in die Wasserver- und Abwasserentsorgung (in Millionen US-Dollar)
Sektor | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 *) |
---|---|---|---|---|---|
Erzeugung und Verteilung von Wasser | 282 | 283 | 304 | 260 | 83 |
Abwasserentsorgung | 72 | 101 | 142 | 111 | 123 |
Offizielle Statistiken verzerren die Realität
Seit 2004 setzt die aserbaidschanische Regierung mittelfristige Programme für die sozioökonomische Entwicklung der Regionen um. Der Ausbau der Trinkwasserversorgung zählt dabei zu den zentralen Elementen der Fünfjahrespläne.
Aserbaidschans offizielle Zahlen zu Trinkwasserprojekten können sich sehen lassen: Landesweit sind heute 69,9 Prozent der rund 10 Millionen Einwohner mit öffentlichem Trinkwasser versorgt (Stand: 1. Januar 2020). Im Jahr 2004 waren es nur rund 40 Prozent. In 81,5 Prozent der hauptstädtischen Haushalte fließt stabil Trinkwasser aus der Leitung. Das war im Jahr 2004 nur etwa 29 Prozent vergönnt. In den Regionen außerhalb der Landesmetropole Baku ist der Versorgungsgrad von nur rund 9,0 Prozent auf 63,6 Prozent gestiegen - soweit die amtliche Statistik.
Trinkwasserversorgung in Baku und besonders in den Regionen nicht gesichert
Die offiziellen Erfolgsmeldungen des staatlichen Wasserversorgers Azersu sind jedoch erheblich überzeichnet. Obwohl viele Haushalte an das zentrale Trinkwassernetz angeschlossen sind, bleibt auch dort mitunter der Hahn trocken. Auch kann das entnommene Wasser häufig nur als Brauchwasser genutzt werden. In vielen Hauptstadtbezirken und in den umliegenden Siedlungen hält der Ausbau der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserwirtschaft nicht Schritt mit dem Bau neuer mehretagiger Wohnblocks und Einfamilienhäuser.
Illegal betriebene Pumpen und nicht genehmigte Anschlüsse an Fernwasserleitungen sind in Aserbaidschan keine Seltenheit. Im Gegenteil, mit solchen Zubringerleitungen behelfen sich die Aserbaidschaner in mit Trinkwasser unterversorgten Gemeinden. Sie werden als Ersatz für das öffentliche Trinkwassernetz genutzt. Im ländlichen Raum liefern häufig nur private Anlagen zur Eigenversorgung, beispielsweise Brunnen, das nötige Trinkwasser.
Entwicklung der durchschnittlichen täglichen zentralen Wasserbereitstellung für die Bevölkerung (in Liter pro Einwohner)
2015 | 2019 | 2020 *) | |
---|---|---|---|
Wasserbereitststellung, insgesamt | 63,0 | 61,9 | 66,9 |
Städte | 107,1 | 109,9 | 119,0 |
Ländliche Regionen | 13,1 | 6,9 | 8,1 |