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Australiens Stahlindustrie will grüner werden
Die zwei großen Stahlproduzenten in Australien investieren in die Erneuerung ihrer Anlagen. Langfristig soll der Weg für grünen Stahl geebnet werden.
12.04.2021
Von Heiko Stumpf | Sydney
Die australische Stahlindustrie erzeugte im Finanzjahr 2019/20 etwa 5,5 Millionen Tonnen Stahl. In den kommenden zwei Jahren soll die Produktion auf diesem Niveau konstant bleiben. Der lokale Bedarf von 6 bis 7 Millionen Tonnen kann damit größtenteils selbst gedeckt werden. Um die Zukunftsfähigkeit der Industrie zu sichern, sind umfassende Investitionen zur Modernisierung der Anlagen geplant.
Besonders ehrgeizige Pläne verfolgt dabei Liberty Steel für das Whyalla-Stahlwerk im Bundesstaat South Australia (SA). Liberty Steel gehört zur GFG Alliance des britischen Milliardärs Sanjeev Gupta. Das 1965 erbaute Werk verfügt über eine Kapazität von rund 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr. Produziert werden vor allem warmgewalzte Erzeugnisse und Stahlprodukte für den Eisenbahnbau.
Whyalla soll Vorreiter für grünen Stahl werden
Für den Standort Whyalla verfolgt Sanjeev Gupta die Vision, bis 2030 eine klimaneutrale Stahlproduktion aufzubauen. Bis 2024 sind dafür Investitionen von rund 700 Millionen US-Dollar (US$, 1 Milliarde $A, 1$A = 0,6906 US$) angekündigt. Der bislang bestehende Hochofen soll stillgelegt und durch eine Direktreduktionsanlage sowie einen elektrischen Lichtbogenofen ersetzt werden. Die Produktionskapazität der Anlage soll sich im Zuge der Maßnahmen verdoppeln. Zusätzlich liefert die italienische Daniele Group eine neue Walzanlage mit einer Kapazität von rund 900.000 Tonnen pro Jahr.
Zunächst ist eine Versorgung der Direktreduktionsanlage mit Erdgas geplant. Längerfristig soll jedoch eine Umstellung auf grünen Wasserstoff erfolgen. Dazu entwickelt die GFG Alliance über die ebenfalls zum Konzern gehörende Simec Energy ein großes Portfolio an Projekten für erneuerbare Energien mit einer Gesamtleistung von rund 3 Gigawatt. Benötigt wird die Energie für den Elektrolyseprozess zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Als erstes wird vor den Toren von Whyalla die 280 Megawatt Cultana-Solarfarm umgesetzt.
Als Ausgangsstoff für die Stahlerstellung sollen neben Magnetit aus benachbarten Minen auch verstärkt Metallabfälle genutzt werden. Mit Infrabuild gehört der GFG Alliance bereits das größte Metallrecycling-Unternehmen des Landes. Infrabuild betreibt zwei kleinere Lichtbogenöfen in Sydney und Melbourne mit einer jährlichen Gesamtkapazität von 1,5 Millionen Tonnen. Jedes Jahr werden aber noch rund 2,6 Millionen Tonnen Altmetall exportiert.
Unsicherheiten ergeben sich durch den in Turbulenzen geratenen Finanzdienstleister Greensill. Dieser ist durch Lieferkettenfinanzierungen sehr eng mit der GFG Alliance verbunden. Beobachter warnen vor zeitlichen Verzögerungen bei der Modernisierung von Whyalla, falls es zu Liquiditätsengpässen auf Seiten der GFG Alliance kommt.
Port Kembla erneuert den Hochofen
Auch der größte Stahlproduzent Australiens BlueScope gab Anfang 2021 Modernisierungsmaßnahmen bekannt. In Port Kembla (New South Wales, NSW) ist die Neuzustellung des derzeit stillliegenden Hochofens 6 geplant. Die Kosten hierfür werden auf etwa 550 Millionen US$ (700-800 $A, 1$A = 0,6906 US$) geschätzt. Dadurch soll der derzeit laufende Hochofen Nr. 5 ab etwa 2025 ersetzt werden. In Port Kembla werden pro Jahr rund 3 Millionen Tonnen Stahl hergestellt.
Dabei will BlueScope an herkömmlichen Hochofenprozessen unter Verwendung von Kokskohle festhalten. Ein Übergang zur Herstellung von grünem Stahl wird erst ab 2040 als realistische Option gesehen. Bis dahin setzt das Unternehmen in Sachen Klimaschutz auf Effizienzmaßnahmen und will die CO2-Intensität der Stahlproduktion bis 2030 um 12 Prozent senken.
Zudem werden rund 13,8 Millionen US$ (20 Millionen $A) in den Aufbau einer Renewable Manufacturing Zone (RMZ) in Port Kembla investiert. Dort sollen Metallerzeugnisse für den lokalen Energiesektor hergestellt werden. Der Bundesstaat NSW plant im Rahmen seiner Electricity Infrastructure Roadmap die Errichtung von fünf Renewable Energy Zones mit einer Erzeugungskapazität von insgesamt 12 Gigawatt. Dadurch wird eine Nachfrage nach Stahlprodukten von deutlich über 650.000 Tonnen erwartet.
In der RMZ errichtet das Unternehmen Coregas bis Ende 2021 zudem eine der ersten Wasserstofftankstellen des Landes. Die Regierung von NSW will den Standort Port Kembla langfristig zu einem Hydrogen Hub ausbauen.
Fortescue Metals erwägt Stahlproduktion
Zu einem Pionier bei der Herstellung von grünem Stahl will sich der Eisenerzmagnat Andrew Forrest aufschwingen. Diesem gehört mit Fortescue Metals der drittgrößte Eisenerzproduzent Australiens. Bereits 2021 soll mit dem Bau einer Pilotanlage begonnen werden. Innerhalb der nächsten fünf Jahre ist in der Eisenerzregion Pilbara der Bau einer kommerziellen Anlage geplant.