Ägypten plant langfristig umfangreiche Investitionen in den Wassersektor. Der für die Versorgung wichtige Anteil an Nilwasser wird durch äthiopischen Staudamm in Frage gestellt.
Am 26. Juli 2019 hat der ägyptische Minister für Wasserressourcen und Bewässerung in einer Mitteilung auf Facebook bekannt gegeben, dass Ägyptens Zuflüsse an Nilwasser im Jahr 2019 um 5 Milliarden (Mrd.) Kubikmeter (cbm) sinken werden. Grund dafür waren die schwachen Regenfälle im äthiopischen Hochland. Gleichzeitig liegt der jährliche Pro-Kopf-Anteil an verfügbarem Trinkwasser in Ägypten bei nur circa 570 cbm. Damit unterschreitet das Land deutlich die Grenze der Wasserknappheit, die bei 1.000 cbm verläuft. Das Bevölkerungswachstum verschärft diese Entwicklung. Insofern bewegt sich Ägypten auf die Grenze der absoluten Wasserarmut von 500 cbm zu. Infolge des Klimawandels wird sich das Problem der Wasserknappheit weiter verschärfen.
Rahmendaten zum Wassersektor in Ägypten
Indikator | Wert |
Erneuerbare Wasserresourcen pro Kopf und Jahr (in cbm) | 570 (2019, CAPMAS) |
Wasserresourcen insgesamt (in Mrd. cbm) | |
Wasserverbrauch pro Jahr | 77,5 (2017, FAO) |
nach Ressourcen (in Mrd. cbm) | |
Grundwasser | 6,5 (2017, FAO) |
Oberflächenwasser | 55,5 (laut Vertrag mit Sudan) |
wiederaufbereitetes Abwasser | 1,3 (2010, FAO) |
entsalztes Meerwasser | 0,2 (2010, FAO) |
nach Sektoren (in %) | |
Kommunen | 13,87 (2017, FAO) |
Industrie | 6,96 (2017, FAO) |
Landwirtschaft | 79,16 (2017, FAO) |
Anschlussgrad der Bevölkerung an Trinkwassernetz | 96 % (MEWINA) |
Anschlussgrad der Bevölkerung an Abwassernetz | Stadt: 99 % Land: 35 % (EBWE) |
Quelle: Central Agency for Public Mobilization and Statistics (CAPMAS); Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE); Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO); Monitoring & Evaluation for Water In North Africa (MEWINA)
Äthiopischer Staudamm bedroht ägyptische Wasserversorgung
93 Prozent seines Wassers bezieht Ägypten aus dem Nil. Dieser speist sich zu 70 Prozent aus dem Blauen Nil in Äthiopien. Daraus folgt eine besonders starke Abhängigkeit Ägyptens von ausländischen Wasserquellen. In aller Deutlichkeit verkörpert der Bau der neuen Talsperre in Äthiopien, der Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD), diese Abhängigkeit. Laut der Ethopian News Agency sind 70 Prozent der Arbeiten beendet; 2023 soll der neue Staudamm stehen. Bereits heute stellt der GERD Ägyptens historischen Anteil am Nilwasser in Frage. Im Jahr 1959 haben Ägypten und der Sudan das Nilwasser vertraglich unter sich aufgeteilt. Danach stehen Ägypten 55,5 Mrd. cbm und dem Sudan 18,5 Mrd. cbm im Jahr zu.
Konsens noch nicht in Sicht
Dieser Anteil wird zwangsläufig sinken, sobald Äthiopien den Stausee des GERD zu füllen beginnt. Hier treffen handfeste Zielkonflikte zwischen den Nilanrainern aufeinander. Denn je schneller der Stausee voll ist, umso eher kann die äthiopische Stromproduktion starten. Gleichzeitig werden Ägypten in der Auffüllphase große Mengen an Nilwasser fehlen. Unter Einbeziehung der USA als Mediator ist dieser Punkt Gegenstand von Verhandlungen zwischen Ägypten, Äthiopien und dem Sudan. Während Ägypten für die Auffüllungsphase einen Wasserzufluss von 40 Milliarden cbm im Jahr fordert, ist Äthiopien bereit, lediglich einen Zufluss von 35 Milliarden cbm zu gewähren. Einen Konsens haben die Parteien noch nicht gefunden. Vielmehr scheinen die Verhandlungen sogar in eine Sackgasse geraten zu sein. Äthiopien sieht die USA nicht als unvoreingenommenen Vermittler an. Ohne eine Vereinbarung mit Ägypten und Sudan zu schließen, erklärte Äthiopien am 11.5.2020, im Juli 2020 mit der Befüllung des Stausees zu beginnen.
Zahlreiche Projekte gegen die Wasserarmut
Angesichts dieser Herausforderung hat das Thema Wasserversorgung einen hohen Stellenwert bei den ägyptischen Entscheidern. Zuletzt bekräftigte der ägyptische Minister für Wasser und Bewässerung am Rande der Cairo Water Week im Oktober 2019 die Pläne der Regierung, bis zum Jahr 2037 circa 50 Mrd. US$ in den Wassersektor zu investieren. Schwerpunkte betreffen Abwasserbehandlung sowie Wiederverwertung von Abwasser, den Ausbau der Kanalisation, landwirtschaftliche Bewässerung, Anlagen zur Wasserentsalzung oder den Bau kleiner Dämme zur Sammlung von Regenwasser.
Alleine wird die ägyptische Regierung die hierfür erforderlichen Investitionen nicht stemmen können. Bis zum Jahr 2040 rechnet der Global Infrastructure Outlook der G20 mit einer Finanzierungslücke in Höhe von 49 Mrd. US$. Vor diesem Hintergrund wird sich Ägypten bemühen, über öffentlich-private Partnerschaften den Ausbau des Wassersektors zu finanzieren.
Investitionen in Entsalzungsanlagen
Um die Abhängigkeit der Wasserversorgung vom Nil zu mindern, investiert die Regierung mit Unterstützung internationaler Geber in die Entsalzung von Meerwasser. Bis dato spielt diese Quelle nur eine marginale Rolle in der Wasserversorgung. Jedoch plant die Regierung, bis Ende 2022 mit Entsalzungsanlagen eine Tagesproduktion von 2,5 Mio. cbm Wasser zu erreichen. Die vorhandenen 63 Anlagen befinden sich auf der Sinai-Halbinsel und an der Mittelmeerküste. Sie produzieren täglich 700.000 cbm Wasser. Im Wert von umgerechnet 1,8 Mrd. US$ sollen 39 weitere Standorte dazu kommen. Bereits 16 davon befinden sich im Bau. Nach ihrer Fertigstellung im Jahr 2020 werden sie zusätzliche 400.000 cbm Wasser pro Tag produzieren.
Entsalzungsanlagen verbrauchen viel Energie. Aufgrund des Erdgasbooms ist diese Energie gegenwärtig noch erschwinglich. Soll die Rechnung aber auch nachhaltig aufgehen, wird Ägypten vor allem in Anlagen investieren, die mit Solarkraft betrieben werden. Zudem wird der Effekt von Entsalzungsanlagen auf die Wasserversorgung auch nach einem Ausbau begrenzt bleiben. Denn es ist die Landwirtschaft, die mit rund 80 Prozent den Großteil der Wasserressourcen verbraucht. Doch entsalztes Wasser eignet sich nicht für die landwirtschaftliche Bewässerung, sondern nur zum Trinken.
Eine weitere wichtige Stellschraube zur Verhinderung von Wasserverlusten ist die Wartung und Erneuerung der Wasserleitungen, von denen einige über 100 Jahre alt sind und undichte Stellen aufweisen. Außerdem kommt es zu widerrechtlichen Entnahmen von Wasser sowie zu einem Wasserverbrauch, der nicht oder nur unzureichend berechnet wurde. Die ägyptische Water Holding Company schätzt diese Wasserverluste auf 28 Prozent.
Von Sherif Rohayem
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Kairo