Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | China | Strommarkt

Chinas Energiekrise führt zu flexibleren Kohlestrompreisen

Die Regierung nutzt die Energiekrise im Land, um stärker marktorientierte Preise für Kohlestrom durchzusetzen. Für Industriekunden wird der Strom damit teurer.

Von Corinne Abele | Shanghai

Seit Jahren debattieren Fachkreise im In- und Ausland eine dringend notwendige Liberalisierung von Chinas Energie- und Strompreisen. Doch passiert ist bislang wenig. Zu hoch war bei Partei und Regierung die Sorge, durch erhöhte Strompreise Unruhen bei Privatkunden und Wettbewerbsnachteile bei der inländischen Industrie auszulösen. Doch jetzt zwingt der durch die Decke schießende Kohlepreis zum Handeln. Erstmals sind selbst staatliche Energieversorger nicht mehr bereit, mit teurer Kohle billigen Strom zu produzieren. Gemäß der Bekanntmachung der nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) vom 12. Oktober 2021 werden die bisher von ihr vorgegebenen Preise für Kohlestrom flexibilisiert und weitgehend den Marktkräften überlassen.

Flexible Kohlestrompreise für die Industrie

Ganz ohne Abfederung der durch Angebot und Nachfrage entstehenden Schwankungen geht es allerdings nicht. Gemäß NDRC-Verlautbarung soll die Schwankungsbreite auf 20 Prozent begrenzt werden. Bislang waren lediglich 10 Prozent zugelassen. Dabei gilt die beschränkte Bandbreite explizit nicht für energieintensive Unternehmen mit hohem Energieverbrauch. Für sie dürfte es daher noch teurer werden. Auch für am Spotmarkt gehandelten Kohlestrom soll die 20-Prozent-Beschränkung entfallen – ein logischer Schritt, wenn der Spotmarktpreis das tatsächliche Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage widerspiegeln soll.

Diese im Rahmen der vorgegebenen Bandbreite marktorientierten, volatilen und mit Sicherheit teureren Kohlestrompreise sollen für alle gewerblichen und industriellen Nutzer gelten. Damit entfallen die bisherigen regional nach unterschiedlichen Branchen und Abnahmemengen unterteilten Preiskataloge. Von der Neuregelung nicht betroffen bleiben bislang Privathaushalte, landwirtschaftliche Betriebe, Einrichtungen für soziale Wohlfahrt, kommunale Dienstleistungszentren sowie Bildungseinrichtungen. Zugleich werden die Gemeinden aufgefordert, den Stromverbrauch von Klein- und Kleinstunternehmen schrittweise zu vergünstigen.

Druck auf kaum wettbewerbsfähige Unternehmen steigt

Vor allem nicht wettbewerbsfähige staatliche Firmen mit direkter oder indirekter Beteiligung regionaler Regierungseinrichtungen sowie ebenfalls häufig regierungsnahe energieintensive Unternehmen der Schwerindustrie, beispielsweise in der Stahlherstellung, werden stark getroffen. Aber auch strategisch neue Bereiche wie die Batterieherstellung werden die höheren Strompreise zu spüren bekommen.

Regionale Sonderwege werden ausgeschlossen

Trotz der vorgesehenen Ausnahmen ist daher regionaler Widerstand vorprogrammiert. In der Bekanntmachung warnt die NDRC nachdrücklich vor unangemessenen administrativen Eingriffen. Alle Lokalregierungen hätten sich strikt an die einschlägigen nationalen politischen Vorgaben zu halten. Nebenabsprachen sowie Marktzutrittsbeschränkungen sind unzulässig. Die NDRC wird die Zusammenarbeit mit den lokalen Entwicklungs- und Reformkommissionen (DRC) verstärken sowie die Überwachung und Kontrolle des Kohle- und Elektrizitätsmarkts erhöhen.

Die NDRC macht damit einen mutigen Schritt in die richtige Richtung. Noch am gleichen Tag haben der China Electricity Council (CEC) sowie das State Grid Energy Research Institute die Bekanntmachung begrüßt. Die derzeitige Stromknappheit in China wird sich damit jedoch weder mittel- noch kurzfristig lösen lassen. Angebahnt hat sich die Energiekrise seit dem Sommer 2021: Kohleminen wurden wegen schlechter Umwelt- und Arbeitsbedingungen sowie extremem Hochwasser geschlossen, Bahnstrecken für den Kohletransport waren überflutet und veraltete Kohlekraftwerke mit hohen Emissionen wurden abgeschaltet. Zugleich kamen neue Anlagen mit geringeren Emissionswerten hinzu.

Allein 2020 gingen in China laut Global Energy Monitor insgesamt 38 Gigawatt an Kohlekraftwerkskapazitäten neu in Betrieb. In den ersten acht Monaten 2021 stellten fossile Brennstoffe, wovon Öl und Gas einen sehr geringen Anteil ausmachen, etwa 56 Prozent der Elektrizitätswerke, aber 72 Prozent der tatsächlichen Stromproduktion.

Bild vergrößern

Zusätzlich löste Präsident Xi Jinping mit seiner Ankündigung, China werde bis 2060 Karbonneutralität erreichen, strenge Zielvorgaben auf regionaler Ebene aus. Diese führten wiederum zu übereiltem und vor allem nicht koordinierten Abschalten von Kraftwerken und zu Elektrizitätsrationierungen.

Dennoch dürfte die verfügbare Kohlekraftwerksleistung derzeit nicht das Hauptproblem sein. Tatsächlich haben einige Kraftwerke ihre Stromproduktion gedrosselt, da sie bei den enormen Kohlepreisen einerseits und den staatlich gedeckelten und den Verbrauchern garantierten geringen Strompreisen andererseits nur mit hohen Verlusten produzieren können.

Bild vergrößern

Inzwischen liegt der Preis für eine Tonne Kohle auf dem Spotmarkt in Zhengzhou bei 1.400 bis 1.600 Renminbi Yuan (RMB), das entspricht etwa 186 bis 213 Euro. Ab einem Preis von 600 RMB (rund 80 Euro) schreiben die Kraftwerke laut Branchenkennern Verluste. Um nicht weiter teure Kohle einkaufen zu müssen, haben viele seit dem Sommer 2021 zunehmend ihre Kohlelager abgebaut. Das könnte sich angesichts der bevorstehenden Winterheizperiode, die in Nordchina zwischen Mitte Oktober und Mitte November beginnt, rächen. 

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.