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Branchenbericht Frankreich Schiffsverkehr, Häfen
Die Digitalisierung durchdringt immer stärker die maritime Wirtschaft in Frankreich. Neue Technologien zwingen die Unternehmen dazu, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken.
18.02.2020
Von Peter Buerstedde | Paris
Die Häfen in Frankreich bauen ihre digitalen Plattformen zum Informationsaustausch für ihre Partner im Hafenumfeld aus, um die Warenabwicklung effizienter zu machen. Für den Hafen Marseille-Fos mit dem höchsten Umschlag in Frankreich geht es nach Aussagen des Direktors, Hervé Martel, in den kommenden Jahren um einen besseren Austausch mit anderen Seehäfen sowie mit dem Hinterland. Im Rahmen von MedPorts, einer Vereinigung von 22 Mittelmeerhäfen, strebt Marseille-Fos gemeinsame Standards für den Informationsaustausch an. So sollen Schiffsbewegungen übertragen werden können, um die Abwicklung im jeweils nächsten Hafen zu beschleunigen.
Marseille-Fos dringt darauf, dass Häfen in Tunesien, Algerien und Marokko dieselbe CCS-Plattform (cargo community system) zum Informations- und Dokumentenaustausch CI5 von MGI nutzen. Französische Häfen setzen überwiegend Systeme der beiden Softwareanbieter MGI (Marseille Gyptis International) aus Marseille und Soget aus Le Havre ein.
CI5 kann nicht nur die Hochseeschifffahrt erfassen, sondern auch Binnenschifffahrt, Straßentransport, Luftfracht und Bahnverkehr. Im Projekt Blockchain MeRS entwickelt MGI gemeinsam mit den Firmen Keeex und BuyCo eine Plattform mit Blockchain-Technologie zum Informationsaustausch für den Verkehr zwischen Lyon über die Rhône nach Marseille, Sète und Toulon. Sie soll Warenströme über mehrere Verkehrsmodi hinweg verfolgen. Damit könnte der Transport über diesen viel genutzten Korridor optimiert werden. Gleichzeitig wollen die Partner den CO2-Ausstoß beim Warentransport berechnen. Daraus könnte dann ein Label für Waren mit günstiger CO2-Bilanz entstehen.
Eine bessere Anbindung des Hinterlandes über das MeRS-Projekt ist wichtig für Marseille-Fos, um die Wettbewerbsfähigkeit des Hafens zu sichern. Gleiches gilt für die Häfen Le Havre, Rouen und Paris, die Anfang 2021, so die Planung, zu einem einzigen Unternehmen verschmolzen werden. Hier soll über die Plattform S)One von Soget eine effizientere Nutzung des Transportkorridors erreicht werden.
Daten werden aber nicht nur auf Plattformen eingespeist, sondern immer mehr auch automatisch erfasst und genutzt. Das Start-up Traxens aus Marseille entwickelt digitale Boxen für Container, die Position und Messdaten wie Feuchtigkeit, Temperatur und mögliche Stöße erfassen und bereits von Reedereien wie MSC und CMA CGM eingesetzt werden.
Häfen wie Marseille-Fos und Le Havre (Haropa) sehen sich immer stärker als Innovationstreiber. Ein Innovationsprogramm der Stadt Le Havre (Smart Port City) mit zahlreichen Projekten über insgesamt 241 Millionen Euro wurde 2019 über einen Projektaufruf vom französischen Staat ausgewählt. Die meisten Projekte betreffen den Hafen, darunter die Schaffung einer Datenplattform gemeinsam mit dem Telekommunikationsunternehmen Orange und den Softwareunternehmen Cisco und Soget.
Marseille-Fos führt Wettbewerbe, sogenannte Smart Port Challenges durch. Hierbei sind insbesondere Start-up-Firmen aufgefordert, Lösungen für bestimmte Problemstellungen zu entwickeln.
Ferner werden Partner zur Nutzung von Kameradaten im Hafen gesucht, um den Lkw- und Bahnverkehr zu optimieren und Umweltauswirkungen zu verringern. Eine Besonderheit von Marseille ist, dass hier mehrere Unterseedatenkabel anlaufen. Der Hafen will daher auch Datenzentren ansiedeln.
Die Firma Traxens sucht einen Partner, um sogenannte Trackingboxen mit einem Sensor zu koppeln, der die Unversehrtheit von Containern bestätigen kann und damit eine schnellere Zollabwicklung ermöglicht.
Auch im Schiffsbau breiten sich digitale Lösungen aus. Nach Aussagen von Werftvertretern auf der Konferenz für maritime Wirtschaft Euromaritime Anfang Februar 2020 in Marseille sind zahlreiche Innovationen von der Offshore-Industrie gekommen und haben jetzt auch die Handels- und Personenschifffahrt erreicht. Schiffbauarchitekten und Werften nutzen schon lange Softwarelösungen für die Konzeption neuer Schiffe. Die Entwicklung von digitalen Zwillingen in den letzten Jahren eröffnet jedoch neue Möglichkeiten, anhand digitaler Modelle Tests und Berechnungen zu Stabilität, Leistung und Energieeffizienz durchzuführen.
Frankreich verfügt mit Dassault Systems und dessen Plattform 3DExperience über einen wichtigen Anbieter von Modellierungssoftware. Die Firma ist Teil einer im November 2019 vom Schiffbaucluster Cluster Maritime Français ins Leben gerufenen Industrieallianz (Coalition pour la transition écologique et énergetique du maritime). Sie soll die maritime Wirtschaft auf mehr Nachhaltigkeit trimmen. Dassault will Erfahrungen aus der Konzeption von Elektroautos einbringen. Entwicklungsprojekte werden vom staatlichen Forschungsrat Corimer gefördert. 2020 soll ein dritter Projektaufruf lanciert werden.
Nach Aussagen des Direktors für maritime Wirtschaft im Prüfbüro Veritas, Christophe Chauvière, kann die Nutzung von digitalen Zwillingen die Abnahmezeit für neue Schiffe um 20 Prozent reduzieren. Werften seien in den letzten fünf Jahren auf 3D-Modellierung umgestiegen und Tests könnten zum Teil direkt im Modell durchgeführt werden. Zudem könne der immer stärkere Einsatz von Sensoren für die vorausschauende Instandhaltung (predictive maintenance) Auswirkungen auf periodische Inspektionen und Herstellergarantien etwa für Motoren haben.
Die AHK Frankreich organisiert vom 2. bis 5. November 2020 eine Geschäftsanbahnungsreise zum Thema Digitalisierung in Häfen.
Bezeichnung | Anmerkungen |
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Berät beim Markteinstieg in Frankreich | |
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Schiffbaucluster | |
Verband französischer Häfen | |
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