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Branchenbericht Frankreich Hochbau
Anfang 2021 soll in Frankreich eine neue Wärmeschutzverordnung für Neubauten in Kraft treten. Die Nachfrage nach klimafreundlichen Baumaterialien und Ausrüstungen könnte steigen.
19.02.2020
Von Peter Buerstedde | Paris
Der Gebäudebestand ist nach offiziellen Schätzungen für 30 Prozent der CO2-Emissionen in Frankreich verantwortlich und für 44 Prozent des Primärenergieverbrauchs. Er ist daher ein Schlüsselsektor für die Klimapolitik, die bis 2030 eine Reduzierung des gesamten CO2-Ausstoßes um 40 Prozent gegenüber 1990 anpeilt und bis 2050 Klimaneutralität. Für Neubauten soll am 1. Januar 2021 eine neue Wärmeschutzverordnung RE2020 (Réglementation environnementale 2020) in Kraft treten.
Grundlage der Verordnung ist das staatliche Label für nachhaltiges Bauen E+C-. Die Regierung hatte damit 2016 eine Versuchsphase gestartet. Anders als die noch gültige Wärmeschutzverordnung RT2012 (Réglementation thermique 2012) zielt das Label neben einer möglichst positiven Energiebilanz der Gebäude auch auf möglichst geringe CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus. Bis Anfang 2020 waren in einer Versuchsphase 1.100 Gebäude mit dem Label E+C- gebaut worden, darunter 300 Mehrfamilienhäuser, 650 Einfamilienhäuser und 150 gewerbliche Bauten. Aus den daraus gewonnen Erfahrungen werden derzeit die Eckpfeiler der neuen Regeln definiert. Dabei geht es unter anderem um Mindestanforderungen und Maßnahmen für den Bau- und Baustoffsektor.
Mit ausgewählten Planungsbüros werden nach Aussagen des stellvertretenden Direktors der staatlichen Baubehörde DHUP (Direction de l'habitat, de l'urbanisme et des paysages), Emmanuel Acchiardi, seit Anfang 2020 Simulationen durchgeführt, um verschiedene Indikatoren und Vorgaben zu testen. Dann folgt eine Konsultationsphase mit dem Rat für Gebäudeeffizienz CSCEE (Conseil supérieur de la construction et de l’efficacité énergétique), in dem Volksvertreter, Gebietskörperschaften und Verbände vertreten sind. Die RE2020-Vorschriften sollen dann im Herbst 2020 veröffentlicht werden und am 1. Januar 2021 in Kraft treten. Ursprünglich sollten die neuen Regeln Anfang 2020 wirksam werden.
Die RE2020 dürfte weitreichende Folgen für den Baustoffsektor und für Anbieter von Klima- und Heiztechnik sowie von Anlagen zur Stromerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien haben. Die Vorschriften werden Höchstgrenzen für CO2-Emissionen und Energiebedarf sowie Mindestanforderungen für den Wohnkomfort definieren. Insgesamt dürften Baumaterialien mit einem geringeren CO2-Ausstoß in den Phasen Produktion und Wiederverwertung sowie mit besseren Dämmeigenschaften bessere Marktchancen haben. Dazu gehören Holz und andere nachwachsende Rohstoffe aber auch Materialien mit geringem CO2-Abdruck. Auf der Energieseite sollten Photovoltaikmodule, Wärmepumpen und andere erneuerbare Technologien bessere Absatzmöglichkeiten haben.
Viel hängt aber von den geforderten Mindestgrenzen und wichtigen Berechnungsgrößen ab, um die derzeit unter den Marktakteuren gerungen wird. Zum Beispiel könnte ein niedrig angesetzter CO2-Ausstoß je Kilowattstunde dazu führen, dass Einsparungen durch eigene Stromerzeugung geringer ins Gewicht fallen. Ende 2019 hatten viele Branchenvertreter einen offenen Brief unterschrieben, der eine Aushöhlung der Kriterien im Vergleich zum Label E+C- kritisiert. Viele Unternehmer erwarten eine weniger ambitionierte Regulierung und parallel dazu strengere Label auf freiwilliger Basis für Bauunternehmer, die nachhaltiger bauen wollen.
Der Bauverband FFB (Fédération française du bâtiment) warnt vor weiter steigenden Baukosten durch zu strenge Regeln. Wohnungen müssten auch in Zukunft für die Bevölkerung bezahlbar sein. Nach Aussagen des Generalsekretärs der Hochbausektion des Verbandes FFB, Christophe Boucaux, bietet die RE2020 "eine Chance für die Reindustrialisierung" des Landes. Es stelle sich die Frage, wie die CO2-Bilanz von Importprodukten zu behandeln sei, zum Beispiel aus dem außereuropäischen Ausland. So sei etwa die französische Holzindustrie für Bauholz noch zu schwach entwickelt.
Befürchtungen gibt es vor allem bei den großen Baustoffherstellern sowie bei den Gasversorgern. Lafarge fordert, dass Beton auch als CO2-Speicher berücksichtigt wird. Das Unternehmen bietet eine Plattform (360Design) für Bauprojekte zur Berechnung des CO2-Abdrucks an und will damit die lokale Verfügbarkeit seines Betons herausstellen. Der Gasversorger GRDF fordert, dass Wahlmöglichkeiten bei der Heizung zwischen Gas, Strom und Holz weiter bestehen bleiben. Aber auch GRDF-Vertreter erwarten, dass Gas künftig eine geringere Rolle spielen wird. Die bisherigen Vorschriften benachteiligen in Mehrfamilienhäusern Wärmepumpen gegenüber Gas-Heizungen. Hier gilt es als sicher, dass die RE2020 die Spielregeln zugunsten von Wärmepumpen ändern wird.
Eine wachsende Rolle dürfte künftig digitalen Lösungen zur Optimierung von Bauvorhaben nach CO2-Ausstoß und Energiebedarf zufallen. Start-ups wie Vizcab und Deepki bieten dafür bereits Lösungen an. Vizcab hat eine KI-Plattform entwickelt, die für einen bestimmten Raumbedarf und Ort eine nach Nachhaltigkeitskriterien optimierte Baulösung berechnet. Die Plattform nutzt die Datenbank INIES, wo für Baumaterial und Ausrüstungen Daten zu CO2-Ausstoß und Energieeffizienz hinterlegt werde müssen, damit Baufirmen künftig die Energie- und Klimabilanz von Projekten nach RE2020-Regeln über die gesamte Lebensdauer ermitteln können.
Bezeichnung | Anmerkungen |
Berät beim Markteinstieg in Frankreich | |
Plattform für Experimentierphase mit Label E+C- | |
Datenbank mit Umweltdaten zu Produkten und Ausrüstungen |
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