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Wirtschaftsumfeld | Indonesien | Digitalwirtschaft

Rätsel um das Milliardenprojekt des indonesischen Silicon Valley

In Westjava soll ein Cluster der Digitalwirtschaft entstehen: der sogenannte Algorithm Hill. Von internationalen Investoren ist die Rede. Doch es gibt Zweifel an der Realisierung.

Von Frank Malerius | Jakarta

Etwa 80 Kilometer südlich von Jakarta soll ein indonesisches Silicon Valley aufgebaut werden. Der Name des kalifornischen Vorbilds fällt in der Berichterstattung, um die digitale Stoßrichtung des Projekts zu verdeutlichen. Die Presse verwendet ihn aber auch halb spöttisch für die überzogenen Ansprüche. Der offizielle Projektname ist "Bukit Algoritma" (Algorithm Hill). Denn in den Bergen des Distrikts Sukabumi, der bisher als Erholungsort für gestresste Hauptstädter bekannt ist, sollen Unternehmen und Universitäten angesiedelt werden, die Forschung und Entwicklung für die Digitalwirtschaft betreiben, beispielsweise in den Bereichen Internet of Things (IoT) oder künstliche Intelligenz (KI). Etwa 900 Hektar Fläche sind für das Vorhaben vorgesehen, noch sind sie überwiegend mit Ölpalmen bepflanzt, die Mobilfunkverbindung ist schlecht.

In Indonesien kursieren gelegentlich phantastische Zukunftsprojekte, deren Planungshorizont so weit in der Zukunft liegt, dass die Frage der Realisierbarkeit in der Berichterstattung in den Hintergrund rückt. Ein Beispiel ist die Vision einer Luxusinsel in der Form des Wappenvogels Garuda in der zu einer Lagune umfunktionierten Bucht von Jakarta. Das Vorhaben des Algorithm Hill besteht seit 2018 und fristete in der Presse lange Zeit ein Nischendasein. Mittlerweile haben Zeitungen und Zeitschriften das Thema aber aufgenommen und berichten umfangreicher, der Zeitung Jakarta Post war es sogar eine große Titelgeschichte wert.

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Ein Grund für die gesteigerte Aufmerksamkeit liegt in der Person des Initiators Budiman Sudjatmito. Denn der einstige Bürgerrechtler aus der Zeit des Suharto-Regimes, der heute Mitglied der stärksten Regierungspartei PDI-P von Präsident Joko Widodo ist, genießt Ansehen und Glaubwürdigkeit im Inselreich. Sudjamito hat vor einigen Jahren die Bewegung Innovator 4.0 gegründet, die den technologischen Fortschritt im Land vorantreiben will. Der 51-Jährige gibt an, 18 Billionen Rupiah (circa 1,3 Milliarden US-Dollar) an Investitionszusagen zu haben. Ein großer Teil soll aus Kanada kommen, auch aus Deutschland sollen Mittel fließen. Namen werden allerdings nicht genannt. Wodurch und wann Investitionen solch einer Größenordnung verzinst zurückgezahlt werden, ist ebenfalls unklar.

Bereits nach dem Ende des Ramadans im Mai 2021 sollen dem Initiator zu Folge erste Bauarbeiten beginnen. Zunächst sollen Zugangsstraßen gebaut und eine brachliegende Ferienanlage restauriert werden. Viel mehr ist nicht bekannt. Einigen Universitäten soll Land geschenkt werden, als Anreiz für eine Ansiedlung. Bei der Provinzregierung wurde ein Antrag für eine Sonderwirtschaftszone gestellt, dessen Genehmigung den Aufbau erleichtern würde. 

Große Defizite bei Bildung und Forschung

Für den Algorithm Hill gibt es tatsächlich einen Nährboden, nämlich eine wachsende Digitalwirtschaft. Vor allem im Großraum Jakarta schießen zahlreiche Start-ups aus dem Boden. Mittlerweile sind ein halbes Dutzend Unicorns (Start-ups mit einem Unternehmenswert von mindestens 1 Milliarde US$) entstanden. Sie werben Milliardensummen ein, zu ihren Investoren gehören Google, Facebook oder Amazon. Digitale Alltagsanwendungen sind in Indonesien weiter verbreitet als in Deutschland, in den Städten ersetzen Bezahl-Apps bereits einen erheblichen Teil des Bargeldverkehrs.

Das Projekt Algorithm Hill passt auch zu politischen Zukunftsvisionen. Denn Indonesien will sein Bildungs- und Ausbildungsniveau verbessern und mehr Forschung betreiben. Der Status Quo ist miserabel und das größte Hindernis auf dem geplanten Weg zu einem Industrieland bis zum Jahr 2045. In internationalen Bildungsstudien rangiert Indonesien stets auf den hinteren Plätzen. Laut Weltbank gelten 55 Prozent der 15-jährigen Indonesier als funktionale Analphabeten. Nur 0,2 Prozent der Bruttoinlandsprodukts fließen in Forschung & Entwicklung (Vergleich China: 2,4 Prozent). Technologisch ist der Archipel ganz und gar abhängig von ausländischen Zulieferungen.

Erste Weichen werden neu gestellt. Deutsche Ausbildungsinitiativen, wie sie die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Kooperation mit der Deutsch-Indonesischen Außenhandelskammer betreibt, sind gefragt. Für Arbeitslose gibt es neuerdings Weiterbildungsgutscheine. Zuletzt wurden das Erziehungs- und das Technologieministerium zusammengelegt, und die Nationale Behörde für Forschung und Innovation (BRIN) wurde direkt dem Präsidenten unterstellt.

Beobachter sind skeptisch

Die Früchte dieser Reformen werden aber womöglich erst in vielen Jahren und vielleicht erst nach Jahrzehnten reifen. Auch deshalb ist der Pressetenor zum Algorithm Hill überwiegend durch Skepsis geprägt. Einige Kommentatoren vermuten, dass das Projekt vor allem auf staatliche Zuschüsse und Steuererleichterungen aus ist, die im Falle der Schaffung einer Sonderwirtschaftszone fällig wären.

Das größte Hindernis für eine Verwirklichung dürfte im schlichten Mangel an Forschern liegen. Laut UNESCO soll es in Indonesien nur etwa 200 auf 1 Millionen Einwohner geben. Auch IT-Fachkräfte sind rar; die vorhandenen sind vor allem bei den Unicorns eingestellt. Zwar werden in sogenannten Coding-Camps Programmierer im Schnelldurchlauf für spezielle Einsatzgebiete nachgeschult, doch sie können die Nachfrage längst nicht decken. Initiator Sudjatmito rühmt sich mit Kontakten zu indonesischen Softwareentwicklern in aller Welt und will diese zurück in die Heimat locken. Doch ob der Algorithm Hill in der westjavanischen Provinz dafür genügend Anziehungskraft bietet, ist fraglich.  

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