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Japans Regierung setzt sich hohe Ziele für die Offshore-Windenergienutzung. Um diese schnell und effizient umzusetzen, sind ausländische Ausrüstungen und Know-how gefragt.
25.01.2021
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Die Regierung Suga will Japan bis 2050 klimaneutral machen. Hierfür sollen die erneuerbaren Energiequellen auf einen Anteil von mehr als 50 Prozent der Stromproduktion steigen. Auf diesen Kurswechsel in der Energiepolitik haben sich die Ministerien und der Privatsektor Ende 2020 geeinigt. Ihr Plan sieht vor, die Offshore-Windenergie massiv auszubauen.
Da die Ausbauflächen für Onshore-Windanlagen begrenzt sind, soll der Offshore-Bereich einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den Anteil der erneuerbaren Energieträger zu erhöhen. Es gibt Nachholbedarf: Windenergie trug 2019 laut dem Institute for Sustainable Energy Policies (ISEP) in Japan weniger als 1 Prozent zur Stromproduktion bei. Der Anteil der Fotovoltaik lag bei 7,4 Prozent.
Den neuen Energieplanspielen zufolge soll entlang der japanischen Küste bis 2030 eine Kapazität von 10 Gigawatt und bis 2040 eine Kapazität von bis zu 45 Gigawatt an Offshore-Windanlagen installiert werden. Im Vergleich: Gegenwärtig erzeugen einige wenige Windturbinen im küstennahen Bereich rund 20.000 Kilowattstunden. Sie dienen Demonstrationszwecken und speisen ihren Strom nicht ins Netz ein.
Ab sofort soll auch der wirtschaftliche Aspekt in den Fokus rücken. Dazu gehört, die Nettoerzeugungskosten in den nächsten zwei Dekaden auf etwa 8 Yen bis 9 Yen (6 bis 7 Euro-Cent) pro Kilowattstunde zu senken. Das sieht ein Bericht der Japan Wind Power Association vor. Ein weiteres Ziel ist es, eine inländische Lieferkette aufzubauen und bis 2040 einen Lokalanteil von 60 Prozent zu erreichen. Hier sollen neue Arbeitsplätze entstehen.
Ohne ausländische Ausrüstung und Expertise ist ein solcher Plan kaum umsetzbar, denn nur noch wenige japanische Unternehmen produzieren gegenwärtig Offshore-Windturbinen oder Zubehör. Daher haben Anbieter aus Europa, die weltweit führend sind, gute Chancen, bei der Projektierung, dem Bau und dem Betrieb von Offshore-Windparks mitzuwirken.
Einige Branchenfirmen haben schon im Vorfeld in Japan Ableger gegründet, so etwa Orsted, Equinor, CIP, wpd und RWE Renewables. Für die kapital-, planungs- und zeitintensive Entwicklung der Offshore-Windparks kooperieren sie mit japanischen Partnern. 2020 ist der spanische Energiekonzern Iberdrola hinzugekommen, der den japanischen Windenergieentwickler Acacia Renewables übernommen hat.
Als einziger, großer japanischer Anbieter von Windturbinen ist Mitsubishi Heavy Industries auf dem Markt übriggeblieben, allerdings werden dessen Turbinen von der dänischen Vestas produziert. Um ihre Zusammenarbeit im Offshore-Bereich zu intensivieren, soll das 50:50-Joint Venture MHI Vestas Offshore Wind zukünftig die Aktivitäten in Japan vorantreiben, so eine Unternehmensmeldung von Ende Oktober 2020.
Die beiden Partner erwarten, dass die Nachfrage nach Offshore-Windenergie weltweit bis 2030 auf etwa 25 Gigawatt pro Jahr wächst. Sollte sich diese Entwicklung tatsächlich abzeichnen und wettbewerbsfähige Kosten zu erzielen sein, wollen MHI und Vestas den Aufbau einer Produktion in Japan ins Auge fassen. Diese soll dann Teil der regionalen Lieferkette sein.
Zunächst müssen jedoch Windpark-Ausschreibungen gewonnen werden. Auf der Basis des 2019 erlassenen Gesetzes (“Act of Promoting Utilization of Sea Areas in Development of Power Generation Facilities Using Maritime Renewable Energy Resources”) hat die Regierung gegenwärtig vier Offshore-Windprojekte in der Ausschreibungspipeline. Eines der ausgewiesenen Gebiete befindet sich im küstennahen Flachwasser der Präfektur Chiba, die an Tokyo angrenzt. Die anderen drei Gebiete liegen vor der Küste der Präfektur Akita im Nordwesten der Hauptinsel Honshu.
Bei allen vier Projekten sollen die Windtürme im Meeresboden verankert werden. Die Ausschreibungen erfolgten im November 2020 in japanischer Sprache und laufen bis Ende Mai 2021. Ende November 2021 sollen die zum Zuge kommenden Unternehmen beziehungsweise Konsortien benannt werden. Sie erhalten 30 Jahre exklusive Nutzungsrechte in dem ihnen zugewiesenen Küstenabschnitt.
Die Regierung will mit der Priorisierung des Offshore-Ausbaus den Klimaschutz, die Energiesicherheit, neue Technologieentwicklungen und industrielles Wachstum unterstützen. Daher hat sich der Council for Government-Industry Dialogue im Dezember 2020 darauf verständigt, Ausschreibungen zentral zu steuern. Dies soll verhindern, dass sich die einzelnen Präfekturen in einem "Ausschreibungsdschungel" verlieren, denn sie haben nur wenig Erfahrungen mit der Vergabe von Offshore-Wind-Projekten. Zudem werfen die Verfahren viele Fragen auf und machen Abstimmungen mit zahlreichen Akteuren erforderlich.
Im Rahmen der zentralen Ausschreibung wurde bis Ende 2020 erst ein größeres Offshore-Windprojekt vergeben. Es handelt sich um eine schwimmende Windkraft-Anlage mit einer Kapazität von mindestens 16,8 Megawatt, die in Goto vor der Küste der Präfektur Nagasaki entstehen soll. Welches Unternehmenskonsortium den Zuschlag für dieses Projekt erhält, wird soll Mitte 2021 bekannt gegeben werden.
Das Interesse von in- und ausländischen Projektentwicklern und Betreibern an Projekten in Japan ist beachtlich. Der umfangreiche Offshore-Ausbau ruft sowohl neue als auch alte Akteure auf den Plan. Beispielsweise steckt Toshiba gegenwärtig die Fühler aus und will in den Offshore-Wind-Sektor investieren. Hierfür sucht der Konzern nach geeigneten Übernahmeobjekten oder Partnern.
An der Finanzierung wird der Ausbau kaum scheitern. Japans Handelshäuser und Energieversorger, Banken und Versicherer steigen in die Finanzierung von Windpark-Projekten ein. So hat die Development Bank of Japan zusammen mit anderen institutionellen Investoren im Januar 2021 einen neuen Fond in Höhe von rund 510 Millionen US-Dollar aufgelegt, um die Firma Green Power Investment bei der Entwicklung von Windpark-Projekten auf dem Archipel zu unterstützen.