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Branchenbericht | Russland | Landmaschinen
Russlands Landmaschinenbauer fahren hohe Erträge ein. Steigende Ernten befeuern die Nachfrage nach neuen Geräten. Deutsche Hersteller lokalisieren die Produktion.
31.12.2020
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau
Die Herstellung von Landtechnik wächst in Russland 2020 das siebte Jahr in Folge. In den ersten elf Monaten des Jahres stieg der Produktionswert im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 30 Prozent auf etwa 1,5 Milliarden Euro, meldet der Branchenverband Rosspezmasch. Selbst die Coronapandemie konnte der Branche nichts anhaben. Die Produktion lief auch während des landesweiten Lockdowns im Frühjahr weiter. Zudem erklärte die Regierung sechs Hersteller von Landtechnik zu systemrelevanten Unternehmen. Sie erhalten günstige Kredite zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs.
Unternehmen | Produkte | Region |
OOO Rostselmasch | Mähdrescher, Traktoren, Feldhäcksler, Bodenbearbeitungsmaschinen, Aussaattechnik, Spritzgeräte | Gebiet Rostow |
AO Peterburgskij Traktornij Sawod | Traktoren, Schlepper | Sankt Petersburg |
OOO Claas | Mähdrescher, Traktoren, Feldhäcksler, Teleskoplader, Rundballenpressen | Region Krasnodar |
AO Klewer (gehört zu Rostselmasch) | Feldhäcksler, Eggen, Grubber, Sämaschinen, Spritzgeräte, Rundballenpressen, Kreiselmäher, Heuwender | Gebiet Rostow |
AO Ewrotechnika | Geräte zur Bodenbearbeitung, Aussaat, Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, zum Ausbringen von Dünger | Gebiet Samara |
ZAO Rubzowski Sawod Zapasnykh Chastej | Ersatzteile für landwirtschaftliche Maschinen | Region Altai |
Die Verkäufe von Landtechnik legten zwischen Januar und November 2020 um 46 Prozent auf etwa 1,3 Milliarden Euro zu. Wachstumstreiber waren vor allem Mähdrescher mit einem Absatzplus von 24 Prozent auf 5.200 Einheiten sowie Traktoren mit einem Zuwachs um 27 Prozent auf 4.130 Stück. Die Aussichten sind sehr gut. In der Saison 2020/2021 fährt Russland die zweithöchste Getreideernte seiner Geschichte ein. Entsprechend steigt der Bedarf an moderner Landtechnik.
Die Regierung verlängert zudem das Förderprogramm Nr. 1432 und subventioniert den Verkaufspreis auf einheimische Landtechnik. Für das Jahr 2021 stehen etwa 110 Millionen Euro zur Verfügung. Ein neues Programm zum Vorzugsleasing für Landmaschinen soll die Nachfrage weiter ankurbeln.
Doch die Exportbeschränkungen für bestimmte landwirtschaftliche Güter, wie Weizen, könnten zu Liquiditätsengpässen bei Agrarholdings führen und geplante Beschaffungen von Landtechnik aufschieben. Zudem dürften Preissteigerungen von bis zu 35 Prozent bei Metall Neuanschaffungen verteuern.
Der Anteil lokaler Hersteller am Markt für Landtechnik liegt derzeit bei 58 Prozent. Mit der „Strategie zur Entwicklung der verarbeitenden Industrie“ will die Regierung bis 2035 den Marktanteil russischer Produzenten auf 80 Prozent und die Exportquote auf 50 Prozent des Inlandsmarkts erhöhen. Die Produktion von Mähdreschern soll pro Jahr auf 8.632 Einheiten, bei Feldhäckslern auf 2.365 Einheiten und bei Kartoffel- und Rübenvollerntemaschinen auf 170 Einheiten steigen.
Besonders stark soll die Produktion von Traktoren zulegen - auf 15.124 Einheiten. Gelingen soll dies durch den Aufbau einer lokalen Fertigung im Rahmen des erneuerten Sonderinvestitionsvertrages (SPIK 2.0). Dieser Vertrag bietet den Herstellern für den Aufbau einer lokalen Fertigung den Status „Made in Russia“. Der Konzern Traktornyje Sawody (KTS), Case New Holland (CNH), Same Deutz Fahr (SDF) und die koreanische Firma LS Mtron nehmen am Auswahlverfahren zur Lokalisierung der Produktion von leichten und mittelschweren Traktoren teil.
Der Lokalisierungsgrad der Traktorenfertigung wird nach einem Punktesystem bestimmt, das die Regierung im Oktober 2020 beschlossen hat. Ab 2021 muss er mindestens 50 Prozent der möglichen Punkte betragen, um staatliche Hilfen in Anspruch nehmen zu können.
Bauteil / Prozessschritt | Punkte |
Fahrerkabine | bis zu 18 |
Motor | bis zu 28 |
Vorderachse | bis zu 13 |
Hinterachse | bis zu 16 |
Getriebe | bis zu 45 |
Elektronische Systeme | bis zu 22 |
Hydraulik | bis zu 19 |
Fahrwerk | bis zu 12 |
Stützrahmen | bis zu 10 |
Das größte Hindernis zur Erreichung der Ziele ist die unterentwickelte Bauteilefertigung. Daher subventioniert der Fonds zur Entwicklung der Industrie (FRP) bis zu 30 Prozent der Investitionssumme für die Lokalisierung der Produktion von Bauteilen. Für 2021 stehen etwa 33,3 Millionen Euro zur Verfügung.
Der deutsche Landtechnikhersteller Claas hat sich im Jahr 2016 mit einem Sonderinvestitionsvertrag (SPIK 1.0) dazu verpflichtet, die lokale Fertigungstiefe bei Mähdreschern zu erhöhen. Im Jahr 2021 sollen die Mähdrescher mit Motoren „Made in Russia“ ausgestattet werden. Daneben sind mit Lemken, Grimme, Horsch und Ropa weitere deutsche Hersteller mit Montagewerken auf dem russischen Markt vertreten.
Projekt / Region | Investitionen | Geplante Inbetriebnahme | Projektbetreiber |
Erweiterung und Modernisierung der Produktionsanlagen, Aufbau einer Produktion von Traktoren und Getrieben, Erneuerung der Modellreihen / Gebiet Rostow | 190 | 2024 | |
Aufbau einer Produktion von Landtechnik / Gebiet Woronesch | 36,1 | 2021 (1. Phase) | |
Modernisierung der Produktionsanlagen: Ausbau der Werkhalle zur Metallverarbeitung, Aufbau einer weiteren Anlage zur Pulverbeschichtung, Bau eines Logistikterminals / Region Krasnodar | 7,5 | 2022 |
Trotz steigender Produktionszahlen können einheimische Hersteller den Bedarf an Traktoren noch nicht vollständig decken. Kommen in Deutschland auf 1.000 Hektar Fläche 65 Traktoren und in den USA 26 Schlepper zum Einsatz, so fahren auf russischen Feldern nur drei. Zudem müssen in den kommenden zehn Jahren jährlich bis zu 56.000 Traktoren (derzeit sind es etwa 12.000) und etwa 16.000 Mähdrescher neu beschafft werden, um den altersbedingten Verschleiß auszugleichen. Für eine vollständige Erneuerung der Landtechnikflotte wären Investitionen von etwa 17,8 Milliarden Euro notwendig.
Landmaschinen | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 |
Gesamt SITC 721+722 | 1.652,2 | 2.954,1 | 2.197,2 | 2.126,3 |
. darunter aus: | ||||
. Deutschland | 489,2 | 588,4 | 533,1 | 451,9 |
. Belarus | 300,7 | 457,0 | 316,8 | 476,8 |
. Niederlande | 121,2 | 513,1 | 164,8 | 221,5 |
. USA | 112,3 | 233,1 | 202,7 | 158,7 |
Russlands Exporte von Landtechnik legten zwischen Januar und November 2020 um 13,6 Prozent auf etwa 168 Millionen Euro zu und übertrafen damit bereits den Wert der Ausfuhren von etwa 167 Millionen Euro im Vorjahr.
Russland fährt erste Getreideernten mit autonom fahrenden Landmaschinen ein. Der wichtigste Entwickler ist Cognitive Pilot (Joint-Venture der IT-Schmiede Cognitive Technologies und des Bankhauses Sber). Das System „Cognitive Agro Pilot“ verringert die Erntezeit um ein Viertel und die Ernteverluste um etwa 10 Prozent. Es kam 2020 bereits in 35 Regionen auf mehr als 350 Mähdreschern zum Einsatz.
Bis 2023 sollen bereits 10.000 Mähdrescher mit dem Cognitive Agro Pilot ausgestattet sein. Die Holding Ekoniva des deutschen Landwirts Stefan Dürr übernimmt dazu in 35 Regionen die Installations-, Inbetriebnahme-, Wartungs- und Engineering-Arbeiten. Mit Rusagro hat Cognitive Pilot bereits einen Vertrag zur Ausrüstung von 242 Mähdreschern geschlossen.
Auch Russlands größter Landmaschinenhersteller, Rostselmasch, plant 2021 im Rahmen des Projekts „Autonome Farm“ die Produktion von selbst fahrenden Mähdreschern.
Doch auf dem Markt dürften autonome Mähdrescher erst bei Neuanschaffungen reelle Chancen haben. Gut 70 Prozent der derzeit eingesetzten Maschinen werden noch mindestens fünf Jahre ihren Dienst tun. Teure Nachrüstungen wird sich kaum ein Landwirt leisten.