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Speicherung von Kohlendioxid wird zum Geschäftsmodell

Das Thema Abscheidung und Speicherung von Treibhausgasen rückt in Russland auf die Tagesordnung. Erste Projekte sind in der Planung.

Von Gerit Schulze | Moskau

Der Kohlenstoff-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der Europäischen Union (EU) führt in Russland zu einer erhöhten Aktivität beim Thema Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Treibhausgasen (Carbon Capture, Use and Storage; CCUS). Die großen Rohstoffkonzerne entwickeln Konzepte, um die Ausgleichszahlungen bei Exporten in die EU möglichst gering zu halten.

Dabei spielen Russlands Wasserstoff-Ambitionen eine wichtige Rolle. Denn Moskau setzt auf blauen Wasserstoff, der durch Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen wird. Das entstehende Kohlendioxid (CO2) muss aufgefangen und gespeichert werden, damit der Prozess als weitgehend klimaneutral gilt.

Projekte ohne Subventionen kaum rentabel

Russische Rohstoffkonzerne haben deshalb erste Pilotvorhaben zur Abscheidung und Speicherung von Treibhausgasen angekündigt. Vygon Consulting schätzt die potenziellen Speicherkapazitäten auf 1,2 Billionen Tonnen CO2. Allein in ausgedienten Öl- und Gasfeldern könnten 305 Milliarden Tonnen verpresst werden. Zum regionalen Cluster könnte sich laut Vygon die Wolga-Ural-Region entwickeln, dank ihrer emissionsstarken Schwerindustrie und den nahegelegenen Öllagerstätten. 

„Russland hat ein einzigartiges geologisches Potenzial, allerdings können wir die Projekte nicht allein realisieren“, sagte Alexandra Wertljugina Ende September 2021 bei der ersten Fachkonferenz zu CCUS in Moskau, organisiert von Creon Energy. Die Managerin leitet die Abteilung für Integrationsprogramme bei Gazprom Neft und setzt auf „staatliche Unterstützung als Schlüsselfaktor für die Entwicklung der Branche“. Wertljugina schätzt die nötigen Subventionen auf 70 bis 80 Prozent der Investitionssumme plus staatliche CO2-Regulierung. „Dann wären wir bereit, in großem Maßstab in solche Projekte zu investieren.“

Auch andere Konferenzteilnehmer betonten, dass CCUS-Pilotprojekte weltweit nur mit Subventionen realisiert würden. Optimistisch blickt der Geschäftsführer von Creon Energy, Sandschar Turgunow, auf die Entwicklung in Russland. „Das verläuft ähnlich wie die Nutzung von Begleitgas vor einigen Jahren. Auch dort dachte man zunächst, dass diese Projekte nicht rentabel seien." Dank der staatlichen Initiative habe sich die Begleitgasnutzung dann jedoch zu einer eigenen Industriesparte gewandelt. „Ich bin sicher, das Gleiche passiert auch bei CCUS“, erläuterte Turgunow.

Aktivitäten russischer Unternehmen zur Abscheidung und Speicherung von CO2

Novatek plant eine Senkung des Carbon-Fußabdrucks bei der Erdgasverflüssigung auf den Halbinseln Jamal und Gydan. Dort sollen die Gesteinsschichten sich besonders für die CO2-Speicherung eignen. Novatek schätzt das Potenzial auf 50 Millionen Jahrestonnen. Die Region könnte nach Vorstellungen des Konzerns zu einem Cluster für CCUS werden. Das Unternehmen will die Technologie ab 2026/2027 auch für die Produktion von blauem Wasserstoff und Ammoniak nutzen. Dabei kooperiert der Konzern mit der Japan Bank for International Cooperation (JBIC).

Gazprom, Rosatom und die Verwaltung der Oblast Sachalin haben den Bau einer Produktionsanlage für blauen Wasserstoff auf der Pazifikinsel vereinbart. Bei der Dampfreformierung von Methan soll das entstehende Kohlendioxid aufgefangen werden.

Gazprom Neft und der Metallurgiekonzern NLMK kooperieren beim Einsatz von Wasserstoff zur Stahlproduktion und bei Projekten zur CO2-Speicherung.

Lukoil hat bereits vor fünf Jahren am Gasverarbeitungswerk Korobkowski im Gebiet Wolgograd eine Anlage zur Abscheidung von CO2 installiert. Das Gas wird bei der Erdölförderung genutzt, um die Viskosität des Rohstoffs zu verringern. Ein ähnliches Projekt soll bei Perm realisiert werden. Die Speicherung von Kohlendioxid sei bislang aber noch kein Thema, sagte Lukoil-Vizepräsident Asat Schamsuarow im September 2021.

Wintershall Dea und Gazprom untersuchen die technischen Möglichkeiten des Transports von CO2 durch herkömmliche Gaspipelines im südlichen Teil der Nordsee. Dabei werden auch die Potenziale geprüft, im niederländischen Kontinentalschelf bis zu 800 Millionen Tonnen Kohlendioxid zu speichern.

Tatneft erarbeitet Vorhaben zur Abscheidung von Kohlendioxid im Wärmekraftwerk Nischnekamsk und beim Raffineriekonzern Taneko. Das gewonnene Gas soll bei der Ölförderung in der Lagerstätte Bikljanskoje genutzt werden.

Staat zur finanziellen Unterstützung bereit

Die Rufe nach mehr staatlicher Aktivität sind bei der Regierung angekommen. Bis Ende 2021 soll ein Programm zur Förderung von Klimaschutzprojekten vorgestellt werden, berichtete Matwej Ajrapetow, Leiter der Abteilung für die Wasserstoffwirtschaft beim Ministerium für Industrie und Handel, auf der CCUS-Konferenz.

Möglichkeiten zur Subventionierung hat die Regierung bereits mit der Anordnung Nr. 825 des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung vom 14. Dezember 2020 geschaffen. Darin sind Infrastrukturprojekte aufgeführt, die Investitionszuschüsse aus dem Staatshaushalt erhalten können. Explizit genannt sind unter Punkt 2.2.7 "Objekte zur Abscheidung, Speicherung, zum Transport, zur Verarbeitung, Entsorgung und Weiterverwendung von Kohlenstoffoxiden".

Eine Finanzierungsquelle wären auch Green Bonds. Sie bieten günstige Zinssätze, wenn das Geld in ökologisch nachhaltige Vorhaben fließt, erklärt Florian Willershausen, zuständig für Business Development bei Creon Capital. „Bei einem CO2-Preis von derzeit 60 Euro in der EU lohnen sich CCUS-Vorhaben allmählich.“ Kapitalgeber stünden als Investoren bereit, „oft gibt es aber nicht genügend Projekte“. Die Creon Group sucht in Europa aktiv nach Technologieherstellern für die CO2-Abscheidung und Speicherung, die in Russland lokalisieren wollen.

Speicherpotenzial des Landes ist riesig

Der Abteilungsleiter Ajrapetow vom Industrieministerium schätzt das Potenzial für die CO2-Speicherung in Russland auf über 1 Milliarde Tonnen pro Jahr. Das wäre die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen des Landes. „Allerdings sind die Kosten für den CO2-Ausstoß bei uns noch nicht endgültig festgelegt“, betont Ajrapetow. „Daher ist die Rentabilität solcher Anlagen bislang unklar.“

Ungeachtet dessen habe Russland bereits Technologien, Erfahrungen und Kompetenzen für das Auffangen und Speichern von Kohlendioxid, bekräftigt der Ministerialbeamte. Tatsächlich nutzen Rohstoffkonzerne das klimaschädliche Gas, um es in erschöpfte Erdöllagerstätten zu pumpen. Das erhöht den Druck und lässt die Fördermenge steigen.

Diese Erfahrungen könnten in großem Maßstab für den Klimaschutz genutzt werden. Gazprom Neft hat eine eigene Abteilung für industrielle Innovationen gegründet, die sich unter anderem mit der Abscheidung von Kohlendioxid und der Nutzung des Gases für neue Produkte befasst. Dabei kooperiert Gazprom auch mit dem Rostocker Leibniz-Institut für Katalyse (Likat).

In Sankt Petersburg entsteht Testanlage

In Sankt Petersburg baut Gazprom einen Laborkomplex, in dem neue chemische Verfahren erforscht und getestet werden sollen. Dazu gehört die Membrantechnologie für die CO2-Abscheidung. Außerdem ist eine Pilotanlage für 1.000 Tonnen neuer Produkte aus Kohlendioxid geplant.

Alexandra Wertljugina von Gazprom Neft denkt bereits an größere Dimensionen. Wie sie auf der Creon-Konferenz erklärte, müssten CCUS-Anlagen mindestens eine Jahreskapazität von 1 Million Tonnen haben. Ihr Unternehmen verhandele bereits mit mehreren Metallurgiefirmen. 

Neben der Speicherung ist die Nutzung von Kohlendioxid zur Herstellung neuer Industrieprodukte ein interessantes Einsatzgebiet in Russland. Davon profitiert bereits der deutsche Chemiekonzern Covestro, der das klimaschädliche Gas als Rohstoff für die Kunststoffproduktion verwendet und damit dauerhaft bindet. Diese neuartigen Polyole (Markenname Cardyon) nutzt das tatarische Unternehmen Egida bei der Produktion von Ausgangsmaterialien für die Möbel-, Textil- und Automobilindustrie. Laut der Wirtschaftszeitschrift Ekspert hat Egida 2019 etwa 500 Tonnen davon verarbeitet.

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