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Erfahrungsbericht | Taiwan | Coronavirus
Das deutsche Unternehmen BSH Hausgeräte ist in Taiwan seit Jahren auf Wachstumskurs. Die Coronakrise auf der Insel wirkte sich sogar positiv auf die Verkäufe aus.
31.08.2020
Von Alexander Hirschle | Taipei
BSH Hausgeräte ist seit den 1980er-Jahren über Distributoren in Taiwan aktiv. Im Jahr 2012 wurde eine Tochtergesellschaft in Taipei gegründet, um den taiwanischen Markt besser bedienen zu können. Später kamen noch Verkaufsbüros in Kaohsiung, Taichung und Hsinchu hinzu. Darüber hinaus betreibt BSH fünf Experience Centers - vier für die Marke Bosch und eines für Gaggenau - und beschäftigt insgesamt 130 Mitarbeiter. Die Produkte werden alle importiert: 90 Prozent kommen aus Europa und mehr als 60 Prozent stammen aus Deutschland selbst. Dr. Florian Fuhl leitet seit 2017 die BSH-Niederlassung in Taiwan.
GTAI: Herr Dr. Fuhl, sind Sie mit der bisherigen Entwicklung der Geschäfte in den letzten Jahren zufrieden?
Fuhl: In Taiwan sind wir ein führender Anbieter in den Wachstumssegmenten Geschirrspülen und Einbau-Kochen. Unser Sortiment haben wir kontinuierlich ausgebaut, zum Beispiel mit Kühlschränken und Waschmaschinen. Dadurch konnten wir die letzten Jahre durchgehend zweistellig wachsen.
GTAI: Auf welche Kunden als Zielgruppe fokussiert sich BSH in Taiwan?
Fuhl: Unsere Zielgruppe sind die einkommensstarken Haushalte. Diese bevorzugen auch eher moderne Einbauküchen. Die Marke Gaggenau bedient das Luxussegment in Taiwan. Hier arbeiten wir mit Innenarchitekten, Designern und Sterne-Köchen zusammen.
GTAI: Wer sind Ihre Hauptkonkurrenten im Markt?
Fuhl: Aufgrund unseres Produkt- und Markenportfolios konkurrieren wir weniger mit lokalen Anbietern, sondern vor allem mit anderen europäischen Marken. Diese sind hier hauptsächlich über Distributoren vertreten. Unsere Differenzierung vom Wettbewerb sehen wir in unserer Produktqualität, den innovativen Produktmerkmalen und unserem eigenen Kundendienst. Und schließlich genießt das Label made in Germany auch in Taiwan einen hervorragenden Ruf.
GTAI: Gibt es Besonderheiten im taiwanischen Markt, an die man sich als deutsches Unternehmen anpassen muss?
Fuhl: Bedingt durch den japanischen Einfluss verfügt Taiwan über eine 110-Volt/60-Hertz-Infrastruktur. Wir als europäischer Anbieter sind hauptsächlich auf 220 Volt/50 Hertz ausgerichtet, weshalb wir hier im Vergleich zu anderen Märkten ein schlankeres Produktportfolio anbieten. Allerdings versuchen wir auch, den Kunden die Vorzüge eines 220-Volt-Produkts beizubringen und bieten eine kostenlose 220-Volt-Installation an.
GTAI: Können Sie uns ein Beispiel nennen, wie Sie die lokalen Besonderheiten erfolgreich adressiert haben?
Fuhl: In Taiwan verfügen nur 3 Prozent der Haushalte über einen Geschirrspüler im Vergleich zu rund 70 Prozent in Deutschland. Bei der Ursachenforschung fanden wir heraus, dass viele Taiwaner skeptisch gegenüber der Waschleistung eines Geschirrspülers sind. Sie nehmen fälschlicherweise an, dass man per Hand besser spült sowie weniger Wasser und Strom verbraucht. Also haben wir eine Garantie offeriert: Kunden können einen Geschirrspüler zu Hause ausprobieren und falls sie nach 90 Tagen nicht überzeugt sind, können sie uns das Gerät zurückgeben und erhalten ihr Geld zurück. Des Weiteren bieten wir einen kostenlosen „Küchen-Check“ an, der aufzeigt, ob und wo ein Geschirrspüler beim Kunden installiert werden kann.
GTAI: Gab es noch weitere „Taiwan-spezifische“ Herausforderungen für dieses Produktsegment?
Fuhl: Eine wichtige Kaufbarriere war weniger offensichtlich. Aufgrund des traditionellen Wertesystems fürchten weibliche Kunden einen Gesichtsverlust, wenn sie aus „Bequemlichkeit“ einen Geschirrspüler kaufen. Hierfür haben wir eine spezielle Marketingkampagne entwickelt, die sich auch im Sinne eines moderneren Rollenverständnisses an weibliche und männliche Kunden gleichsam richtete: Your Familiy deserves your time, your dirty dishes don´t!, also mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben. Diese Botschaft - unterstützt durch verschiedene Internetvideos und Fernsehspots - entschärfte den vorherigen Rechtfertigungsdruck und fügte eine emotionale Komponente zu unserer sonst eher rationalen Kommunikation hinzu.
GTAI: Wie sind Ihre Erfahrungen im Zuge der Coronakrise - leidet Ihr Geschäft stark unter deren Auswirkungen?
Fuhl: Hier sehen wir eher den gegenteiligen Effekt: Trotz der sehr geringen Ansteckungszahlen blieben die Leute in den ersten Monaten 2020 verstärkt zuhause. Es wurde dort mehr gekocht, gegessen und gespült. Gepaart mit unserer Marketingkampagne haben sich viele Taiwaner dann entschlossen, ihr Zuhause mit unseren Geräten schöner und funktionaler zu gestalten. Bisher liegen wir also trotz - oder besser gesagt - wegen Corona deutlich über dem Vorjahresumsatz.
GTAI: Aber hielten sich die Konsumenten mit ihren Anschaffungen in der Krise nicht eher zurück?
Fuhl: Die Wirtschaft in Taiwan hat sich relativ wacker geschlagen trotz Corona. Zwar ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 2. Quartal 2020 leicht zurück, es kam aber nicht zu massiven Einbrüchen wie in anderen Ländern. Für das Gesamtjahr wird immer noch mit einer leichten Steigerung des BIP gerechnet. Hinzu kam, dass die für die Oberschicht in Taiwan normalerweise anstehenden Urlaubsreisen und Shoppingtouren im Ausland durch die Reisebeschränkungen nicht mehr möglich waren. Daher stand dieses Geld im Inland zur Verfügung und wurde dann unter anderem in bessere Lebensqualität investiert.
GTAI: Wie sehen Sie die mittelfristigen Perspektiven im taiwanischen Markt? Wird sich der Erfolg in Bezug auf die Eindämmung der Coronapandemie auch positiv auf Ihre Geschäfte auswirken?
Fuhl: Durch die erfolgreiche Coronastrategie der Regierung geht das Leben in Taiwan vergleichsweise normal weiter. Daher sehen wir die mittelfristige Entwicklung für Konsumgüter positiv. Da die Menschen auch weiterhin in physische Geschäfte gehen, sehen wir auch nicht die starke Verschiebung zum Online-Handel wie in anderen Ländern. Langfristig ist allerdings auch die Coronastrategie der wichtigsten Handelspartner und der Export aus Taiwan in diese ein Unsicherheitsfaktor für die weitere Entwicklung der Einkommen und damit des Inlandskonsums.