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Halbleiterboom führt zu Geschäftschancen und Herausforderungen

Taiwan ist als Zentrum der globalen Halbleiterproduktion in den Fokus geraten. Die geplante Ausweitung der Kapazitäten führt zu Chancen für deutsche Lieferanten.

Von Alexander Hirschle | Taipei

Der Halbleiterboom in Taiwan ebbt auch 2021 nicht ab. Im Gegenteil: Fast im Tagesrhythmus jagen neue Erfolgsmeldungen durch die lokale Fachpresse. Die Produktion von Chips konnte im Krisenjahr 2020 um 20,7 Prozent nach oben geschraubt werden auf einen Wert von 107 Milliarden US-Dollar (US$). Im laufenden Jahr soll die Erhöhung des Outputs mit gleichem Tempo vorangetrieben werden.

Hohe Abhängigkeit von taiwanischen Chips

International mehren sich mittlerweile auch zum Teil kritische Stimmen, dass die Lieferketten zu stark abhängig von einem Markt wie Taiwan seien, der Insiderschätzungen zufolge für knapp zwei Drittel der weltweiten Auftragsfertigung verantwortlich ist. Amerikanische Think-Tanks kamen zu dem Ergebnis, dass ein hypothetischer Ausfall der taiwanischen Zulieferer bei den Elektronikproduzenten weltweit zu Verlusten von fast 500 Milliarden US$ pro Jahr führen würde.

Besonders in den Fokus geriet das Thema Anfang 2021, als führende Kfz-Nationen wie Japan, Südkorea, die USA und Europa bei Taiwan die Versorgung mit entsprechenden Chips zu sichern suchten. Der Nachfrageüberhang speziell im Kfz-Sektor soll sich nach Einschätzung lokaler Branchenvertreter ab dem 2. Halbjahr 2021 verringern, dürfte aber grundsätzlich auch mittelfristig ein Thema bleiben.

Aufgrund der hohen Nachfrage nach Halbleitern im Zuge der Megatrends wie Digitalisierung, 5G, elektrischen und selbstfahrenden Fahrzeuge sowie künstlicher Intelligenz, rechnen Experten noch mit einem jahrelang anhaltend hohen Wachstum des Sektors. Die Branchenfirmen wie vor allem TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Co) reagieren mit hohen Ausgaben für die Ausweitung der Produktionskapazitäten auf der Insel. Im Mai 2021 kündigte TSMC an, die Produktion von MCU (microcontroller units) für die Autoindustrie dieses Jahr um 60 Prozent steigern zu wollen. 

Lieferchancen für internationale Firmen

Die Ankündigung eines 100-Milliarden-US$-Paket von TSMC sorgt bei den Zulieferern auf Jahre für gute Aussichten. Bereits 2019 war die Insel nach Angaben des internationalen Fachverbandes Semi mit rund 17 Milliarden US$ der größte Abnehmer von Ausrüstungen in diesem Bereich.

Im vergangenen Jahr blieb die Nachfrage konstant auf diesem Niveau, China konnte allerdings mit einem Zuwachs um fast 40 Prozent auf 18,7 Milliarden US$ zum größten Markt avancieren. Die lokale Produktion von Halbleiterequipment zog zwar 2020 um fast 10 Prozent an, kann aber mit einem Output von 2,3 Milliarden US$ nicht den Bedarf decken. Internationale Zulieferer zeigen sich daher Anfang 2021 optimistisch in Bezug auf ihre geschäftlichen Perspektiven in Taiwan. Auch deutsche Firmen profitieren vom Halbleiterboom auf der Insel.

Im vergangenen Jahr wurden 711 Millionen US$ „Made in Germany“ importiert, entsprechend einem Zuwachs von fast 25 Prozent. Im 1. Quartal 2021 schossen die Einfuhren aus Deutschland sogar um etwas mehr als 50 Prozent im Vergleich mit der Vorjahresperiode in die Höhe. Mehrere Firmen sind als Lieferanten vor Ort aktiv und intensivieren zum Teil ihre Aktivitäten im Bereich Vorerzeugnisse wie Chemikalien und Ausrüstungen. Siemens Taiwan etwa bestätigte in der lokalen Presse, dass die Nachfrage aus dem lokalen Halbleiterbereich 2020 zu einem guten Geschäftsergebnis trotz der Auswirkungen der Coronakrise geführt habe.

Kritik an einseitiger Ausrichtung auf Halbleiter

Doch der schon fast sagenhafte Boom des Chip-Sektors findet nicht nur ungeteilten Beifall. So sehen einige Beobachter die Gefahr, dass sich die taiwanische Wirtschaft zu stark in eine einseitige Abhängigkeit von nur einer Branche begeben könnte. 2020 setzen sich rund 35 Prozent der Exporte aus Halbleitern zusammen, der Zuwachs belief sich in absoluten Zahlen auf rund 20 Prozent. Noch 2011 lag der Anteil nur bei 18 Prozent. Schon in den Vorjahren wurde die starke Fokussierung auf Elektronikerzeugnisse - insgesamt mehr als 40 Prozent der Ausfuhren - kritisiert.

„Traditionelle“ Branchen würden zunehmend unter der starken Ausrichtung auf Halbleiter leiden – vor allem da der Wert der Landeswährung „New Taiwan Dollar“ gegenüber dem US-Dollar 2020 an Wert gewonnen hatte. Für preissensible Industrien wie wie Stahl, Textilien, Chemie oder Maschinenbau könnte das künftig einen Wettbewerbsnachteil darstellen. Auch saugt der Halbleiterbereich aufgrund der dort deutlich höheren Löhne Talente aus anderen Sektoren ab. Qualifizierte Arbeitskräfte drohen in Taiwan mit seinen nur rund 23 Millionen Einwohnern bei gleichzeitig sehr niedrigen Geburtenraten ein rares Gut zu werden.

Wasserverbrauch wird zum Nadelöhr

Ebenso wird der hohe Wasserverbrauch der Industrie kritisiert, der sich insbesondere in einer historischen Dürrephase Taiwans wie im Frühjahr 2021 negativ niederschlägt. Pressemeldungen zufolge benötigt alleine TSMC 156.000 Tonnen Wasser pro Tag. Einige Branchenfirmen mussten angesichts der Niedrigstände in den Reservoirs dazu übergehen, Wasser auf Lastwagen zu ordern – während in Teilen der Insel Rationierungsmaßnahmen umgesetzt wurden.

Die Hersteller bemühten sich zu betonen, dass dies keinen Einfluss auf Ihren Output haben dürfte. Allerdings wird mit Hochdruck an neuen Lösungen und verbesserten Recyclingmaßnahmen gearbeitet. TSMC konnte zwar 2019 knapp 134 Millionen Tonnen Wasser wieder aufbereiten. Allerdings verfügt nur ein geringer Teil davon über die notwendige Reinheit, um wieder in den Produktionsprozessen genutzt werden zu können. Künftig könnte das auch die Nachfrage nach modernen Wasseraufbereitungstechnologien in Taiwan befeuern. Angesichts des Klimawandels dürfte 2021 nicht die letzte Dürreperiode gewesen sein.

Als wichtigstes Branchenevent gilt die Messe Semicon, die 2021 vom 8. bis 10. September im Taipei Nangang Exhibition Center, Hall 1 (TaiNex 1) stattfinden wird. Bei der letzten Ausgabe der Semicon 2020, die im Hybridformat organsiert wurde, hatten sich 550 Aussteller und rund 37.000 Besucher eingefunden.

Umsatz der Top-Elektronikunternehmen 2020 (in Millionen US$; Veränderung in Landeswährung in Prozent)

2019

2020

Veränderung 2020/2019

HON HAI Precision Ind. Co., Ltd. (Foxconn)

172.767

181.149

0,3

Pegatron Corporation

44.181

47.310

2,4

Taiwan Semiconductor Manufacturing Co., Ltd.

34.599

45.279

25,2

Quanta Computer Inc.

33.294

36.881

5,9

Compal Electronics, Inc.

31.704

35.463

7,0

Wistron Corporation

28.400

28.569

-3,8

Inventec Corporation

16.199

17.185

1,5

ASE Technology Holding Co., Ltd.

13.361

16.126

15,4

Mediatek Inc.

7.962

10.891

30,8

Delta Electronics, Inc.

8.670

9.555

5,4

Quelle: TWSE

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