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Der Ausbau des Schienenverkehrs bietet vielfältige Geschäftschancen in Taiwan. Die Regierung plant mehrere Projekte zur Modernisierung und zum Ausbau von Strecken.
22.01.2021
Von Alexander Hirschle | Taipei
Taiwans Regierung prüft die Ausweitung der Spurbreite für einen Teil der Eisenbahnstrecken des Landes. Offiziellen Informationen zufolge plant das Transportministerium MOTC (Ministry of Transport and Communication) eine Machbarkeitsstudie, welche die Auswirkungen eines Spurwechsels für die Strecken der Taiwan Railways Administration (TRA) an der Ostküste der Insel evaluieren soll.
In Taiwan wurde zunächst traditionell auf eine Spurbreite von 106,7 Zentimeter (cm) gesetzt. Diese Strecken sind heute unter der administrativen Obhut der TRA. Nur wenige Länder weltweit nutzen die Schmalspur, weshalb die Beschaffung von Ersatzteilen und Komponenten für die Wartung zum Teil schwierig ist. Mit der anvisierten Ausweitung der Spurbreite auf den TRA-Strecken sollen die Sicherheit erhöht sowie größere Kapazitäten und schnellere Fahrgeschwindigkeiten ermöglicht werden. Die taiwanischen Schnellzüge HSR (High Speed Rail) und U-Bahnen nutzen hingegen die internationale Standardbreite von 143,5 cm.
Ein weiteres Problem soll ebenfalls angegangen werden: Einige der Strecken in Taiwan verlaufen immer noch eingleisig. Dies führt zu einer geringen Flexibilität bei Anpassungen der Zugfahrpläne und zu Verspätungen. Presseangaben zufolge plant das Transportministerium eine Ausweitung auf mehrgleisige Spuren auf der 112 Kilometer langen Strecke zwischen Hualien und Zhiben, die bislang 70 Prozent eingleisig verläuft. Das Ressort wartet noch auf die Genehmigung durch die Regierung, bevor weiter in die Detailplanung gegangen wird, will aber den Ausbau bis 2027 durchführen.
Auch andere eingleisige Verbindungen etwa an der Küstenstrecke („Coastal Line“) oder im Süden der Insel („South Link Line“) sind demzufolge anvisiert, wobei aber vor allem letztere aufgrund der geographischen Bedingungen als kompliziert gelten. Aus diesem Grund sollen auch andere Möglichkeiten in Erwägung gezogen werden wie der Bau neuer Routen. Entsprechende Machbarkeitsstudien sollen nach Informationen der Taipei Times bis Frühjahr 2022 abgeschlossen werden.
Derweil wurde die Elektrifizierung der South Link Line im Dezember 2020 unter anderem mit Hilfe von Siemens-Technologie abgeschlossen. Es handelte sich dabei um die einzige Verbindung in Taiwan, die bisher noch ohne Strom lief. Die Regierung hatte mit dem Projekt 2013 begonnen, durch das sich die Fahrzeit zwischen den Städten Hualien und Kaohsiung um fast 40 Minuten auf nur noch vier Stunden verringerte. Die Passagierkapazitäten wurden um bis zu 13 Prozent nach oben geschraubt.
Branchenvertreter gehen davon aus, dass die bereits in der Vergangenheit elektrifizierten Strecken demnächst modernisiert werden müssen. Nach Einschätzung des Ministeriums verfügt Taiwan aber schon jetzt über ein schnelles und umfassendes Eisenbahnnetz mit den TRA-Strecken im Osten und Süden sowie den HSR-Verbindungen im Westen. Reisende können die Insel nun innerhalb von nur neun Stunden umrunden.
Die Fahrzeit könnte sogar noch weiter reduziert werden, wenn - neben einer geplanten HSR-Erweiterung im Süden von Kaohsiung nach Pingtun - ein weiteres geplantes Großprojekt realisiert werden sollte: Die seit 10 Jahren diskutierte Erweiterung der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Taipei nach Yilan an der Ostküste scheint Ende 2020 ihrer Realisierung einen Schritt näher gekommen zu sein.
Wie verschiedene lokale Medien berichten, hat sich das Transportministerium auf einen von drei möglichen Streckenverläufen festgelegt. Die Wahl fiel auf die mit 56,4 Kilometer längste Route der drei Alternativen. Allerdings hat diese den Vorteil, dass sie nicht durch das Feicui-Reservoir verläuft, das für die Wasserversorgung Taipeis eine entscheidende Rolle spielt.
Die anderen beiden kürzeren Strecken hätten das Bassin auf Längen zwischen 3,8 und 11,4 Kilometern durchquert. Vor allem Umweltschützern war dieser Aspekt im Vorfeld ein Dorn im Auge gewesen. Auf der nun ausgewählten Strecke müsste allerdings ein Tunnel von 11,4 Kilometern Länge durchstoßen werden, was nach Einschätzungen von Beobachtern zu Verzögerungen im Projektverlauf führen könnte.
Die Verantwortlichen hoffen, dass die Strecke ab 2030 befahrbar sein wird. Damit könnte der weniger gut erschlossene Ostteil der Insel besser an den Rest des Landes angebunden werden. Die Fahrzeit zwischen Nangang in Taipei und Yilan würde sich von derzeit einer Stunde auf nur noch rund 30 Minuten verkürzen. Die Kapazitäten auf der traditionell überlasteten Strecke sollen von maximal 7.200 Passagieren pro Stunde auf bis zu 18.000 deutlich nach oben geschraubt werden.
Das Transportministerium erklärte in der lokalen Presse, dass bei dem jetzt verabschiedeten Plan noch verschiedene Anpassungen vorgenommen werden müssten. Kritiker verweisen auf die mit geschätzten mehr als 3 Milliarden US-Dollar (US$) sehr hohen Kosten. Bevor das Großprojekt auf die Schiene gesetzt wird, müssen allerdings noch verschiedene Schritte durchlaufen werden, wie etwa die Erteilung der Umweltverträglichkeitsprüfung EIA (Environmental Impact Assessment).
Vertreter deutscher Firmen vor Ort bestätigen das große Marktpotenzial Taiwans im Bereich Schienenverkehr, wo die öffentlichen Kassen in den kommenden zwei Jahren bis zu 5 Milliarden US$ für den Ausbau von Eisenbahn und Nahverkehr budgetiert haben. Auch sei die Unterstützung der Regierung für den Bereich zu spüren und die Margen seien attraktiv. Auf der anderen Seite wird zu Bedenken gegeben, dass man als Unternehmen einen langen Atem brauche.
Denn die Verfahren seien mitunter sehr zäh und schwerfällig, die Vorhaben zögen sich in die Länge. Kaum ein Projekt würde in der ursprünglich vorgesehenen Frist umgesetzt. Dies könne zu Problemen beim Cash-Flow führen, weshalb nur wenige kleine Firmen im Markt tätig seien. Des Weiteren müsse man sich durch schwer durchschaubare und eng verflochtene Netzwerke navigieren - so die Stimmen.