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Branchen | Tschechische Republik | Schutzmasken
Die Bedrohung durch das Coronavirus ist in Tschechien zugleich ein Katalysator für alles, was mit seiner Bekämpfung zusammenhängt. Ganz vorne stehen Atemschutzmasken.
02.04.2020
Von Miriam Neubert | Prag
Jeder trägt sie, fast überall. Die Gesichtsmaske ist in Tschechien seit dem 19. März 2020 beim Verlassen der Wohnung Pflicht. Im Land gibt es wichtige und innovative Hersteller, die aber vielfach in China fertigen ließen - was seit Monaten zu Engpässen führt. Obwohl mehrere Flugzeuge mit Lieferungen aus China eingetroffen sind, der Staat schon Anfang März die Ausfuhr von Masken der Schutzklasse FFP3 verboten hat, ist professioneller, medizinisch zertifizierter Atemschutz Mangelware. Er bleibt dem Gesundheits- und Pflegesektor vorbehalten.
Deshalb darf auch selbst genähter Mund- und Nasenschutz getragen werden. Sogar die Mitglieder des tschechischen Krisenstabs treten mit bunt bedruckten Baumwollmasken auf. Private Haushalte und einige Kleidungshersteller nähen sie zudem kostenlos für den Gesundheitssektor, für Altenheime und exponierte Berufe. Mancherorts stehen Selbstbedienungsautomaten genannt Rouškomat (aus dem tschechischen Wort für Mundschutz und Automat), die genähte Modelle zum Kauf anbieten.
Doch brauchen Krankenschwestern, Ärzte und Pfleger professionellen Schutz. Angesichts des Notstands fahren Hersteller von medizinischen Schutzmasken die Produktion hoch, investieren in Anlagen oder kündigen Innovationen an. Viele sehen den Einsatz von Filtereinlagen aus Nanomaterialien vor.
Ankündigungen tschechischer Hersteller von Schutzmasken und -material
Unternehmen | Produkt | Fertigungsvolumen/-plan |
---|---|---|
Hartmann-Rico, Havlíčkův Brod | Schutzmasken und Respiratoren | Durch eine Investition in zwei Anlagen sollen laut Mitteilung vom 24. März 2020 so bald wie möglich 2,5 Millionen Stück pro Monat gefertigt werden |
Batist Medical, Červený Kostelec | Gesichtsmasken mit Nanogewebefilter | Pro Monat sind durch zwei neue Anlagen bis zu 1 Million Stück geplant – vor allem für das Gesundheitswesen |
Respilon, Brno | Mundschutze und Atemschutzmasken aus mit Kupferoxid angereicherten Nanogeweben | Unter dem Vorzeichen Virus Killer soll die Produktion Mitte April 2020 starten |
Tschechische Technische Universität ČVUT, Prag | Mehrfach verwendbare 3D-Druck-Halbmaske mit Filtern von Sigma Lutín | In Zusammenarbeit mit 3D-Druckereien, darunter der des Siemens Elektromotorenwerks in Mohelnice sind 550 Masken täglich für das Gesundheitsministerium geplant |
Technická univerzita Liberec (TUL) | Nanotextilien und Nanotextilmasken | Die Nanotextilien werden auf zwei Labormaschinen mit einer Tageskapazität von etwa 14.000 Masken produziert |
Nanologix, Litvínov | Atemschutz-Halbmaske mit Filter und patentiertem Ventil | 2020 sollen pro Monat 50.000 Masken und 150.000 Filter produzieren werden; geplant ist eine Expansion in die USA |
Pardam, Roudnice nad Labem | Atemschutzmasken mit Nanofiltern der Stufe FFP3 | Neue Linie mit Kapazität von 500.000 Stück pro Monat ab Mai 2020 |
Nafigate Corporation, Prag | Nanofasermembranen für Schutzmasken und Respiratoren der Stufen FFP1 bis 3 | Die Umsetzung soll in 6 bis 9 Monaten möglich sein. |
Quellen: Nachrichtenagentur ČIA News, Unternehmensmeldungen
Der große Druck, die Infektionskurve flach zu halten, verleiht manchen Projekten Flügel. Binnen einer Woche entwickelte das Institut für Informatik, Robotik und Kybernetik CIIRC der Tschechischen Technischen Universität ČVUT in Teamarbeit mit dem Spezialisten für Pumpen und externe Filter, Sigma Group, eine Halbgesichts-Schutzmaske CIIRC RP95 mit dem höchsten Sicherheitsstandard FFP3 und austauschbarem externen Filter. Sie wurde im Krankenhaus getestet und im Eiltempo zertifiziert.
Ende März 2020 ist der Druck auf 3D-Druckern mit Multi Jet Fusion im Siemens Werk für Elektromotoren in Mohelnice angelaufen. Täglich entstehen dort über 40 Exemplare. Die Firma 3 Dees Industries koordiniert die Produktion und setzt die Masken zusammen. Insgesamt gibt es sieben Druckbetriebe, die in Tschechien mit der Multi Jet Fusion-Technologie arbeiten. Zusammen können sie pro Tag 550 dieser Respiratoren herstellen. Produktion, Fertigstellung und Distribution im Gesundheitswesen werden vom Gesundheitsministerium kontrolliert. Das CIIRC bietet sein entwickeltes Modell in Form einer freien Lizenz zur weltweiten Nutzung an. Eine Ganzgesichtsmaske ist in Arbeit.
Das Produkt der 3D-Druckmaske gehört zu den Vorzeigeprojekten einer neuen Plattform, die in dieser Krise Unternehmen mit dem Staat und untereinander verbindet. Auslöser war der Notstand bei den Schutzausrüstungen. Doch ist jedes Produkt, jede Lösung und jede Technologie willkommen, die verhindert, dass sich Covid-19 unkontrolliert verbreitet. Unter dem Motto „Wir verbinden Tschechien“ (Spojujeme Česko) haben das Ministerium für Industrie und Handel und die Investitionsförderagentur CzechInvest diese offene Plattform ins Leben gerufen. Sie spiegelt die Kreativität, mit der in Tschechien Unternehmen, Wissenschaftler, Universitäten, Selbstständige, Start-ups, Spin-offs und staatliche Institutionen auf die neue Herausforderung durch das Coronavirus reagieren.
Aus der Krise geboren finden sich hier zum Beispiel die neue Website CoVPoint, auf der Firmen sich mit Schutzausrüstungen und -mitteln aushelfen können; die nationale Covid-19-Informations-Hotline 1212; verschiedene interaktive Karten; die Informationstechnologie-Initiative Data gegen Covid; das Projekt Dezinfekce, bei dem schon über ein Dutzend Unternehmen mitmachen, die Desinfektionsmittel nach dem Rezept der Weltgesundheitsorganisation herstellen; der Hackathon Hack the Crisis; die Initiative Pomáhame 2020 (Wir helfen 2020), die für das Land Autarkie bei der Versorgung mit Atemschutzmasken anstrebt.
Offiziell eingeweiht wurde Spojujeme Česko am 28. März 2020 mit einem Benefizkonzert der Tschechischen Philharmonie für Krankenhäuser in Prag und Brno. Es stand im Zeichen der neuen Corona-Zeit. Fernsehen und Rundfunk übertrugen das Konzert aus dem leeren Saal des weltbekannten Rudolfinum. Auf der Bühne wechselten sich die Konzertierenden ab, nie mehr als drei auf einmal – alle mit Mundschutz.