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Branchen | Tschechische Republik | Fahrzeugbau
Die wichtigste tschechische Industriebranche muss 2020 ihre schwerste Rezession bewältigen, ohne die Transformation hin zu emissionsarmen Technologien aus dem Auge zu verlieren.
01.09.2020
Von Miriam Neubert | Prag
Das Jahr 2020 hatte vielversprechend begonnen. Vor dem Hintergrund eines von Produktion und Umsätzen her noch einmal sehr positiven Vorjahres legten die tschechischen Kraftfahrzeughersteller zunächst zu. Doch brachte der Einzug des Coronavirus nach Europa dann so massiv Sand ins Getriebe, dass die Branche zeitweilig herunterfuhr.
Obwohl die fünf Werke der am Standort produzierenden Pkw-Hersteller seit Ende April wieder laufen und sich die Produktion allmählich erholt, wird der Ausstoß weit unter dem von 2019 mit 1,42 Millionen Einheiten bleiben. Der Verband der Automobilindustrie AutoSAP rechnete im August für das Gesamtjahr 2020 mit einem Rückgang um mindestens ein Fünftel. Fast alles hängt von den Auslandsmärkten ab, da der Großteil der Fahrzeuge in den Export geht.
Kategorie | 2019 | Veränderung 2019/2018 | 1. Halbjahr 2020 | Veränderung 1. Halbjahr 2020/1. Halbjahr 2019 |
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Pkw | 1.427.563 | -0,7 | 503.615 | -32,6 |
Lkw | 1.181 | 111,3 | 628 | 29,5 |
Busse | 5.217 | 6,7 | 2.231 | -11,9 |
AutoSAP verhandelt mit der Regierung über Maßnahmen, die die Wettbewerbsfähigkeit stützen - schnellere Abschreibungsmodi, direkte Investitionen in Technologie, Infrastrukturen, Forschung, Entwicklung und Ausbildung. Das Beschäftigungsprogramm Antivirus, eine tschechische Version der Kurzarbeit, hat die Regierung bis Ende Oktober 2020 verlängert. Es war ein wichtiges Anliegen der Autoindustrie.
Die Unsicherheit um Covid-19 und die Notstandsmaßnahmen haben den Pkw-Neuwagenmarkt schwer mitgenommen. Doch fiel der Rückgang im 1. Halbjahr 2020 laut dem Europäischen Automobilherstellerverband ACEA mit -26 Prozent nicht so stark aus wie im Durchschnitt der Europäischen Union (EU) von -38 Prozent. Im Juli waren es in Tschechien keine zweistelligen Einbußen mehr (-9 Prozent).
In den ersten sieben Monaten wurden dem Verband der Autoimporteure SDA zufolge 26 Prozent weniger leichte Nutzfahrzeuge registriert und 41 Prozent weniger Lkw. Der Bus- und Motorradmarkt verzeichnete Zuwächse. Die Registrierung importierter Gebrauchtwagen fiel um ein Fünftel auf gut 84.500 Einheiten. Mehr als die Hälfte der Fahrzeuge hatte mehr als 10 Jahre auf dem Buckel, ein Fünftel sogar mehr als 15.
Autohändler haben nach fünf Wochen Zwangsschließung seit Ende April wieder geöffnet. Doch spielte die Stimmung im Sommer noch nicht mit. Durch die Zurückhaltung der Käufer bei Neuanschaffungen und die Einfuhr älterer Gebrauchtwagen ist das Durchschnittsalter der Autos auf Tschechiens Straßen im 1. Halbjahr 2020 auf über 15 Jahre angestiegen. Da es die Firmen sind, die mit 70 Prozent den Großteil der neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge registrieren, hängt viel von deren wirtschaftlicher Erholung ab.
Kategorie | 2019 | Veränderung 2019/2018 | 1. Halbjahr 2020 | Veränderung 1. Halbjahr 2020/1. Halbjahr 2019 |
---|---|---|---|---|
Pkw | 427.176 | -2,6 | 164.055 | -24,6 |
davon neue | 249.915 | -4,4 | 95.029 | -26,0 |
leichte Nutzfahrzeuge | 33.342 | 3,3 | 12.689 | -24,1 |
davon neue | 20.436 | 1,0 | 7.402 | -27,6 |
Lkw | 13.398 | 1,1 | 4.620 | -41,5 |
davon neue | 9.852 | -0,4 | 3.188 | -47,3 |
Busse | 1.660 | -1,2 | 808 | -8,0 |
davon neue | 1.220 | 1,4 | 686 | 5,4 |
Hinsichtlich der Modellklassen blieben auch in der Krise die SUV in den ersten sieben Monaten in Führung mit 35 Prozent des Pkw-Neuwagenmarkts. Es folgten mit je 17 Prozent das Segment Kleinwagen und untere Mittelklasse, die Mittelklasse mit 14 Prozent und Minivans mit 9 Prozent. Die Marke Škoda bleibt mit einem Anteil von 38 Prozent Favorit in ihrem Heimatmarkt. Danach kommen Hyundai und Volkswagen mit je 8 Prozent sowie Dacia mit 5 Prozent.
Bei den Antrieben hat sich der Absturz des Diesel nicht weiter fortgesetzt. Er hielt rund 29 Prozent des Marktes, die Benziner 66 Prozent. An dritter Stelle mit knapp 1 Prozent standen reine Elektroautos. Ihre Zahl hat sich auf 1.100 gegenüber dem Vorjahreszeitraum verdreifacht.
Batteriebetriebene Pkw laufen 2020 erstmals auch von tschechischen Bändern. Corona hat diesen Start ins Zeitalter der Elektromobiltät erschwert, aber nicht gestoppt. Als erstes Werk am Standort Tschechien hat Hyundai Motor Manufacturing Czech (HMMC) im März mit dem Kona Electric die serienmäßige Produktion eines reinen Elektromodells gestartet. Škoda Auto stellte Anfang September in Prag seinen ersten Elektro-SUV Enyak iV vor.
Dieser Wandel erfasst auch den Zuliefersektor, der vorrangig noch auf den Verbrennungsmotor ausgerichtet ist. Strategisch aber beginnen viele Unternehmen bereits zu diversifizieren, um in dem neuen Segment Teil der Wertschöpfungskette zu bleiben.
Um Tschechien im Wettbewerb um zukunftsfähige Mobilitätslösungen besser zu positionieren, arbeiten Staat und Autoindustrie an einer neuen Initiative - der Plattform Mobility Innovation Hub. Sie beruht auf einem gemeinsamen Memorandum. Das Ziel: globale innovative Mobilitätsprojekte an den Standort zu ziehen und im engen fachlichen Austausch mit Großunternehmen, Universitäten, Technologiefirmen, Startups und öffentlichen Stellen ein Netzwerk aufzubauen. Die Koordination obliegt CzechInvest.
Impulse für das autonome Fahren soll ein Katalog zu Testgebieten für autonome Fahrzeuge geben. Das Zentrum für Verkehrsforschung stellte ihn im Mai vor. Er liefert spezifische Informationen zu Abschnitten des tschechischen Straßennetzes und soll die Arbeit von Entwicklern, Softwareingenieuren und Technikern erleichtern. Ein wichtiges Investitionsprojekt startet BMW bei Sokolov. Der Automobilhersteller hat die Genehmigung für den Bau eines Entwicklungs- und Teststreckenzentrums erhalten, das auf 650 Hektar alternative Antriebe, autonomes Fahren und Digitalisierung erproben soll. Geplante Investition: 250 Millionen Euro.
Vorhaben | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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Werk zur Plastikteile-Produktion in Ovčáry | k.A. | Baubeginn 2020 | |
Halle für die Produktion von Kunststoffteilen und Armaturenbrettern in Janovice nad Úhlavou | k.A. | Baubeginn 2020 | |
Neues Werk zur Produktion von Kfz-Teilen in Dvůr Králové nad Labem | k.A. | Baugenehmigungsprozess läuft | |
Produktion von Ersatzteilen in Police nad Metují | k.A. | Baubeginn 2020 | |
Produktionshalle, Vergrößerung der Lagerfläche, Installation der Produktionsanlagen für Türfüllungen mit Antrieb für Fensterheber in Havraň | k.A. | Baubeginn 2020 | |
Shared-Services-Zentrum für Europa in Ostrava | k.A. | Im Bau, Eröffnung im Herbst 2020 | |
Halle für Lackiererei in Slaný | k.A. | Baubeginn 2020 | |
Produktionshalle für Autositze und -teile in Nýřany | 11,4 | Halle im Bau; Fertigstellung Ende 2020 | |
Erweiterung der Polymerverarbeitung um eine neue SMC-Linie in Milovice | k.A. | Im Betrieb ab 2021 |
Deutsche Hersteller haben laut dem Tschechischen Statistikamt 2019 mit einem Wert von 4,2 Milliarden Euro mehr als 40 Prozent der von Tschechien importierten Kfz-Komponenten in der Warenkategorie SITC 784 geliefert. Im 1. Halbjahr 2020 war es mit 1,4 Milliarden Euro ein Drittel weniger als im Vorjahreszeitraum. Insgesamt fielen die Einfuhren in dem Segment um 29 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro.
Ähnlich war der Rückschlag für Tschechiens Kfz-Zuliefersektor, in dem viele Niederlassungen deutscher Unternehmen agieren. Seine weltweiten Ausfuhren brachen um ein Drittel auf 4,9 Milliarden Euro ein. Ebenso stark fielen die Exporte nach Deutschland auf rund 2 Milliarden Euro.