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Die Coronakrise hat den Herstellern von Kraftfahrzeugen in Tschechien und ihren Lieferketten zugesetzt. Sie fordern schnelle Hilfen für den Neustart und Anreize für den Markt.
22.04.2020
Von Miriam Neubert | Prag
Im Zuge der Pandemie haben fast 90 Prozent der Branchenunternehmen in Tschechien seit Mitte März 2020 ihre Produktion eingestellt oder erheblich gedrosselt. Alle drei Pkw-Hersteller hatten ihre Werke für mehrere Wochen geschlossen. Dem Verband der Automobilindustrie AutoSAP zufolge wurden dadurch allein im März 47.452 Pkw weniger hergestellt als im selben Monat des Vorjahres. Das bedeutet einen Einbruch um 36 Prozent. Nach einem Zuwachs der Produktion im Januar und Februar sei es wegen der Pandemie zu einer erheblichen Störung eines ansonsten recht vielversprechenden Jahresstarts gekommen, heißt es in einer Pressemeldung des Verbandes.
Im 1. Quartal 2020 fielen die Zahlen um 11 Prozent auf rund 322.900 Pkw. Diese Kategorie macht mehr als 99 Prozent der tschechischen Kraftfahrzeugproduktion aus. Škoda Auto stellte 213.575 Pkw her. Das war gegenüber dem Vorjahreszeitraum 7,7 Prozent weniger. Bei TPCA (Toyota Peugeot Citroën Automobile) liefen nur 53.233 Autos von den Bändern, 9,4 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Hyundai (HMMC) produzierte mit 56.100 sogar 23 Prozent weniger. Die Bus- und Lkw-Fertigung zeigte nach oben, da Tatra Truck weiter produziert und Icevo Bus erst Ende März die Produktion runterfuhr.
„Insgesamt ist wegen der Stillstände im März und April mit einem Rückgang der Kraftfahrzeugproduktion in Tschechien um bis zu 170.000 Einheiten zu rechnen, circa 12 Prozent der Jahresproduktion“, beschrieb Bohdan Wojnar, der Präsident von AutoSAP, die Entwicklung. Er erwartet, dass dieser Rückgang sich im Lauf des Jahres ausprägen wird.
Die Umsatzeinbußen allein bei den drei Automobilherstellern schätzt der Verband auf mehr als 50 Milliarden Tschechische Kronen (Kč; über 1,8 Milliarden Euro; Wechselkurs am 20.4.20: 1 Euro = 27,450 Kč) pro Monat. Bei den Zulieferern rechnet er mit einem Umsatzrückgang von 45 Prozent, was Ausfälle von mehr als 17 Milliarden Kč (0,6 Milliarden Euro) monatlich bedeutet. Bei diesen Umsatzausfällen werde es nicht bleiben, da eine Rückkehr zum normalen Lauf der Dinge nicht zu erwarten sei, so Wojnar.
Eine Umfrage des Verbandes ergab, dass schon im März 15 Prozent der Betriebe Mitarbeiter entlassen haben. Im April 2020 sollen sich bereits 42 Prozent der Firmen mit der Frage befasst haben. Fast die Hälfte der in der Branche beschäftigten 170.000 Menschen konnten nicht oder nur eingeschränkt arbeiten. Die Unternehmen wünschen sich daher eine Verlängerung des Kurzarbeiterprogramms Antivirus, ein Bürgschaftsprogramm für große Unternehmen, ein einfacheres Regime zur Grenzüberschreitung bei Spezialisten und Pendlern sowie eine Unterstützung des Marktes (etwa über kürzere Abschreibungsfristen für Unternehmensflotten oder Investitionen in den öffentlichen Fuhrpark).
Die Lungenkrankheit Covid-19 und jede Menge Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung haben den tschechischen Neuwagenmarkt sehr mitgenommen. Er ist im März 2020 um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Von zweistelligen Rückgängen waren auch alle anderen Kategorien betroffen. Der April dürfte noch schlechter aussehen. Seit 20. April dürfen die Autosalons nach fünf Wochen der Zwangsschließung wieder öffnen. Sie registrierten aber weniger Interesse als in den Zeiten vor Corona. Weit mehr noch hängt die Branche von den Auslandsmärkten ab, da der Großteil der in Tschechien hergestellten Kraftfahrzeuge in den Export geht.
Nach einigen Wochen Zwangspause fährt die Autoindustrie ihre Werke schrittweise wieder hoch. Den Auftakt machte Mitte April 2020 Hyundai, aber mit einer statt drei Schichten. Škoda Auto bereitet alles für den 27. April vor. TPCA will am 4. Mai loslegen. Der Takt wird niedriger sein als zuvor. Nicht nur ist die Absatzlage schlecht. Es müssen verschärfte Hygieneauflagen beachtet werden, neben Schutzmasken, Desinfektion und Fiebermessen, ist das Einhalten von Abständen zwischen den Beschäftigten zu gewährleisten. Ähnliches gilt für den Zuliefersektor, der nicht nur in den Werken in Tschechien seine Kunden hat, sondern in ganz Europa und weltweit.