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Der IT-Park UNIT.City soll zu einem wichtigen Zentrum der ukrainischen IT-Branche werden. Es laufen umfassende Baumaßnahmen. Die EIB unterstützt das Projekt.
19.02.2021
Von Fabian Nemitz | Kiew
Grammarly, Petcube, Reface, People.ai - die Ukraine verfügt über eine beachtliche Start-up-Szene und zählt zu den wichtigsten Ländern für IT-Outsourcing weltweit. Im Coronajahr 2020 konnte die Branche den Export von IT-Dienstleistungen um 20,4 Prozent auf 5 Milliarden US-Dollar (US$) steigern, meldet der Verband IT Ukraine Association. Im Jahr 2016 hatten die Exporte noch bei knapp 2 Milliarden US$ gelegen.
Grundlage dieser Erfolgsgeschichte ist die große Zahl an IT-Talenten, die Freiheit vor staatlichen Eingriffen und ein liberales Steuersystem. Der Großteil der IT-Fachkräfte arbeitet selbständig und zahlt eine Einkommensteuer von nur 5 Prozent. Dadurch konnte die Abwanderung von Fachkräften gestoppt werden.
Dennoch bestehen weiter Barrieren für die Entwicklung der IT-Branche. Dies liegt vor allem an Mängeln im Investitionsklima und dem Fehlen günstiger Finanzierungen. Erfolgreiche Start-ups aus der Ukraine verlagern ihren Firmensitz meist ins Ausland. Hinzu kommt ein weiterer Faktor, sagt Dominique Piotet, der Leiter des im April 2017 gegründeten IT-Parks UNIT.City in Kiew:
"Das technische Know-how und Talent der IT-Fachkräfte in der Ukraine ist höchstes Weltniveau, woran es fehlt, sind Kenntnisse in den Bereichen Marketing und Business-Entwicklung."
Die IT-Branche in der Ukraine zu fördern und den Brain-Drain von Talenten und Firmen zu stoppen, ist Ziel des IT-Parks UNIT.City, der auf dem Gelände eines ehemaligen Motorradwerks inmitten der Hauptstadt Kiew entsteht. Der IT-Park verfügt über Büro-, Veranstaltungsflächen und Entwicklungszentren und bietet den Residenten und externen Firmen ein weites Spektrum an Dienstleistungen und Trainings. Wichtige Elemente sind die Unit School of Business, das Startup-Mentoring-Programm NEST und das Projekt UCode, im Rahmen dessen Schüler gegen ein geringes Entgelt Programmieren lernen können.
Aktuell verfügt UNIT.City über 108 Residenten, darunter den Taxidienst Bolt, Agrohub, den Venture Capital-Fonds WeFund Ventures und das von der amerikanischen Snapchat übernommene ukrainische Start-up AI Factory. Vertreten sind auch die großen ukrainischen Unternehmen MHP (Geflügelzucht), DTEK (Stromkonzern) und Metinvest. Der IT-Park bietet ausländischen Firmen Unterstützung beim Markteinstieg in der Ukraine an. Bislang stammen rund 14 Prozent der Firmen aus dem Ausland.
Bislang ist nur ein kleiner Teil der Gesamtfläche von 25 Hektar mit Gebäuden von UNIT.City bebaut. Noch dominieren die Werkshallen des ehemaligen Motorradwerks. Künftig soll UNIT.City aber zu einer grünen Smart City für 30.000 Einwohner werden. "Entscheidend ist, dass dabei ein eigenes Ökosystem entsteht, in dem Tech-Talente gerne arbeiten, leben und Möglichkeiten zur persönlichen und professionellen Entwicklung finden", sagt Piotet, der zuvor im Silicon Valley gearbeitet hat.
Unterstützung bei der Entwicklung des Parks erhält UNIT.City von der Europäischen Investitionsbank (EIB). Im Sommer 2020 genehmigte die Entwicklungsbank einen Kredit über 50 Millionen Euro. Der Kredit ist Teil des EU-Programms Horizon 2020. Mit den Geldern finanziert UNIT.City den Bau weiterer Gebäude.
Laut Aussage von UNIT.City setzt der IT-Park bei den Bauarbeiten auf deutsche Energieeffizienzstandards, die anspruchsvoller seien als LEED und BREAM.
Auch die ukrainische Firma Kovalska beteiligt sich am Ausbau des IT-Parks. Insgesamt 70 Millionen Euro will das Bau- und Baustoffunternehmen investieren, teils als Kredit, teils als direkte Beteiligung.
Gründer und Hauptaktionär von UNIT.City ist das Unternehmen UFuture des Unternehmers Vasyl Khmelnytsky. Weitere Partner sind die Bauunternehmen UDP und KAN Development. Laut Aussage von Piotet ist UNIT.City aktuell das größte Bauprojekt in Kiew.
Früheren Aussagen von Khmelnytsky zufolge sollen 700 Millionen bis 800 Millionen US$ in den Bau von UNIT.City fließen. Geplant ist unter anderem der Bau eines französischen Lycées für 700 Schüler, eines Krankenhauses, Hotels und weiterer Bildungs- und Freizeiteinrichtungen.
Der Ausbau von UNIT.City erfolgt ohne staatliche Hilfen. "Die Wahrung unserer Unabhängigkeit ist uns sehr wichtig", sagt Piotet. Hilfreich für die Umsetzung der Pläne des IT-Parks - nicht zuletzt als grünem Stadtviertel - wäre aber ein besserer Anschluss an das U-Bahn-Netz. Hierzu beitragen könnte die Fertigstellung der in den 90er-Jahren geplanten, aber nicht ausgebauten Metrostation Herzena, die zwischen den Stationen Luk'janiwska und Dorohoshytschi liegt.
Zur weiteren Entwicklung des IT-Parks und Förderung der Branche verfolgt UNIT.City Pläne zur Einrichtung eines Fonds mit einem Volumen von 100 Millionen Euro. Hierbei hofft der IT-Park auf weitere Unterstützung seitens der EU und ihrer Entwicklungsbanken. Auch in Charkiw und Lemberg (Lwiw), weiteren wichtigen Zentren der ukrainischen IT-Branche, entstehen Tochterparks von UNIT.City.
Laut dem Portal DAXX verfügt die Ukraine insgesamt über 184.700 Software-Entwickler. Damit liegt das Land an dritter Stelle in Ostmittel- und Osteuropa (Russland: 368.291; Polen: 254.682). Bis 2024 könnte die Zahl auf 242.000 ansteigen. Laut dem Portal DOU verdienten Software-Entwickler in Kiew im Dezember 2020 im Schnitt 2.400 US$ pro Monat. Dem Portal Startup Blink zufolge lag Kiew 2020 weltweit auf Rang 32 im "Startup Ecosystem Ranking". Auf den weiteren Plätzen folgten Lemberg (354), Odessa (356), Charkiw (441), Ternopil (724) und Dnipro (803).