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Investitionen in die Cybersicherheit unterstützen in den USA alle föderalen Ebenen. Deutsche Anbieter entsprechender Produkte weiten ihren Vertrieb dort aus.
10.03.2020
Von Heiko Steinacher | San Francisco
Eine branchenübergreifende Umfrage von ABI Research unter 1.000 amerikanischen IT-Experten legt nahe, dass viele US-Firmen 2020 deutlich mehr Geld als bisher für die Cloud-, Daten- und Netzwerksicherheit aufwenden werden. Ähnliches berichtete zuletzt das Wall Street Journal: Danach plane der IT- und Beratungskonzern IBM dafür Mehrausgaben im zweistelligen Prozentbereich, der Spirituosenhersteller Brown-Forman um 8 bis 10 Prozent. Nach Analysen des Marktforschungsunternehmens Gartner geben US-Unternehmen bislang im Schnitt rund 5 bis 8 Prozent ihres IT-Budgets für Cybersicherheit aus. Im verarbeitenden Gewerbe sind es 2 bis 4 Prozent, bei Finanzdienstleistern 10 bis 15 Prozent.
Gefragt sind unter anderem Echtzeitübersichten über Aktivitäten im Unternehmensnetzwerk und tiefgreifende Risikoanalysen. Auch deutschen Anbietern können sich dadurch große Geschäftschancen eröffnen. „US-Wettbewerber konzentrieren sich weitgehend auf Konzernlösungen“, sagt Axel Peters, Executive Sales Manager von baramundi software USA. Das Augsburger Unternehmen hat vor knapp drei Jahren eine Vertriebs- und Supportniederlassung in Framingham bei Boston eröffnet. „Unsere Unified-Endpoint-Management-Lösung orientiert sich vielmehr am Bedarf mittelständischer Firmen. Zu unseren US-Kunden zählen vor allem Banken, Versicherungen, Krankenhäuser und andere Unternehmen mit hohen Datenschutzanforderungen, die nicht in die Cloud gehen“, erklärt Peters.
Auch Newcomer auf dem US-Markt sehen dort ein großes Marktpotenzial. Jürgen Ruf, der Vorstandvorsitzende von MTG, ist zuversichtlich: „Viele Unternehmen unterhalten in den USA wissenschaftsintensive Bereiche – wir hoffen, dass wir mit unserer Kryptografiesoftware schon bald unser erstes US-Pilotprojekt lancieren können.“ Der Darmstädter Hightechanbieter hat sein Angebot daher in diesem Jahr am German Pavilion auf der internationalen Leitmesse für IT-Sicherheit RSA präsentiert.
Um den US-Markt tiefer zu durchdringen, behelfen sich deutsche Anbieter oft über Partnerschaften mit OEM-Kunden (Original Equipment Manufacturer). Dabei verlockt nicht nur die schiere Marktgröße und die Menge potenzieller, solventer Kunden und Partner. „Gerade kleine Firmen können dadurch mehr Aufmerksamkeit von Wagniskapitalgebern erlangen und im Erfolgsfall dann schneller wachsen“, sagt Oliver Bezold, Marketing Manager bei NCP engineering.
„Die meisten deutschen Anbieter wollen in den USA einen Vertrieb aufbauen und die Produktentwicklung in Deutschland behalten“, meint Norbert Pohlmann, geschäftsführender Direktor des Instituts für Internet-Sicherheit an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen. Und fügt hinzu: „In vielen Cybersicherheitsbereichen gibt es gute spezialisierte deutsche Firmen, darunter Authentifizierung, Blockchain, computergesteuerte Intelligenz und Verschlüsselung. Für diese bietet der Unternehmensmarkt in den USA große Chancen.“ Dass am German Pavilion auf der RSA in diesem Jahr nicht weniger als 27 Unternehmen und Institutionen vertreten waren, verwundert daher nicht.
Branche (NAICS-Code*) | Sicherheitsrelevante Zwischenfälle | .davon große | Sicherheitsbrüche | .davon große |
Insgesamt, darunter | 41.686 | 27.024 | 2.013 | 363 |
.Bauwesen (23) | 31 | 13 | 11 | 3 |
.Weiterbildung (61) | 382 | 11 | 99 | 8 |
.Finanzen und Versicherungen (52) | 927 | 64 | 207 | 19 |
.Gesundheitswesen und Soziales (62) | 466 | 40 | 304 | 25 |
.Information (51) | 1.094 | 37 | 155 | 18 |
.Verarbeitendes Gewerbe (31 bis 33) | 352 | 220 | 87 | 22 |
.Bergbau, Gewinnung von Öl und Gas (21) | 28 | 6 | 15 | 5 |
.Öffentliche Verwaltung (92) | 23.399 | 22.930 | 330 | 83 |
.Immobilien, Vermietung und Leasing (53) | 22 | 5 | 14 | 3 |
.Einzelhandel (44 bis 45) | 234 | 31 | 139 | 19 |
.Transport und Lagerung (48 bis 49) | 112 | 23 | 36 | 9 |
.Dienstprogramme (22) | 23 | 7 | 8 | 0 |
Ein hoher Bedarf an Sicherheitstechnologien besteht auch in kritischen Infrastrukturbereichen. Der Hersteller intelligenter Videoüberwachungsgeräte PureTech Systems hat in den letzten Monaten gleich in mehreren US-Kraftwerken eine neue Software installiert, die unbefugte Zugriffe erkennt. Weitere Kraftwerke sollen in diesem Jahr dazu kommen.
Nach Analysen der Cybersicherheitsfirma Dragos haben es Hacker immer öfter auf den US-amerikanischen Stromsektor abgesehen. Im März 2019 kam es in Los Angeles und Salt Lake City infolge von DDoS-Attacken (Distributed-Denial-of-Service), bei denen Anfragen von einer Vielzahl von Quellen ausgehen, zehn Stunden lang zu Betriebsunterbrechungen bei elektrischen Anlagen. Trotz der bereits hohen Sicherheitsstandards gebe es noch viel Investitionsbedarf, betonen Fachleute. Mit dem zunehmenden Einsatz von intelligenten Stromzählern, Sensoren, „smarten“ Thermostaten und App-gesteuerten WLAN-Geräten rücken auch private Haushalte stärker in den Fokus der Anbieter.
Auch mit der Weiterentwicklung autonom fahrender Autos, digitaler Assistenten und vernetzter Haushaltsgeräte steigt der Bedarf an Sicherheitstechnologien. Uber und Hyundai wollen bereits in diesem Jahr Flugtaxis testen und den Service schon bis 2023 kommerziell anbieten. Ob die US-Luftfahrtbehörde FAA (Federal Aviation Administration) so schnell den Weg dafür frei machen wird, ist zwar fraglich, aber klar ist, dass diese Entwicklungen erhebliche Anforderungen an die Luftsicherheit stellen. Hoher Sicherheitstechnikbedarf besteht auch für US-Seehäfen und für den Grenzschutz.
Um die maroden Straßen, Flughäfen und Brücken des Landes zu sanieren, will US-Präsident Donald Trump ein Infrastrukturpaket über eine Billion US-Dollar (US$) und einer Laufzeit von zehn Jahren auf den Weg bringen. Die Cybersicherheit wird hierbei voraussichtlich eine wichtige Rolle spielen. Die in Trumps Haushaltsentwurf 2021 enthaltenen Ausgaben für die Cybersicherheit summieren sich auf rund 18,8 Milliarden US$. Gut die Hälfte davon entfällt auf das US-Verteidigungsministerium (Department of Defense, DOD), dahinter folgt das US-Heimatschutzministerium (Department of Homeland Security; DHS). Nach einem Gesetzentwurf von Januar 2020 soll das DHS ein bundesweites Cybersicherheitsprogramm etablieren.
New York City startete im Februar 2020 ein neues Entwicklungszentrum. Dieses richtet sich vor allem an Technologie-Start-ups, die Cybersicherheitslösungen für Banken und das Gesundheitswesen anbieten. Der neue International Cyber Center ist Teil von Cyber NYC, einer 100 Millionen US$ schweren öffentlich-privaten Partnerschaft, die 2017 lanciert wurde und mit der 10.000 neue Stellen im Bereich Cybersicherheit geschaffen werden sollen.