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Branchenbericht USA IKT, übergreifend
San Francisco (GTAI) - Im US-Konsumgüterbereich hat sich Virtual Reality (VR) bisher vor allem im Gaming etabliert. Mit dem Ausbau des 5G-Netzes ergeben sich große Potenziale für weitere Anwendungen.
22.01.2020
Die Konsumausgaben in den USA für Technologien der Artificial Reality (AR) und Virtual Reality (VR) summierten sich laut dem Finanzdienst MarketWatch 2018 auf etwa 6,4 Milliarden US-Dollar (US$). Das war zwar mehr als doppelt so viel wie in Europa, Nahost und Afrika zusammen. Dennoch ist der große Marktdurchbruch bislang ausgeblieben. Für stärkeres Wachstum dürften in den nächsten Jahren vor allem VR-Anwendungen im Unterhaltungs- und Gesundheitsbereich sorgen, zum Beispiel computerbasiertes Hirntraining.
Den VR-Markt führen Technologieriesen aus dem Silicon Valley an, darunter Facebook, Google, Nvidia und Snap. Auch Studios wie AMC, Disney, Sony, Time Warner und Netflix experimentieren mit VR. Deutsche Unternehmen investieren ebenfalls zunehmend in VR-Technologien. Zu diesen gehört pmdtechnologies: Das Unternehmen aus Siegen unterhält ein Entwicklungs- und Vertriebsbüro im Silicon Valley und entwickelt gemeinsam mit Infineon Time-of-Flight-Sensoren. Damit lässt sich die Zeit berechnen, die Licht bis zu einem Gegenstand und wieder zurück zum Sensor braucht. Solche Sensoren werden unter anderem für die Gestensteuerung und Umfelderkennung eingesetzt.
"Unser US-Geschäft läuft gut, allerdings befinden sich AR/VR-Anwendungen im Verbrauchermarkt - abgesehen vom Gaming Bereich - noch in der Entwicklungsphase", sagt Mitchell Reifel, Vice President Business Development & Sales bei pmdtechnologies USA. Der Mobilfunkstandard 5G werde die Marktentwicklung erheblich beschleunigen. Darüber hinaus müssen die Anwendungen "cool" und modisch sein und die Geräte immer kleiner werden. Bis sich AR/VR im Consumer-Bereich stärker durchsetzt, wird es nach Reifels Einschätzung noch drei bis fünf Jahre dauern.
Alexander Gruber, Gründer und Chief Executive Officer (CEO) von colorfy, ist noch etwas zurückhaltender und rechnet mit fünf bis zehn Jahren. Aufholbedarf bestehe sowohl bei der Technologie als auch bei VR-Inhalten. Grubers Design-Entwicklungsagentur aus Berlin entwickelt digital verbundene Produkte, auch für VR-Anwendungen wie animierte Erklärungen zu Produkten über mobiles VR oder stationäre interaktive 3D-Produktpräsentationen.
Die Unternehmen pmdtechnologies und colorfy zählten zu den wenigen deutschen Firmen auf der Consumer Electronics Show (CES), die vom 7. bis 10. Januar 2020 in Las Vegas stattfand. Laut der Ausstellerübersicht auf der CES-Website machten deutsche weniger als 1,5 Prozent der Aussteller insgesamt (über 4.400) aus.
Auch die Tech-Riesen Apple und Facebook rechnen in den 2020er Jahren mit dem Marktdurchbruch für VR. Zwei Apple-Patente legen nahe, dass der Konzern an einer AR/VR-Brille arbeitet. Beobachter erwarten, dass sie frühestens 2022 auf den Markt kommen und zunächst für Spiele und Anwendungen in der Berufswelt bestimmt sein wird. Softwareentwickler könnten 2021 die ersten Apps für das Headset entwickeln. Mit der Plattform ARKit will Apple es Entwicklern ermöglichen, die Technik ohne größeren Aufwand in ihre Apps zu integrieren. Auch Facebook entwickelt zur Zeit eine AR/VR-Brille, die voraussichtlich 2023 erscheinen wird.
Immer mehr Warenhäuser, Einkaufszentren und Freizeitanlagen integrieren VR-Angebote, vor allem solche der Ausrüster The Void, Dreamscape und Sandbox. Dabei bemühen sich die Highend-VR-Spielhallen, das VR-Erlebnis um Zusatzelemente, wie Gerüche, zu bereichern. Risikokapitalgeber, Filmstudios, Kinoketten und Prominente haben in die beiden US-Start-ups Dreamscape und The Void hohe Beträge investiert.
Zukünftig dürften AR und VR erheblich von 5G profitieren. Denn käme die Rechenleistung über die Cloud, könnten VR-Headsets drahtlos und leistungsfähiger sein. Die Mobilfunkbetreiber Verizon und AT&T führen 5G-Netze in den USA ein. Allerdings bieten die beiden US-Marktführer bisher nur kleinere 5G-Netze an. Auf Platz drei folgt der US-Ableger von T-Mobile, der nach der geplanten Übernahme des kleineren Wettbewerbers Sprint sein 5G-Netz erweitern will.
Auch wenn es noch eine Weile dauern wird, bis 5G-fähige VR-Produkte in der Breite auf den Markt kommen, denken die Unternehmen längst darüber nach. HTC hat einen 5G-Hub angekündigt, der Medieninhalte direkt an VR-Headsets streamen können soll. Facebook, Microsoft und Magic Leap werden voraussichtlich bald damit beginnen, 5G in ihre Headsets zu integrieren.
Icaros aus dem oberbayerischen Martinsried hat offenbar schon heute den Nerv des Publikums getroffen, auch ohne 5G. Das jedenfalls legt das rege Interesse am Firmenstand auf der CES 2020 nahe. Icaros verbindet Fitness-Hardware mit Gaming. "Ein bedeutender Anteil der Anfragen zu unseren Produkten kommt aus den USA, auch der Großteil unserer Website-Visits", sagte Johannes Scholl, CEO und Mitbegründer des Experience-Unternehmens, im GTAI-Gespräch am Messestand. "Alle Geräte, die wir hier ausstellen, haben wir bereits an US-Kunden verkauft", fügt er hinzu.
Auch die Reisebranche will sich VR zunutze machen. So bietet die US-Dependance des deutschen Fernbusunternehmens Flixbus auf sechs Routen durch Arizona, Nevada und Kalifornien VR-Brillen an. Das Angebot gilt aber nur für Fahrgäste, die einen der vordersten Sitze auf dem oberen Deck des Busses reserviert haben.
Große Potenziale für VR-Anwendungen bieten auch Unternehmen, unter anderem in der Produktentwicklung, Ausbildung und im E-Commerce. Aber auch der öffentliche Sektor: So berichten US-Medien, dass bis 2024 für Smart-City-Projekte VR-Technologien im Wert von 330 Millionen US$ eingekauft werden sollen. Die größten VR-Schlüsselbereiche werden Industrieautomation, Luft- und Raumfahrt, die Bauindustrie sowie das Bildungs- und Gesundheitswesen sein, sagen Experten.
Realitätsnahe patientenspezifische Anatomiemodelle werden in Zukunft enorme Möglichkeiten bieten, unter anderem bei minimal-invasiven Eingriffen und nicht invasiver Bestrahlungstherapie. Doch kommt VR-Technologie im US-Gesundheitswesen schon heute zum Einsatz, zum Beispiel bei der Behandlung von Phobien. Darauf hat sich das Virtual Reality Medical Center in San Diego, Kalifornien, spezialisiert. Zahlreiche US-Start-ups, vor allem in der San Francisco Bay Area, entwickeln VR-Lösungen für den Gesundheitsbereich, darunter SyncThink und Vivid Vision. Andere bekannte VR-Start-ups sind Meridian aus Irvine bei Los Angeles und Osso VR aus Boston.
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