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Marktentwicklungen und -trends
Bestimmte Medizintechniksparten profitieren von der Coronakrise. Deutschland bleibt der wichtigste Lieferant. Mangelnde Intensivbetten sind eine große Hürde
09.02.2024
Von Michaela Balis | Athen
In den Jahren der griechischen Wirtschaftskrise (2008-2018) wurde das Gesundheitssystem kaputtgespart. Die griechischen Gesundheitsausgaben gingen seit 2010 um rund ein Drittel zurück. Der Markt brach 2010 bis 2015 um jährlich um etwa 12 Prozent ein, nahm aber im Zeitraum 2016 bis 2019 wieder moderat um jährlich 2 bis 3 Prozent zu, so der griechische Verband der Medizintechniklieferanten SEIV.
Die griechische Wirtschaft brach 2020 coronabedingt um rund 8 Prozent ein. Für 2021 prognostiziert die Europäische Kommission ein leichtes Wirtschaftswachstum von etwa 3 Prozent. Ob sich diese Prognose bewahrheitet, hängt weitgehend von der Entwicklung der Pandemie ab. Da der Einbruch der Wirtschaftskraft auf die Pandemie zurückzuführen ist, beeinflusst er nur bedingt den Medizintechnikmarkt.
Die Pandemie sorgt für mehr Nachfrage in bestimmten Sparten, zum Beispiel bei Medizinmöbeln, Sterilisatoren, Beatmungsgeräten sowie Röntgen- und Diagnosegeräten. In anderen Bereichen, die nicht mit der Pandemie in Verbindung stehen, ließ die Nachfrage nach, wie beispielsweise für orthopädische oder ophthalmologische Instrumente, melden Marktexperten. Der Markt für Medizintechnik ist 2020 moderat zwischen 3 und 4 Prozent gestiegen, so die Schätzungen von Marktexperten. Für 2021 wird ein weiteres Wachstum von rund 3 Prozent erwartet.
Bild vergrößernDeutschland ist wichtigster Lieferant von Medizintechnik
Auch in der Importstruktur ist der Abdruck der Pandemie zu erkennen. Die gesamten Medizintechnikimporte aus Deutschland legten 2020 um rund 6,5 Prozent zu. Die Lieferung von Therapie- und Beatmungsgeräten stiegen fast um die Hälfte. Die Importe von Elektrodiagnosegeräten wuchsen um fast ein Drittel. Außerdem wurde etwa ein Fünftel mehr Sterilisatoren importiert.
Deutschland liefert mehr als ein Fünftel aller Medizintechnikprodukte. Der Anteil bei zahnmedizinischen Instrumenten, Elektrodiagnosegeräten und Röntgenapparaten steigt auf rund 40 Prozent. Die Niederlande stehen an zweiter Stelle, gefolgt von Belgien. China nimmt den vierten Platz ein, mit einem Anteil von rund 8,5 Prozent an den Gesamtimporten. Mehr als die Hälfte der importierten Rollstühle, knapp 30 Prozent der Beatmungsgeräte sowie rund 15 Prozent der Medizinmöbel stammen aus China.
Einfuhr ausgewählter medizintechnischer Produkte nach Griechenland (in Millionen Euro, Anteil und Veränderung in Prozent)
SITC | Produktgruppe | Einfuhr 2020 | Veränderung 2020/19 | davon aus Deutschland |
---|---|---|---|---|
774.1 | Elektrodiagnoseapparate und -geräte | 50,7 | 26,0 | 36,7 |
774.2 | Röntgenapparate etc. | 47,3 | 9,5 | 37,9 |
741.83 | Sterilisierapparate | 3,1 | 60,7 | 1,5 |
785.31 | Rollstühle | 2,8 | 5,2 | 7,0 |
872.1 | Zahnmedizinische Instrumente; a.n.g. | 22,1 | -2,6 | 39,5 |
872.21 | Spritzen, Nadeln, Katheter, Kanülen etc. | 107,1 | -6,4 | 21,0 |
872.25 | Ophthalmologische Instrumente | 13,1 | -4,4 | 22,0 |
872.29 | Andere Instrumente, Apparate und Geräte | 175,9 | 1,3 | 17,0 |
872.3 | Therapiegeräte, Atmungsgeräte etc. | 41,5 | 91,8 | 15,2 |
872.4 | Medizinmöbel etc. | 14,1 | 49,5 | 9,3 |
899.6 | Orthopädietechnik, Prothesen etc. | 134,2 | -11,6 | 20,0 |
Summe | 611,9 | 2,8 | 22,1 |
Ausbau des Gesundheitswesens
Das griechische Gesundheitswesen war durch die zehnjährige Wirtschafts- und Finanzkrise nicht für eine Pandemie gewappnet. Die größte Hürde war die geringe Anzahl der Intensivbetten. Mit sechs Betten pro 100.000 Einwohner schnitt Griechenland schlecht ab.
Dank großzügiger Schenkungen seitens zahlreicher Unternehmen und gemeinnütziger Stiftungen standen bis März 2021 rund 1.300 Intensivtherapieplätze bereit. Auch Beatmungsgeräte und nötige medizintechnische Produkte wurden den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt.
Mehrere Krankenhäuser investierten seit Ausbruch der Krise in neue Intensivtherapieplätze sowie in die Anschaffung medizintechnischer Ausrüstung. So zum Beispiel öffentliche Krankenhäuser in Patras, Thessaloniki, Grevena, Kastoria, Kozani, Ptolemaida, Florina und Alexandroupolis. Die Anschaffungen werden von den Regionen entweder über das Programm der öffentlichen Investitionen oder über das EU-Partnerschaftsprogramm finanziert. Im Mittelpunkt steht die Anschaffung von Medizinmöbeln, Laser- und Röntgenapparaten, von Monitoring-Systemen sowie von Beatmungs- und Diagnosegeräten sowie Sterilisatoren.
Aktuelle Investitionsvorhaben im Gesundheitssektor in Griechenland (Auswahl; Investitionssummen in Millionen Euro)
Projekt | Investitionssumme |
---|---|
4,3 | |
3,1 | |
2,2 | |
1,8 | |
1,6 | |
1,5 | |
0,2 |
Die Nationale Organisation für Gesundheitsdienstleistungen (EOPYY) wurde 2011 gegründet und damit eine einheitliche Krankenkasse geschaffen. Über den EOPYY nehmen die Griechen die vom Staat finanzierten Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch. Auch private Gesundheitsdienstleister arbeiten mit EOPYY zusammen und werden anhand vorbestimmter Preise und Honorare entlohnt.
In Griechenland gibt es eine allgemeine Krankenversicherungspflicht, die einen Zugang zur Primärversorgung und zur spezialisierten stationären und ambulanten Versorgung bietet. Die Primärversorgung in Griechenland ist unzureichend und schlecht organisiert, informiert die Studie „Das neue Nationale Gesundheitssystem“ des Think Tank Dianeosis. Seit 2016 haben alle Einwohner Zugang zum nationalen Gesundheitssystem, unabhängig davon, ob sie versichert sind oder nicht. Das gilt auch für Flüchtlinge im Land.
Rund 40 Prozent der Gesundheitsausgaben werden privat finanziert
Die gesamten Gesundheitsausgaben lagen in Griechenland 2019 bei 14,6 Milliarden Euro, etwa ein Drittel unter dem Niveau von 2010, so die Studie Health Statistics 2019 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die gesamten Gesundheitsausgaben pro Kopf fielen auf etwa 1.361 Euro, was nur 28 Prozent der in Deutschland getätigten Ausgaben entspricht, so die OECD. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben pro Kopf schrumpften zwischen 2010 und 2019 um etwa 40 Prozent, während die privaten Ausgaben im gleichen Zeitraum um rund 20 Prozent zurückgingen.
Während beim Ausbruch der Krise 2010 die gesamten Gesundheitsausgaben etwa 9,5 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprachen, fiel ihr Anteil 2019 auf rund 7,8 Prozent, meldet die OECD. In Deutschland liegen sie bei etwa 11 Prozent des BIP. Die absoluten Zahlen sind nicht vergleichbar. Während das BIP Griechenlands 2019 rund 183,4 Milliarden Euro erreichte, waren es in Deutschland etwa 3.449 Milliarden Euro. Die griechische Wirtschaftsleistung ist in den Krisenjahren 2008-2018 um rund ein Viertel eingebrochen.
Rund 60 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben entfielen auf die öffentlichen Gesundheitsausgaben. Knapp 40 Prozent stammten aus privaten Aufwendungen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der private Anteil bei nur 16 Prozent.
An Krankenhäusern zählt Griechenland insgesamt 271 Stück (Stand 2018). Etwa zwei Drittel der Betten befindet sich in öffentlichen Krankenhäusern. Außerdem sind in Griechenland nach einem Bericht der EU-Kommission von 2017 rund 3.500 private Diagnostikzentren in Betrieb.
Rund 42 Prozent der gesamten Ausgaben werden für die stationäre Gesundheitsversorgung ausgegeben (Stand 2017), so die Studie „Länderprofil Griechenland“ der Europäischen Kommission von 2019. Auf Arzneimittel und Medizinprodukte entfallen 31 Prozent und auf die ambulante Gesundheitsversorgung 22 Prozent. Ein nur sehr geringer Anteil fließt in die Langzeitbehandlung und in die Prävention. Private Krankenversicherung ist nicht weit verbreitet.
Etwa die Hälfte der Ausgaben für Medizinprodukte und Arzneimittel und ambulante Gesundheitsversorgung sowie ein Viertel der stationären Gesundheitsversorgung werden privat bezahlt. Das ist auf den Anteil der Versicherten an den Ausgaben für die Medikamente und die direkten Bezahlungen für private Arztdienste oder Diagnostikdienste zurückzuführen. Hinzu kommt die zahnmedizinische Gesundheitspflege, die fast ausschließlich privat finanziert wird. Nicht zu übersehen sind private Zahlungen in öffentlichen Krankenhäusern, die eigentlich nicht hätten sein dürfen, jedoch von der Studie aufgezeigt wurden.
Rahmendaten in Griechenland
Indikator | Wert |
---|---|
Einwohnerzahl (2020 in Mio.) | 10,4 *) |
Bevölkerungswachstum (2020 in % p.a.) | -0,5 *) |
Altersstruktur der Bevölkerung (Jahr) | |
Anteil der unter 14-Jährigen (in %) | 14,3 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %) | 22,3 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2019 in Jahren) | 81,7 |
Durchschnittseinkommen (Monatslohn 2019 in Euro) | 953,2 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (2019 in Euro) | 1.361,7 |
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2019 in %) | 7,8 |
Ärzte/100.000 Einwohner (2019) | 0,66 |
Zahnärzte/100.000 Einwohner (2019) | 0,13 |
Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2018), davon | 419,76 |
privat | 144,29 |
öffentlich | 275,47 |
Digital Health macht erste Schritte
Eingeführt sind bereits eine digitale Patientenakte, das elektronische Rezept und die Möglichkeit, digitale Arzttermine für die Primärversorgung zu buchen. Das griechische Gesundheitsministerium bietet die digitalen Dienste optional an. Interessierte Bürger tragen sich freiwillig im System ein und erhalten die Rezepte entweder als SMS oder per E-Mail. Im Rahmen der Coronakrise hat die elektronische Rezeptverschreibung zugenommen, zumal die Patienten einen Gang zu Arzt vermeiden wollten.