Branchen | Russland | Öl- und Gasindustrie
Russische Gaskonzerne engagieren sich für Nachhaltigkeit
Russlands Gasbranche will klimafreundlicher werden. Die Reduzierung des Methangasausstoßes, CO2-Abscheidung und der Einsatz von Wasserstoff sollen die Klimabilanz aufpolieren.
14.04.2021
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau
Die Öl- und Gasindustrie gehört zu den größten Umweltsündern Russlands. Das Abfackeln von Begleitgas bei der Förderung oder der Austritt von Methan aus Pipelines verschmutzen Luft, Boden und Gewässer. Die Gaskonzerne verstärken ihre Maßnahmen zur Reduzierung von Emissionen, zur Reinigung von Abwässern, zur Rekultivierung von Abbauflächen und zur Reparatur undichter Pipelines.
Steigende Umweltanforderungen in Europa wirken sich auf Russland aus
Die Europäische Union (EU) ist der mit Abstand wichtigste Abnehmer von Pipeline- und Flüssiggas aus Russland. Die geplante Einführung des "Carbon Border Adjustment Mechanism" (CO2-Grenzsteuer) durch die EU verursacht für russische Gaskonzerne jedoch Mehrkosten von 4,8 Milliarden US-Dollar pro Jahr, berechnete die Boston Consulting Group. Auch China, der zweite wichtige Gasabnehmer, möchte bis 2060 klimaneutral werden. Um den steigenden Umweltanforderungen gerecht zu werden, müssen russische Exporteure ihren CO2-Abdruck verringern und ihre Produktionsprozesse umweltschonender gestalten.
Gaskonzerne stellen sich dem wachsenden ökologischen Verantwortungsdruck
Russlands Gaskonzerne reagieren auf die Programme zur Dekarbonisierung in den wichtigen Absatzmärkten und wollen ihren CO2-Fußabdruck bei der Gas- und LNG-Produktion reduzieren.
Der Aufsichtsrat von Gazprom billigte Ende März 2021 eine Fortsetzung der Projekte zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen nach 2022. Damit sollen bis zu 20 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent eingespart und die Emissionen in der Öl- und Gasförderung gesenkt werden. Im Jahr 2020 verringerte Gazprom seine CO2-Emissionen im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent auf 16 Millionen Tonnen Kraftstoffäquivalent.
Mit Shell vereinbarte Gazprom Mitte März 2021 zu diesem Zweck eine strategische Kooperation bis 2026. Anfang März 2021 lieferte Gazprom erstmals CO2-neutrales „grünes“ Flüssiggas nach Europa. Empfänger Shell in Großbritannien und Lieferant Gazprom gleichen den bei Produktion und Transport angefallenen CO2-Fußabdruck gemeinsam über Emissionszertifikate aus.
Russlands größter Ölkonzern Rosneft will bis 2022 den Anteil der Gasförderung an der gesamten Fördermenge von derzeit 20 Prozent auf 25 Prozent erhöhen. Vize-Präsident Alexej Salin kündigte Anfang März 2021 an, in den kommenden fünf Jahren etwa 3,3 Milliarden Euro in "grüne" Projekte zu investieren. Damit sollen bis zu 20 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent eingespart werden. Im Dezember 2020 genehmigte der Aufsichtsrat den Plan für das CO2-Management bis 2035. Bis dahin sollen die Treibhausgasemissionen im Rahmen der Exploration und Förderung um 30 Prozent sinken.
Novatek stellte im August 2020 seine Umwelt- und Klimaziele vor. Bis 2030 will das Unternehmen bei der Produktion von Flüssiggas (LNG) die Methanemissionen um 4 Prozent und die Treibhausgasemissionen um 5 Prozent senken. Im Rahmen der Gasförderung soll der Treibhausgasausstoß um 6 Prozent reduziert werden.
Verringerung der Methanemissionen steht im Fokus
Der Methanausstoß aus russischen Pipelines stieg 2020 um 40 Prozent - trotz eines Rückgangs der russischen Gasexporte nach Europa um 14 Prozent und der globalen Methanemissionen um 10 Prozent, ermittelte das französische Datenanalyseunternehmen Kayrros. Abfackeln und Entlüften im Zeitraum 2019 bis 2020 sowie mangelnde Wartung während der Pandemie verursachten demnach 46 größere Emissionsquellen entlang russischer Pipelines.
Gazprom und Rosneft schlossen sich den Richtlinien zur Reduzierung von Methanemissionen (Methan Guiding Principles) an. Diese Initiative führender internationaler Öl- und Gasunternehmen entstand im Zuge des Pariser Klimaschutzabkommens und will die Methanemissionen in der Erdgaswertschöpfungskette kontinuierlich reduzieren. Beide Konzerne untersuchen regelmäßig ihre Pipelines auf Defekte. Zur Lokalisierung von Methanlecks kommen Hubschrauber und Drohen mit Laserdetektoren oder Wärmebildkameras zum Einsatz.
Unternehmen planen Projekte zur Abscheidung und Speicherung von CO2
Russlands Gaskonzerne sehen in der Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage - CCS) ein bedeutendes Verfahren zur Senkung des CO2-Fußabdrucks bei der Gasförderung und Herstellung von LNG. Alexander Ischkow, Leiter der Abteilung Energieeffizienz und Umwelt bei Gazprom, brachte auf dem deutsch-russischen Rohstoffforum Anfang Dezember 2020 den Bau einer Anlage zur Produktion von blauem Wasserstoff mit Hilfe von Methanpyrolyse in Norddeutschland ins Gespräch. Das anfallende CO2 könne über die Nordstream-Pipeline zur Sequestrierung nach Russland zurückgeleitet und dort unterirdisch gelagert werden.
Rosneft unterzeichnete Anfang Februar 2021 mit BP eine Kooperationsvereinbarung zum CO2-Management und zur nachhaltigen Entwicklung. Beide Konzerne wollen Technologien zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 entwickeln. Bis 2028 plant Rosneft ein Pilotprojekt zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung von CO2-Emissionen.
Novatek schloss Mitte Januar 2021 mit dem Metallurgiekonzern NLMK ein Abkommen zur gemeinsamen Senkung von Treibhausgasen, das die Abscheidung von CO2 sowie die Verwertung und Speicherung von Treibhausgasen vorsieht.
Dekarbonisierung soll CO2-Ausstoß eindämmen
Der Einsatz von Wasserstoff bietet für die russischen Gaskonzerne eine weitere Möglichkeit, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Novatek vereinbarte im Dezember 2020 mit Siemens Energy eine strategische Zusammenarbeit zur nachhaltigen Entwicklung. Ziel ist die Energieerzeugung aus blauem oder grünem Wasserstoff, um bei der Produktion von Flüssiggas (LNG) die Treibhausgasemissionen zu senken. Siemens Energy rüstet im Jamal-LNG-Werk die Brennkammer einer der acht SGT-800-Gasturbinen um. Nach der Fertigstellung können bis zu 40 Prozent Wasserstoff eingespeist werden.
Auch das Unternehmen Nuovo Pignone aus Italien (gehört zu Baker Hughes) stellt im Jamal-LNG-Werk Gasturbinen auf Wasserstoffantrieb ein. Es unterzeichnete mit Novatek Anfang Februar 2021 ein Abkommen zur Reduzierung der CO2-Emissionen.