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Branchen | Bulgarien | Wasserstoff

Bulgarien setzt auf Wasserstoff

Langfristig soll Wasserstoff als Energieträger bereitstehen. Dafür muss Bulgarien zunächst das Gasnetz modernisieren und mehr Strom aus erneuerbaren Energien produzieren.

Von Dominik Vorhölter | Sofia

Bulgarien will auf dem Weg zur Klimaneutralität ab 2030 etwa 1,1 Prozent seiner fossilen Energieträger durch Wasserstoff ersetzen. Das größte Potenzial für den Einsatz von Energie aus Wasserstoff sehen Unternehmer, Interessenvertreter und Politiker in der Industrie - etwa zur Produktion von Ammoniak, dem Grundstoff für Stickstoffdünger - und im Transportsektor.

In gut zehn Jahren kann der jährliche Verbrauch von Wasserstoff für Brennstoffzellen, die Kfz, Lokomotiven und Schiffe antreiben, etwa 32 Gigawattstunden betragen. Damit rechnen die Beratungsunternehmen Trinomics und der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH (LBST), die im Auftrag der Europäischen Kommission den bulgarischen Klimaplan untersucht haben. Um dieses Ziel zu erreichen, sind in den kommenden Jahren Investitionen in Höhe von jährlich 130 Millionen bis 230 Millionen Euro notwendig. Zunächst jedoch fehlt es an einer Infrastruktur, also den Wasserstofftankstellen, einem modernisierten Gasnetz, um Wasserstoff zu transportieren und auch an genügend erneuerbaren Energien für grünen Wasserstoff. 

Investitionsvolumen für klimaneutrale Strom- und Wärmeerzeugung von 2021 bis 2030 *)

Bezeichnung 

Summe (in Millionen Euro)

Photovoltaikanlagen

1.685,9

Biomasse-Anlagen

355,9

Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ohne CO2-Abscheidung oder -Speicherung (mit Biomasse oder Solarenergie)

52,6

Wasserstoffanlagen (Power-to-X)

3,5

Insgesamt

2.097,9

*) Das Investitionsvolumen bezieht sich auf den Einsatz öffentlicher Finanzmittel.Quelle: Nationaler Klimaplan Bulgariens und Europäische Kommission (Juni 2020)

Ausbau erneuerbarer Energiequellen im Fokus

Derzeit gibt es in Bulgarien noch keinen grünen Wasserstoff, sondern nur sogenannten grauen Wasserstoff. Strom für die Elektrolyse wird bislang mit Erdgas erzeugt oder der Wasserstoff entsteht durch Dampfreformierung in den Erdölraffinerien.

Zunächst muss Bulgarien aber die Kohleverstromung durch klimafreundlichere Alternativen ersetzen. Der Staat fördert massiv den Ausbau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Für die Übergangsphase setzt das südosteuropäische Land auf Gaskraftwerke und Atomstrom, will also grauen und pinken Wasserstoff produzieren.

Farben des Wasserstoffs

Grüner Wasserstoff: Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien.


Türkiser Wasserstoff: Spaltung von Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoff durch das Verfahren der Methanpyrolyse - dieses Verfahren benötigt 87 Prozent weniger Energie als die Elektrolyse.


Blauer Wasserstoff: Spaltung von Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid durch Dampfreformierung bei Vermeidung des Ausstoßes von CO2 durch Abscheidung und Speicherung.


Grauer Wasserstoff: Spaltung von Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoff durch Dampfreformierung oder durch Elektrolyse mit Strom aus fossilen Brennstoffen.


Pinker Wasserstoff: Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch Elektrolyse mit Strom aus Kernenergie.

"Bulgarien hat ein großes Potenzial zur Produktion von grünem Wasserstoff, denn es verfügt mittelfristig über eine günstige Stromproduktion durch erneuerbare Energien", sagt Todor Madzarov, Mitbegründer des Bulgarian Hydrogen Institute. Das Hydrogen Institute besteht seit Mai 2020 und will Firmen und institutionelle Partner zusammenbringen, um Wasserstoffprojekte in Bulgarien umzusetzen.

Zunächst sieht der nationale Klimaplan vor, bis 2030 ein Pilotprojekt für eine eigene und möglichst grüne Wasserstoffproduktion auf die Beine zu stellen. Dafür suchen die Regierung und Interessensvertreter der bulgarischen Wasserstoffwirtschaft nach interessierten Projektpartnern aus dem Ausland.

Ausgewählte Projekte in der bulgarischen Wasserstoffwirtschaft

Projektbezeichnung

Projektinformationen

Investitionsvolumen (in Mio. Euro)

Unternehmen

Ausbau des nationalen Gastransportnetzes

Ausbau des Gasversorgungsnetzes, plus Anbindung an Griechenland und Serbien, Ausbau von Gasspeichern

2.500 

Bulgartransgaz EAD

Modernisierung der Energiewirtschaft im Maritsa-Becken

Dekarbonisierung der Kohleverstromung bis 2025

477,2 (aus EU-Fördermitteln: Just-Transition-Fonds)

Maritsa-Iztok EAD

Bau eines neuen Gaskraftwerks in Varna

Installierte Leistung: 550 Megawatt, Inbetriebnahme bis 2025

450

TPP Varna EAD

Modernisierung des Heizsystems in den Gebäuden der Gemeinde Belene

Die Stadt Belene will Wasserstoffheizungen in allen kommunalen Gebäuden einsetzen.

320

Green Innovation

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Pressemeldungen (September 2021)

Gasnetzbetreiber investiert in Infrastruktur

Bis Ende 2022 erhalten das Kraftwerk Bobov Dol und die Kraftwerke Maritsa-Iztok-2 und Maritsa-Iztok-3 der Bulgarian Energy Holding jeweils einen Anschluss an das nationale Gasfernleitungsnetz. Dafür will der staatliche Betreiber von Gasübertragungs und -speichersystemen Bulgartransgaz, der sich auch im Besitz der Bulgarian Energy Holding befindet, rund 43 Millionen Bulgarische Lew (BGN) in den Bau von Leitungen für Gasgemische investieren und damit die nötige Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff schaffen. Die Summe entspricht umgerechnet 21,9 Millionen Euro.

Bulgartransgaz hat sich mit dem Beitritt zur Europäischen Allianz für grünen Wasserstoff im Juli 2020 dazu verpflichtet, die Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff zu entwickeln. Dafür will das staatliche Unternehmen in den kommenden zehn Jahren rund 3 Milliarden BGN investieren (umgerechnet 1,53 Milliarden Euro). Ein Drittel davon fließt in die Modernisierung und in den Neubau von Gasnetzen. Dabei sollen die Pipelines besser abgedichtet und die Gaskompressoren auf Wasserstoff, das leichter ist als Erdgas, ausgerichtet sein. 

Transportsektor birgt großes Potenzial

Aufholbedarf und Druck, die Dekarbonisierung der Energiegewinnung und des -verbrauchs weiterzuentwickeln, sind groß: Der größte Teil des in Bulgarien verbrauchten Stroms ist nicht klimaneutral. Der Anteil von Kohle an der Stromerzeugung liegt bei 48 Prozent. Die Beratungsunternehmen Trinomics und LBST sehen das größte Potenzial für die Verwendung von Wasserstoff im Straßenverkehr. Dort ist der Anteil von zu ersetzenden fossilen Energieträgern am Energieverbrauch mit 94 Prozent am höchsten. 

Die rechtliche Grundlage für erste Investitionen im Wasserstoffsektor hat die bulgarische Regierung schon vorbereitet. Seit dem 28. Dezember 2020 ist eine Verordnung über die Bedingungen für die Planung, den Bau, die Inbetriebnahme und die Kontrolle von Tankstellen für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge in Kraft. Aus ihr gehen die technischen Richtlinien für die Errichtung von Tankstellen für Wasserstofffahrzeuge hervor.

Der russische Kraftstoffproduzent Lukoil kündigte im August 2021 an, für 175 Millionen Euro in Burgas eine Elektrolyseanlage für die Produktion von grünem Wasserstoff zu errichten. Derzeit wird eine Machbarkeitsstudie erstellt. Der Bau der Anlage soll im Jahr 2023 beginnen. Laut dem bulgarischen Verkehrsministerium soll die Zahl der Wasserstofftankstellen bis 2025 von derzeit einer (in Sofia) auf mindestens zehn erhöht werden. Tankstellen speziell mit grünem Wasserstoff gibt es in Bulgarien bisher noch nicht.

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