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Special Chile

Gründer bekommen nur schwer eine Finanzierung in Chile

Unter den OECD-Ländern (Organisation for Economic Co-operation and Development) ist Chile das Land mit den meisten Unternehmensneugründungen, so das in Spanien angesiedelte Institut für Wirtschaftsstudien IEE (Instituto de Estudios Económicos). Rund 17 Prozent der Männer und gut 15 Prozent der Frauen haben schon einmal eine Firma gegründet. Wegen des Start-up-Booms wird die Hauptstadt Santiago de Chile auch „Chilecon Valley" genannt.

Seit 2010 gibt es das staatliche Programm Start-Up Chile. Bis 2015 nahmen rund 1.200 Start-ups daran teil. Der Staat hat in den ersten knapp sieben Jahren 53 Millionen US-Dollar (US$) zur Verfügung gestellt, während der Gewinn der Unternehmen nach der Teilnahme am Programm bei 1 Milliarde US$ lag. Davon wurden 200 Millionen US$ in Chile eingenommen. Insgesamt bewerben sich deutlich mehr Ausländer als Chilenen für das Programm. Bis zum Jahresende 2017 stieg der Anteil chilenischer Bewerber auf rund 30 Prozent.

Eine Auswertung vom September 2017 ergab, dass 53 Prozent der Unternehmen, die das Programm durchlaufen, überleben. Von 1.000 geförderten Start-ups, die sich an der Umfrage beteiligten, verließen 80 Prozent nach sechs Monaten wieder das Land, davon 34 Prozent in Richtung USA. Auch diejenigen, die ihr Geschäft aufgeben müssen, sind allerdings in die 80 Prozent eingerechnet. Frauen leiten 21 Prozent der Projekte.

Beschränkte Finanzierungsmöglichkeiten

Im Vergleich zu anderen Regionen sind die Finanzierungsmöglichkeiten in Lateinamerika generell beschränkt. Chilenische Banken tun sich schwer damit, Anfängern Kredite zu gewähren. Der hohe Anteil von Start-ups, die in ihren ersten Jahren scheitern, führt dazu, dass die Bereitschaft von Investoren, sie zu finanzieren, nur langsam steigt. Zudem ist die Sorge vor dem Scheitern in der chilenischen Bevölkerung möglicherweise etwas stärker ausgeprägt als in Nordamerika oder Europa.

Bis zur Generierung von Einnahmen finanziert sich das Gros der Gründer durch Eigenkapital, Bankkredite und/oder öffentliche Zuschüsse. Oder sie werden von Verwandten und Freunden unterstützt. Die wenigen in Chile ansässigen Start-ups, die Risikokapital erhalten, beziehen dieses meist aus dem Ausland. Wenn nach sechs Monaten die staatliche Förderung von Start-Up Chile endet, erhalten nur rund 15 Prozent der Gründer eine Anschlussfinanzierung über private Investoren. Das Nachfolgeprogramm Scale soll nun gegensteuern.

Gründer haben es oft schwer, die Aufmerksamkeit der Giganten unter den Bergbaugesellschaften oder anderer Großunternehmen im Land zu erlangen. Gelingt es ihnen, müssen sie hohen Ansprüchen gerecht werden: Die angebotenen Lösungen werden eingehend geprüft. Wenn Lieferantenbewertungen zudem auf der Basis der bisherigen Verkäufe erfolgen, haben Start-ups wenig Chancen.

Netzwerken ist wichtig

Netzwerke und gemeinsame Kontakte sind enorm wichtig. Daher öffnen Institutionen wie Endeavor Chile den Start-ups ihre Netzwerke. Auch die staatliche Wirtschaftsförderung Corporación de Fomento de Producción (Corfo) vernetzt innovative kleine Firmen mit etablierten, großen. Diese sind als Referenz beliebt, jedoch bürokratischer und hierarchischer als die kleineren Firmen.

Die hierarchischen Strukturen erschweren auch technisch die Kontaktanbahnung mit den Großunternehmen. Die Führungsebene verfügt über modernste Technik, doch ab der mittleren und auf der operativen Ebene hakt es oftmals.

Nach Ansicht der von Germany Trade & Invest befragten Business Angels ist der klassische Businessplan überholt. Andrés Zárate Oliver hat drei Start-ups aufgebaut, ist nun für das Chilegeschäft von Elettronica Santerno (modulare Wechselrichter) zuständig und sagt: „Selbst die großen Unternehmen, die in Start-ups investieren, arbeiten nur mit Lean Startup." Mit reduzierten Prozessen und möglichst wenig Kapital wird das Unternehmen aufgebaut, ohne lange vorab zu konzipieren. Dem frühzeitigen „auf den Markt bringen" der Dienstleistung, des Prototypen oder der Betaversion folgt learning by doing. Mithilfe des Feedbacks der Kunden zu dem jungen Produkt reagiert das Unternehmen schnell auf Wünsche.

Business-to-Business (B2B)-Geschäfte gewinnen für Start-ups an Gewicht. Ein Beispiel sind laut Nathan Lustig, geschäftsführender Gesellschafter des Investmentfonds Magma Partner, die halbjährlichen Bewerbungsrunden von Start-Up Chile. Im Juni 2016 reichten 46 Prozent der Bewerber Vorschläge zur Erbringung von Dienstleistungen oder Produkten für andere Unternehmen ein. Im Januar 2017 waren es schon 69 Prozent.

Neue Firmen wie Motion Displays, Pageload und Fracttal arbeiten bereits mit großen Unternehmen zusammen. Die erste mit der Bank Bci, die zweite mit der Warenhauskette Falabella und die dritte mit Intel. Konzernvertreter schätzen an den Start-ups, dass sie Spezialisten in ihren Bereichen sind und die Fähigkeit besitzen, spezifische Lösungen für die Bedürfnisse jedes Kunden zu schaffen. Sie erwähnen insbesondere das sogenannte End-to-End-Monitoring, die zyklische Überwachung und Qualitätssicherung von Informationstechnologiedienstleistungen aus der Nutzerperspektive.


Text: Anne Litzbarski

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