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Branchen | China | Einkauf und Beschaffung

Beschaffung in China wird zur Herkulesaufgabe

Die Produzentenpreise und die Frachtraten haben Rekordhöhen erreicht, Lieferverzögerungen sind an der Tagesordnung. Auch die Grenzen bleiben für Einkäufer noch lange geschlossen.

Von Roland Rohde | Hongkong

Internationale Einkaufsbüros stoßen beim Sourcing in China auf immer mehr Schwierigkeiten. Sie leiden vor allem unter erheblichen Lieferverzögerungen und deutlichen Preissteigerungen. Die Schuld dafür liegt zumeist nicht bei ihren chinesischen Produzenten, mit denen oft eine langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit besteht. Vielmehr sind diese selbst von Engpässen an Vorprodukten, Rohstoffen und Transportkapazitäten betroffen.

Bei praktisch allen Vorwaren bestehen Knappheiten. Auch Container stellen Mangelware dar. Die Ursachen hierfür liegen in einem stark zyklischen Verhalten der Marktteilnehmer. Zum Höhepunkt der Coronapandemie 2020 hatten die meisten Unternehmen ihre Lager geleert. Als sich dann die weltweite Konsumnachfrage schneller als erwartet erholte, wollten die Unternehmen gleichzeitig ihre Lager wieder auffüllen. Viele peilten zudem höhere Notreserven an.

Im 2. Halbjahr 2021 kamen noch weitere Faktoren hinzu, die für eine Zuspitzung der Lage sorgten. So trat in Vietnam - dorthin war in den letzten Jahren viel Produktion abgewandert - eine neue Coronawelle auf und sorgte für umfangreiche Produktionsstörungen. Die internationalen Einkaufsbüros bestellten daraufhin noch mehr Waren in China. Doch auch dort lief nicht mehr alles rund.

Null-Covid-Politik sorgt für Störungen in der Logistikkette

Beijing verfolgt eine strikte Null-Covid-Politik. Selbst bei kleinsten lokalen Covid-19-Ausbrüchen kommt es zu Sperrungen von Container- und Flughäfen sowie Lockdowns. Trotzdem bekommt die Regierung den Geist nicht zurück in die Flasche. Im Spätherbst 2021 wurden Ausbrüche in der Hälfte des Landes gemeldet. Entsprechend entstehen immer wieder Störungen in der Logistikkette. Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten, ihre Fertigwaren aus der Fabrik heraus beziehungsweise ihre Vorprodukte hineinzubekommen.

Außerdem kam es im Herbst 2021 in China auch noch zu Stromrationierungen. Insbesondere Großbetriebe mussten ihre Produktion zurückfahren, sodass die Lieferengpässe bei zahlreichen Vorprodukten - etwa der Chemie- und Metallindustrie - noch zunahmen. Zwar hatte sich die Lage zum November wieder spürbar gebessert. Doch die Preise für Kohle und Brennstoffe waren explodiert. In Folge hoben die Provinzen auch die Stromtarife teils deutlich an.

Die Unternehmen in China geben inzwischen ihre Preissteigerungen für Vorwaren, Rohstoffe und Strom weiter.

Insgesamt sehen sich die chinesischen Produzenten damit starken Kostensteigerungen gegenüber. Konnten sie diese bei bestehenden Lieferverträgen nur schwer an ihre Auftraggeber weitergeben, wandelte sich die Situation bei Neuverhandlungen. Die Hersteller verlangen nunmehr deutlich höhere Preise. Da sie teilweise sogar Aufträge ablehnen müssen, haben sie eine starke Verhandlungsposition.

Produzentenpreise um 11 Prozent gestiegen

Die vom nationalen Statistikamt erhobenen Produzentenpreise zeigen einen deutlichen Aufwärtstrend. Während sie das ganze Jahr 2020 noch im negativen Bereich verharrten, stiegen sie 2021 rasant an. Im September schließlich lagen sie um fast 11 Prozent über dem Vorjahresniveau. Nur ein kleiner Teil davon war auf den statistischen Basiseffekt zurückzuführen. Im Vergleich zu 2019 ergab sich noch ein Plus von mehr als 8 Prozent.

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Containerfrachtraten im fünfstelligen Dollarbereich

Für die internationalen Beschaffungsbüros kommen noch die stark gestiegenen Transportkosten hinzu. Die Frachtraten auf der Strecke von Shanghai nach Rotterdam für einen 40-Fuß-Standardcontainer lagen laut Drewry Anfang November 2021 bei knapp 14.000 US-Dollar. Damit waren sie gegenüber dem Vorjahr um das Sechsfache gestiegen. Immerhin bröckeln die Preise und es besteht Hoffnung, dass der Scheitelpunkt erreicht wurde.

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Die Störanfälligkeit der Logistikkette in China dürfte kurzfristig sogar noch leicht zunehmen, weil die Regierung eisern an ihrer Null-Covid-Politik festhält und die Delta-Variante sich weiter ausbreitet. Die Beschaffungsbüros müssen noch im gesamten 1. Halbjahr 2022 mit erheblichen Lieferverzögerungen rechnen. Inzwischen sind auch alle wesentlichen Transportwege - Luft, Wasser und Schiene - davon betroffen. Pioniere versuchen inzwischen sogar, ihre Ware per Lkw nach Europa zu versenden.

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Grenzen bleiben noch lange zu

Erschwerend kommt hinzu, dass Einkäufer seit nunmehr fast zwei Jahren nicht mehr nach China reisen können. Wer kein Personal vor Ort hat, leidet besonders. Schließlich benötigt man jemanden, der vor dem Verladen der Ware noch einmal eine letzte Qualitätskontrolle durchführt. Rasche Besserung ist hier ebenfalls nicht in Sicht. Ab Spätsommer/Herbst 2022 könnten es erste, kleine Lockerungen für ausländische Geschäftsreisende geben. Eine quarantänefreie Einreise wird aber erst 2023 oder gar 2024 möglich sein.

Was bedeuten diese Bedingungen für deutsche Einkäufer? Zunächst müssen sie im Rahmen ihrer Kostenplanung mit weiterhin hohen Frachtraten und steigenden Bezugspreisen kalkulieren. Nachhaltige Senkungen der Transportkosten und ein Ende der Preisrally sind wohl erst nach dem chinesischen Neujahresfest im Februar 2022 zu erwarten.

Bei der Vertragsgestaltung spielt die "Force Majeure"-Klausel eine wichtige Rolle.

Bezüglich Lieferverzögerungen kommt der Vertragsgestaltung mit den chinesischen Lieferanten ein hoher Stellenwert zu. Genau geklärt werden sollte von beiden Seiten die Klausel bezüglich "Force Majeure" (höhere Gewalt). So lassen sich künftige Stromrationierungen oder die Sperrung von Containerhäfen schwerlich darunter subsumieren, da es sich um keine unvorhersehbaren oder außergewöhnlichen Ereignisse mehr handelt.

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