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Branchen | China | Elektromobilität

Elektroautos „made in China“ drängen auf den Weltmarkt

China ist der größte Markt für Elektroautos. Dennoch prägen den neuen Sektor bereits deutliche Überkapazitäten. Der Exportdruck steigt. Im Visier ist auch Europa.

Von Corinne Abele | Shanghai

Chinas Elektroautomarkt ist im 1. Halbjahr 2021 mit einem Absatzvolumen von 1,2 Millionen Einheiten mit Abstand der größte weltweit. Dennoch liegt der Marktanteil von Kraftfahrzeugen mit alternativem Antrieb (NEV) mit 9,5 Prozent weiterhin unter der 10 Prozent-Marke. Die bereits im Industrieentwicklungsprogramm gesetzten Ziele, bis 2025 einen Anteil von 20 Prozent und bis 2035 gar einen Anteil von 50 Prozent zu erreichen, bleiben ambitioniert.

Gewaltige NEV-Überkapazitäten

Längst läuft nicht alles rund; gewaltige Überkapazitäten für Elektroautos sind im Land entstanden. Anfang September 2021 von der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) sowie dem chinesischen Automobilverband CAAM veröffentlichte Zahlen nennen für Ende 2020 jährliche NEV-Produktionskapazitäten von knapp 27 Millionen Fahrzeugen. 2020 wurden rund 1,4 Millionen NEV verkauft. Dadurch ergibt sich rein rechnerisch eine Auslastung von 5,1 Prozent. Auch wenn es sich teilweise nur um (Teil)Assembly-Kapazitäten handeln dürfte, sind die Zahlen Indikatoren für den Ernst der Lage.

Die massive Überkapazitätssituation dürfte sich verschlimmern. Denn Produktionskapazitäten für weitere 10 Millionen Autos befänden sich in Planung, wird der CAAM-Generalsekretär Cui Dongshu in der Plattform „Zhong Che Wang Ping“ zitiert. Bei der Mehrheit handelt es sich um NEV. Da die Zentralregierung die Subventionen für den NEV-Kauf ab 2022 beendet, ist jedoch erst einmal mit einer schwächer steigenden Nachfrage zu rechnen.

Absatz und -Produktion von Elektrofahrzeugen in China (in 1.000 Einheiten; Veränderung zum Vorjahreszeitraum in Prozent) 1)

2020

Veränderung 2020/19

1. Halbjahr 2021

Veränderung 2021/20 2)

Absatz

  NEV-Pkw

1.246

14,6

1.140

217,4

  NEV-Nfz

121

-17,2

66

61,5

Produktion

  NEV-Pkw

1.247

11,3

1.149

217,3

  NEV-Nfz

120

-20,8

67

57,6

1) New Energy Vehicles (NEV), inklusive batteriebetriebene Fahrzeuge (BEVs), Plug-in-Hybride (PHEVs) und Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEVs); 2) jeweils bezogen auf das 1. Halbjahr Quelle: China Association of Automobile Manufacturers (CAAM)

Regionale Subventionen bleiben

Gleichzeitig subventionieren die Regionen massiv den Aufbau neuer Produktionskapazitäten, um regionale NEV-Standorte zu erhalten beziehungsweise aufzubauen. Dies zu kontrollieren ist für die Zentralregierung deutlich schwieriger. Derzeit befinden sich allein die Hälfte der erfassten NEV-Produktions- und Assembly-Kapazitäten in den drei Provinzen Guangdong, Jiangsu und Shaanxi. Alle haben spezielle Förderprogramme für den NEV-Sektor aufgelegt.

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Schon beim Abbau von Überkapazitäten von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren kam die Zentralregierung bislang nicht gegen die wirtschaftlichen Interessen der Provinzen und regionalen Standorte an. Dies setzt sich nun im NEV-Sektor fort.

Viele kleine Branchenfirmen

Ende 2020 gab es knapp 480 NEV-Unternehmen, schreibt „Zhong Che Wang Ping“ unter Berufung auf neueste Industrie- und Handelsdaten. Bei den meisten handelt es sich um kleine Firmen; nur 70 Unternehmen verfügen über ein eingetragenes Kapital von über 53 Millionen Euro (400 Millionen RMB).

Nach Einschätzung von Analysten ist längst eine Blase entstanden. Die Plattform „Zhong Che Wang Ping“ zitiert allein 57 Finanzierungsereignisse im NEV Bereich mit einem Gesamtvolumen von knapp 11 Milliarden Euro in der 1. Jahreshälfte 2021. Wer am Markt bleiben und neue Projekte genehmigt bekommen will, muss gemäß neuer Investitionsregeln für den Kfz-Sektor in große Kapazitäten investieren.

Noch ist jedoch selbst der Absatz der Branchenführer klein: So verkauften 2020 lediglich drei Unternehmen – BYD, Tesla und das Joint Venture SAIC-GM-Wuling jeweils mehr als 100.000 NEV. Damit stellten sie fast die Hälfte des Marktes. Die führenden acht Unternehmen mit jeweils mehr als 40.000 Einheiten pro Jahr (neben den drei Spitzenreitern: SAIC, GAC, Great Wall, Weilai und Chery) kamen auf einen Marktanteil von insgesamt 70 Prozent.

Quereinsteiger drängen in den Markt

Gleichzeitig drängen bei niedrigen Markteintrittsbarrieren weitere kapitalkräftige „Quereinsteiger“ wie die Internetfirmen Baidu oder Tencent sowie Mobilkommunikationsanbieter wie Xiaomi und Huawei in den Markt. Ende März 2021 kündigte Xiaomi Anfangsinvestitionen von rund 1,3 Milliarden Euro zur Gründung eines eigenen Tochterunternehmens im Bereich Intelligente Elektrofahrzeuge an. Huawei wiederum möchte mit BAIC New Energy das smarte E-Auto Polar Fox Alpha S auf den Markt bringen, ausgestattet mit der HI-Smart-Car-Lösung von Huawei.

Innovationshubs in Deutschland

Langfristiger Markterfolg bedarf laut Branchenkennern nicht nur Produktions-, sondern auch eigener Innovationskapazitäten. Elektroautobauer wie NIO, Weltmeister oder XPeng haben daher früh in Innovationszentren im Ausland investiert. Deutschland ist bei den E-Auto-Firmen aus China beliebt. Laut einer Analyse des Mercator Institute for China Studies (Merics) befinden sich mit elf Innovationszentren chinesischer Automobilbauer in Europa die meisten in Deutschland - der Großteil davon in München. Laut der Analyse haben dort Byton (inzwischen in Deutschland insolvent), FAW, Qoros und NIO ihre Innovationshubs aufgebaut; BAIC verfügt über zwei Standorte in Dresden und Aachen.

Bei subventionierten Überkapazitäten und mittelfristig unzureichender inländischer Nachfrage kommen auf Chinas Elektroautomarkt heftige Preiskämpfe zu. Nicht zuletzt um diesen zu entgehen, nehmen (teilweise mit Regierungsunterstützung) Chinas Elektroautobauer mögliche Exportmärkte ins Visier, darunter auch in Europa. Chery, JAC, XPeng oder Aiways haben gemäß der Merics-Analyse bereits seit langem erste Modelle auf europäischen Straßen laufen. Erst 2021 haben hingegen Great Wall Motor, NIO, BYD und Skywell diesen Schritt gewagt, Geely steht in den Startlöchern.

E-Autos aus China für die Welt

Chinesische Branchenführer und multinationale Hersteller eruieren für ihre in China produzierten Elektroautos Absatzmöglichkeiten auf den Weltmärkten. Laut CAAM stellte Tesla mit rund 97.500 Autos im 1. Halbjahr 2021 bereits 30 Prozent aller aus China exportierten Elektroautos. Seit November 2020 wird ein (bislang kleiner) Teil der im Joint-Venture-Werk von BMW und Brilliance in Shenyang produzierten iX3-Modelle nach Europa verschifft. Von Anfang an als Produktionsstandorte für den Weltmarkt angelegt sind die beiden Joint Ventures von Mercedes (mit Geely) und BMW (mit Great Wall) zur Herstellung des Elektro-Smart sowie des Elektro-Mini. China ist dabei, sich als Produktionsstandort für Elektroautos für den eigenen und globalen Markt zu empfehlen.

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