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Branchen | China | Halbleiter

Hunger nach elektronischen Chips nimmt zu

Halbleiter machten 2020 fast ein Fünftel aller wertmäßigen Wareneinfuhren Chinas aus. Die hohe Abhängigkeit von internationalen Zulieferungen lässt sich nur sehr schwer reduzieren.

Von Roland Rohde | Hongkong

Auf den ersten Blick läuft es gut für Chinas Halbleiterindustrie. Während der Coronapandemie hatten sowohl im Inland als auch im Ausland Konsumenten unerwartet viel für Unterhaltungs- und Haushaltselektronik sowie für Smartphones und Notebooks ausgegeben. Auch Unternehmen investierten angesichts von zunehmenden Videokonferenzen kräftig in ihre IT-Infrastruktur. Infolge stieg auch die Nachfrage nach Halbleitern rasant an.

Die meisten integrierten Schaltungen kommen nämlich in elektronischen Produkten zum Einsatz. Der Automobilsektor spielt eine vergleichsweise nachgeordnete Rolle. Ende 2020 führte der Absatzboom sogar zu ernsthaften Lieferengpässen bei integrierten Schaltungen, der zahlreiche Unternehmen und Branchen zu Produktionsdrosselung zwang.

Branchenumsatz wuchs 2020 um 17 Prozent

Die Auftragsbücher der globalen Halbleiterproduzenten sind prall gefüllt. Praktisch alle arbeiten an der Kapazitätsgrenze beziehungsweise versuchen, diese zu erhöhen. Das trifft auch auf die chinesischen Hersteller zu. Ihr Umsatz stieg 2020 nach Angaben des chinesischen Verbands für die Halbleiterbranche CSIA (China Semiconductor Industry Association) um 17 Prozent auf umgerechnet rund 128 Milliarden US-Dollar (US$).

Chinas Halbleiterindustrie im Überblick (in Milliarden US-Dollar; Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent)

Indikator

2020

2021

Veränderung1

Inlandsumsatz, davon

128,3

164,6

18,2

  Design

54,8

71,1

19,6

  Produktion

37,1

50,0

24,1

  Packaging und Testing

36,4

43,5

10,1

Exporte

116,6

153,8

31,9

Importe

350,0

432,6

23,6

Nettoeinfuhren2

233,4

278,8

19,5

Exporte (in Milliarden Stück)

259,8

310,7

19,6

Importe (in Milliarden Stück)

543,5

635,5

16,9

1) auf Basis der Inlandswährung; 2) Einfuhren minus AusfuhrenQuelle: China Semiconductor Industry Association (CSIA)

Doch die einheimischen Hersteller decken den nationalen Bedarf nur zu einem Teil. Zwar können sie für die allermeisten elektronischen Standardgeräte die entsprechenden Schaltungen liefern. Doch besonders leistungsfähige Chips müssen importiert werden. Im Jahr 2020 beliefen sich Chinas Einfuhren von integrierten Schaltungen laut Branchenverband auf 350 Milliarden US$, ein Plus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Halbleiterimporte stiegen auf 378 Milliarden US$

Einschließlich weiterer elektronischer Komponenten ergab sich 2020 gemäß dem International Trade Centre (ITC) sogar ein Einfuhrwert von 378 Milliarden US$. Das entsprach nahezu einem Fünftel aller chinesischen Warenimporte. Entsprechend stark ist der Wunsch der chinesischen Regierung ausgeprägt, die hohe Abhängigkeit vom Ausland zu verringern, was unter anderem auch im neuen 14. Fünfjahresplan zum Ausdruck kommt.

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Zusätzlicher Druck zu mehr Autarkie entstand durch den Handelskonflikt mit den USA. Die Vereinigten Staaten haben bestimmte chinesische Unternehmen mit einem Lieferboykott belegt. Sie dürfen nicht mehr mit US-amerikanischen Chips beliefert werden. Das gilt auch für solche, die mit US-Technologie produziert wurden und kommt praktisch einem weltweiten Lieferverbot gleich.

Chinesische Firmen füllten kräftig ihre Lager auf

Firmen wie Huawei können aber ihre neuesten Smartphones nicht ohne Chips aus den USA produzieren. Auch die Entwicklung des ersten chinesischen Mittelstreckenjets steht auf der Kippe. Chinesische Unternehmen haben sich daher 2020 mit hohen Vorräten eingedeckt, was unter anderem weltweit für Engpässe sorgte. Doch das ist keine dauerhafte Lösung.

Einige China-Kenner wiegeln zwar ab: Wenn die USA China nicht mehr beliefern, so entwickele die Volksrepublik eben ihre eigenen Halbleiter. Was auf den ersten Blick logisch klingt, hat allerdings wenig mit der Realität in der Branche zu tun. So hinken chinesische Halbleiterfirmen der Konkurrenz aus den USA oder Taiwan technologisch um ein bis zwei Chip-Generationen hinterher. Diese schauen nicht einfach in Seelenruhe zu, wie die Chinesen aufholen.

Mühsamer Aufholprozess mit ungewissem Ausgang

Investitionen in den Halbleiterbereich sind zudem exorbitant teuer und mit einem hohen Risiko behaftet. Der Branchenprimus Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) etwa wird alleine zwischen 2021 und 2023 rund 100 Milliarden US$ investieren. Für die fragmentierte chinesische Konkurrenz sind solche Summen selbst mit staatlicher Unterstützung schwer aufzubringen. Der angestrebte Aufholprozess kommt daher nach Ansicht von Branchenanalysten einem Ultra-Marathon mit ungewissen Ausgang gleich.

Der größte chinesische Auftragshersteller ist Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC). Er kann nach Angaben der South China Morning Post 28-Nanometer-Chips herstellen, während TSMC auf 5-Nanometer-Schaltungen kommt. Daher verdient der chinesische Produzent auch einen Gutteil seines Geldes mit weniger modernen Produkten.

Ein weiterer Engpassfaktor besteht aus chinesischer Sicht bei Maschinen zur Halbleiterproduktion, die ebenfalls überwiegend aus dem Ausland kommen. Auch hier gib es ernsthafte Engpässe. Die Maschinenbauer können ihre Fertigung nur langsam hochfahren. Zudem investieren die Europäische Union und die USA ebenfalls in den Aufbau von lokalen Foundries. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass China auf absehbare Zeit im hohen Maße auf den Import von integrierten Schaltungen angewiesen bleiben wird.

Taiwan wichtigster Zulieferer

Die meisten der importierten Halbleiter stammen traditionell aus Taiwan. Die Insel hat sich auf die Auftragsfertigung (Foundries) spezialisiert. Viele US-Chip-Unternehmen, die über keine eigenen Foundries verfügen, lassen hier produzieren. Die entsprechenden Einfuhren der Volksrepublik aus Taiwan summierten sich 2020 laut dem ITC auf gut 127 Milliarden US$. Sie waren damit gegenüber dem Vorjahr um nahezu ein Viertel gestiegen.

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Die USA spielen als direkter Zulieferer in der Zollstatistik eher eine Nebenrolle. Deutschland landet auf den hinteren Rängen. Deutsche Anbieter spielen vor allem für die Automobilhersteller eine gewisse Rolle. Die chinesischen Halbleitereinfuhren "Made in Germany" beliefen sich 2020 auf rund 2 Millliarden US$. Sie waren damit gegenüber dem Vorjahr stabil geblieben. Somit konnte Deutschland nicht vom allgemeinen Aufwärtstrend profitieren.

Im Jahr 2021 dürften die Halbleitereinfuhren Chinas weiter zunehmen. Dafür sorgt schon alleine der Preiseffekt. Fast alle Anbieter haben ihre Produkte nämlich spürbar verteuert. Während die Nachfrage aus der Konsumelektronik sich abflachen wird, ist mit einem zunehmenden Bedarf von Seiten der sich erholenden chinesischen Automobilindustrie zu rechnen.

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