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Lohn- und Lohnnebenkosten | Georgien

Arbeitsmarkt

Ungeachtet vieler arbeitsloser Personen fehlen in Georgien Fachkräfte. Eine große Bildungsreform soll das Berufsschulwesen stärken und das Hochschulstudium praxisnäher ausrichten.

Von Uwe Strohbach | Tiflis

Schwach entwickelter regulärer Arbeitsmarkt

Georgiens Arbeitslosenquote ist hoch. In den Jahren 2010 bis 2019 sank sie von 27,2 Prozent auf 17,6 Prozent. Dennoch ist die Beschäftigungs- und Erwerbsquote nicht gestiegen. Im Coronakrisenjahr 2020 kletterte die Arbeitslosenquote wieder auf 18,5 Prozent. Die reale Arbeitslosigkeit ist einschließlich unfreiwilliger Teilzeit- sowie ineffektiver Beschäftigung mit etwa 30 Prozent weit höher. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze bliebt einer der großen Sorgenkinder der georgischen Wirtschaft.

In den Städten übersteigt die offizielle Arbeitslosenquote mit 20,3 Prozent die entsprechende Quote in ländlichen Regionen um 4,5 Prozentpunkte. Besonders hoch ist die Jugendarbeitslosigkeit. Bei den 20- bis 24-Jährigen betrug die Arbeitslosenquote 38,4 Prozent und bei den 25- bis 29-Jährigen 23,2 Prozent. Fast zwei Fünftel aller Arbeitslosen haben einen Hochschulabschluss.

Von allen 1,25 Millionen Personen, die im Jahr 2020 einer Beschäftigung nachgingen, sind rund 850.000 abhängig Beschäftigte und 400.000 sogenannte Selbstbeschäftigte. Letztere sind vor allem Straßenhändler, kleine Dienstleister und Familienmitglieder in Bauern- und Farmerwirtschaften, die zumeist lieber fest angestellt wären und somit eher als arbeitssuchend erfasst werden müssten. Das geringe Gewicht abhängig Beschäftigter an der Beschäftigtenzahl weist auf einen wenig entwickelten regulären Arbeitsmarkt hin.

Die hohe Anzahl der Selbstbeschäftigten und Arbeitslosen lässt ein flexibel nutzbares Arbeitskräftepotenzial erwarten. In der Praxis stoßen Arbeitgeber aber oft auf Probleme bei der Personalsuche. Aktuell werden vorrangig qualifizierte Verkaufsmanager, Buchhalter, Ingenieure, Finanzfachkräfte, Programmierer, Controller, medizinisches Personal und technisch orientierte Facharbeiter gesucht. Das Arbeitsangebot konzentriert sich auf die Hauptstadt Tiflis und die Region Imeretien.

Allgemeine Arbeitsmarktdaten 2020

Bevölkerung (1.1.2020; in Mio.)

3,72

Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 und jünger als 65 Jahre, in Mio.)

2,34

Erwerbstätige (Beschäftige und Arbeitslose; in Mio.)

1,52

Arbeitslosenquote, offizielle (in %)

18,5

Analphabetenquote (in %)

0,2

Universitätsabschluss (2019; in % der Erwerbspersonen)

26,6

Quelle: Geostat, UNICEF (Welfare Monitoring Survey, 2020)

Bildungsreform setzt Fokus auf duale Ausbildung

Eine 2019 gestartete Reform auf allen Bildungsebenen sieht in den kommenden Jahren massive Investitionen vor. Schwerpunkte sind der quantitative und qualitative Ausbau der dualen Berufsschulausbildung, die Entwicklung eines bedarfsgerechten und praxisorientierten Hochschulwesens sowie der Aufbau eines effektiven Umschulungssystems. Internationale Geber unterstützen diese Initiativen. 

Georgiens Hochschulwesen steht auf einer soliden und weitestgehend korruptionsfreien Grundlage. Es verfügt über ein Akkreditierungsverfahren zur Qualitätssicherung. Arbeitgeber beklagen jedoch, dass die Ausbildung an den Universitäten bisher wenig praxisrelevant und bedarfsgerecht sei.

Viele Firmen lösen das Fachkräfteproblem oft mit interner Ausbildung und Schulungen (training on the Job). Informationen zu Berufsschulen sind beim Ministerium für Bildung und Wissenschaft abrufbar. Einige Tausend Georgier studieren an deutschen Hochschulen. Das Centrum für Internationale Migration und Entwicklung (CIM) unterstützt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die berufliche Integration von rückkehrinteressierten Hochschulabsolventen, so auch von Absolventen aus Georgien (Programm "Rückkehrende Fachkräfte"). 

Georgische Arbeitnehmer verfügen über gute Fremdsprachenkenntnisse, vor allem in Russisch, Englisch und Deutsch. Der Fremdsprachenschwerpunkt hat sich bei jüngeren Managern vom Russischen zum Englischen verschoben.

Die Personalsuche läuft häufig über ein persönliches Kontaktnetz. Zur Anwerbung von Praktikanten und Mitarbeitern führen viele Unternehmen in den Hochschulen Präsentationen durch. Ausländische Firmen nutzen bei der Suche nach Managern der oberen und mittleren Ebene oft die Dienste professioneller internationaler Personalberater.

Die Vermittlungsgebühren liegen bei etwa 10 bis 15 Prozent eines Jahresgehalts. Dafür gewähren die Agenturen unter Umständen eine Garantie von drei bis sechs Monaten für den Verbleib des Arbeitnehmers im Unternehmen. Anderenfalls wird kostenlos für Ersatz gesorgt. Georgische Firmen sehen bislang kaum Nutzen in kostenpflichtigen Personaldiensten. Den Arbeitsämtern sprechen westliche Firmen noch wenig Kompetenz zu.

Wirtschaftsvereinigung hilft bei Personalsuche

Die Deutsche Wirtschaftsvereinigung (DWV), Tiflis, bietet Unterstützung bei der Suche nach Mitarbeitern an. Dank eines Netzwerkes und einer Fachkräftedatenbank kann sie praxiserfahrene Mitarbeiter und gut ausgebildete Absolventen passgenau vermitteln. Firmen, die zweisprachige Mitarbeiter suchen, wird anhand des gewünschten Mitarbeiterprofils ein Fragebogen übersandt. Auf Anfrage werden Lebensläufe der Kandidaten zugestellt.

Kompetenzen der Gewerkschaften sind begrenzt 

Die erneuerten und international gut vernetzten Gewerkschaften sind heute wieder ein anerkannter Partner für den sozialen Dialog zwischen Regierung und den Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Die frühere Regierung unter Michail Saakaschwili (2004 bis 2013) übte mit ihrer neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik Druck auf die Arbeitnehmervertreter aus, sich aus der Mitbestimmung zurückzuziehen und erschwerte die Gründung neuer Gewerkschaften.

Die Zahl der organisierten Gewerkschaftsmitglieder schrumpfte um gut 100.000 auf etwa 152.000. Den gewerkschaftlichen Organisationsgrad unter allen angestellten Beschäftigten gibt die Konföderation der Gewerkschaften für 2019 mit 18 Prozent an. Die im Jahr 2020 insgesamt 56 gültige Kollektivvereinbarungen galten für 15 Prozent aller Angestellten und 7 Prozent aller im Land beschäftigten Personen.

Einen sozialen Dialog nach westlichem Muster gibt es in Georgien nicht. Forderungen der Gewerkschaften, beispielsweise nach einem realen Mindestlohn, werden von der Regierung bislang nicht erfüllt. In letzter Zeit kam es im Bergbau, in der Bauwirtschaft (Gleisbau), im Handel (Supermärkte) und im Sozialwesen zu Arbeitsniederlegungen infolge schlechter Arbeitsbedingungen und Bezahlung.

  


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