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Null-Covid-Politik gefährdet Finanzplatz Hongkong

Während Singapur seine Grenzen öffnet, igelt sich Hongkong wieder ein. Geschäfts- und Finanzwelt reagieren geschockt. Zusätzlich droht Ungemach durch ein Anti-Sanktionsgesetz.

Von Roland Rohde | Hongkong

Hongkong fährt wie viele Länder in Asien eine Null-Covid-Politik. Aus rein medizinischer Sicht war die Strategie äußerst erfolgreich. Seit dem Frühjahr 2021 gibt es praktisch keine lokalen Ansteckungen mehr. Im Inneren konnte man weitgehend zu Normalität übergehen. Dafür blieben die Grenzen dicht. Seit nunmehr anderthalb Jahren muss man bei Einreise - falls diese überhaupt möglich ist - eine mehrwöchige Quarantäne absolvieren. Das gilt auch für vollständig Geimpfte mit mehreren negativen Testergebnissen.

Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind drastisch, denn die Dienstleistungsmetropole ist eigentlich auf den freien Personenverkehr angewiesen. Der Umsatz des Einzelhandels lag im 1. Halbjahr 2021 nach Angaben des lokalen Statistikamtes immer noch um rund ein Viertel unter dem Vorkrisenniveau. Das Messe- und Veranstaltungswesen und der Passagierflugverkehr befinden sich fast komplett am Boden. Etwa 200.000 Menschen unter 60 Jahren haben zudem die Sonderverwaltungsregion (SVR) endgültig verlassen.

Kurzfristige Änderung der Einreiseregeln zerstört Vertrauen

Ende Juni 2021 führte die Regierung erste Lockerungen bei der Einreise beziehungsweise Quarantäne ein, die sie Anfang August nochmals ein wenig ausweitete. Doch als ein einziger - und zudem fragwürdiger - Infektionsfall durch das engmaschige Netz schlüpfte, nahm sie eine Woche später sämtliche Maßnahmen zurück. Zahlreiche Menschen, die sich auf die Aussagen der Politik verlassen hatten, strandeten im Ausland.

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Die Geschäfts- und Finanzwelt zeigte sich geschockt. Am schnellsten reagierte die Europäische Handelskammer in Hongkong, wohl weil zahlreiche europäische Länder von den Verschärfungen besonders betroffen waren. In einem offenen Brief kritisierte sie den unverhältnismäßigen Schritt. Der Chairman, Frederik Gollop, hatte bereits im Juli 2021 davor gewarnt, dass die Null-Infektionen-Politik den Finanzstandort gefährde. Es fehle eine Exitstrategie beziehungsweise ein Fahrplan, unter welchen Bedingungen die Grenzen geöffnet werden.

Hongkong droht hinter Singapur zurückzufallen

Auch die Hong Kong General Chamber of Commerce warnte nach dem überraschenden Politikwechsel davor, die Sonderverwaltungsregion (SVR) könne hinter anderen Standorten wie Singapur zurückfallen. Der südostasiatische Stadtstaat hat Ende August 2021 bereits über drei Viertel seiner Bevölkerung durchgeimpft und öffnet nun schrittweise seine Grenzen, unter anderem für den Verkehr mit Deutschland und Hongkong.

Die neue Strategie in Singapur lautet, dass man nun lernen muss, mit Covid-19 wie mit der Grippe zu leben. Die Hongkonger Regierung brach daraufhin die seit vielen Monaten (vergeblich) laufenden Verhandlungen zur Bildung einer sogenannten Travel Bubble zwischen den beiden Metropolen ab. Als Begründung verlautete, man verfolge unterschiedliche Covid-19-Strategien.

In Hongkong ist auf Regierungsseite kein Einlenken in Sachen Null-Infektionen-Politik erkennbar. Ohnehin stellt sich die Frage, inwieweit diese von Beijing aus vorgegeben wird. Insgesamt scheinen die Verantwortlichen aber rein angstgetrieben zu reagieren. Man arbeitet auch nicht mit Kennzahlen wie der Sieben-Tages-Inzidenz oder der Intensivbettenbelegung.

Banken könnten durch neues Gesetz in Zwickmühle geraten

Für den Finanzstandort gibt es weitere, beunruhigende Nachrichten. So befindet sich ein Anti-Sanktionsgesetz in Planung. Damit sollen von den USA verhängte Sanktionen gegen bestimmte Hongkonger und chinesische Personen und Firmen konterkariert werden. Finanzinstitutionen könnten dadurch in eine Zwickmühle geraten. Sie werden bei bestimmten Transaktionen entweder gegen chinesische oder gegen US-amerikanische Gesetze verstoßen. Noch ist allerdings nicht klar, wie das Gesetz konkret ausfallen wird.

Die ursprünglich für 2021 anvisierte Einführung wurde auf 2022/23 verschoben. In der Zwischenzeit gibt es Konsultationen zwischen der Regierung und dem Finanzsektor. Es bleibt abzuwarten, inwieweit es gelingt, die Vorschriften pragmatisch zu gestalten. Eigentlich kann den Verantwortlichen in Hongkong und Beijing kaum daran gelegen sein, mit der Gesetzesinitiative den Bankenstandort Singapur zu stärken. Dorthin würden nämlich Teile des Finanzsektors abwandern, wenn die Daumenschrauben zu fest angezogen werden.

Bislang keine Abwanderung von Finanzinstituten

Bislang gab es wohlgemerkt keine Abwanderung von Finanzinstituten oder eine Kapitalflucht. Die deutsche Commerzbank wird zwar im Verlauf der nächsten Jahre ihre Niederlassung in der ehemaligen britischen Kolonie schließen. Doch dieser Schritt dürfte vornehmlich der inneren Umstrukturierung des Instituts geschuldet sein. Die Anzahl der in der SVR vertretenen Banken hat sich in jüngster Zeit kaum verringert, langfristig betrachtet sogar leicht erhöht.

Hongkong Finanzsektor im Überblick

2011

2016

2021

Anzahl Banken, davon 1)

167

179

177

  ausländische Institute 1)2)

132

141

134

Beschäftigte Finanzsektor (in 1.000) 3)

198,6

221,2

236,2

1) Jeweils im Juli, nur (teil)lizenzierte Institute; 2) Außerhalb Hongkongs eingetragen ("incorporated"); 3) Jeweils im MärzQuelle: Monetary Authority, Statistikamt

Der Personalstamm der Branche (einschließlich den Angestellten bei Versicherungen) ist zwischen 2011 und 2021 sogar um fast ein Fünftel gestiegen. Damit arbeiteten im März 2021 rund 6,5 Prozent aller Hongkonger Beschäftigten in der Finanzindustrie. Sie generieren eine besonders hohe Wertschöpfung: Pro-Kopf liegt diese etwa doppelt so hoch wie im Außenhandelssektor.

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