Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | Indien | Energie

Indien treibt Ausbau der erneuerbaren Energien voran

Das Land will bis 2030 die Solar- und Windkraftkapazitäten auf 450 Gigawatt mehr als vervierfachen. Der Investitionsbedarf hierfür wird auf 500 Milliarden US$ geschätzt.

Von Boris Alex | New Delhi

Indiens Energiewirtschaft wächst seit Jahrzehnten rasant. Zwar sind infolge der Coronakrise im Finanzjahr 2020/21 (1. April bis 31. März) erstmals seit 35 Jahren die Erzeugung um knapp 2 Prozent und der Verbrauch um 1 Prozent gesunken. Langfristig muss das Land seine Kapazitäten aber weiter ausbauen. Denn bis 2030 soll der Primärenergiebedarf auf bis zu 1.237 Millionen Tonnen Erdöläquivalent steigen, das wäre ein gutes Drittel mehr als 2019. Der Strombedarf könnte um bis zu 50 Prozent auf 2.087 Terawattstunden zulegen, so eine Prognose der International Energy Authority (IEA).

Indien ist beim Ausbau seiner Energiekapazitäten technologieoffen. So sollen alte Kohlekraftwerke nachgerüstet werden, um deren Wirkungsgrad zu erhöhen. Daneben ist der Bau neuer Kohle- und Gaskraftwerke geplant. Parallel treibt der Subkontinent die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien voran, und die Kernenergie bleibt ebenfalls Teil des Energiemixes. Darüber hinaus muss das Stromnetz ausgebaut und modernisiert werden. Seit 2015 sind jedes Jahr Investitionen in Höhe von durchschnittlich 70 Milliarden US-Dollar (US$) in den Energiesektor geflossen.

Über 500 Projekte im Energiesektor in der Pipeline

Dieser Trend dürfte sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Nach Informationen der indischen Investitionsbehörde Invest India befinden sich zurzeit 111 Kohle- und Gaskraftprojekte mit einem Investitionsvolumen von gut 100 Milliarden US$ in der Pipeline. Bei den erneuerbaren Energien sind es sogar 400 Vorhaben im Wert von fast 200 Milliarden US$. Den Investitionsbedarf für die Modernisierung des Stromübertragungs- und -verteilungsnetzes beziffert die Ratingagentur Indian Credit Rating Agency (ICRA) bis 2025 auf etwa 24 Milliarden US$.

Auch wenn sich der Ausbau der erneuerbaren Energien durch die COVID-19-Pandemie in Indien verlangsamt hat, bietet der Sektor in den kommenden Jahren weiterhin wachsende Geschäftschancen. Das im Jahr 2015 gesetzte Ziele von 175 Gigawatt an Stromerzeugungskapazitäten aus Wind, Solar, kleinen Wasserkraftwerken und Biomasse bis Ende 2022 wird aber voraussichtlich nicht erreicht. Zum Ende des Finanzjahres 2020/21 beliefen sich die netzgebundenen Kapazitäten auf 94 Gigawatt. Mit einem Zubau von gut 5 Gigawatt gegenüber der Vorperiode schob sich die Solarenergie erstmals an der Windenergie, die nur um 1,5 Gigawatt zulegte, an die Spitze. In beiden Segmenten blieb der Zubau allerdings unter den Prognosen von 6 beziehungsweise 2 Gigawatt zurück. Um das Ziel von 450 Gigawatt bis 2030 zu erreichen, wären Investments von 500 Milliarden US$ notwendig, so die Berechnung des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA).

Bild vergrößern

Höhere Investitionen bei erneuerbaren Energien gefordert

Derzeit befinden sich schätzungsweise 30 Gigawatt Solar- und 20 Gigawatt Windenergiekapazitäten in der Umsetzung und insgesamt weitere 27 Gigawatt im Ausschreibungsprozess. Um diese Vorhaben bis Ende 2022 abzuschließen, müsste Indien sein finanzielles Engagement deutlich steigern. Den Investitionsbedarf beziffert das Ministry of New and Renewable Energy (MNRE) auf je 17 Milliarden US$ für dieses und kommendes Jahr. In den letzten fünf Perioden flossen allerdings im Schnitt nur etwa 10 Milliarden US$ in die erneuerbaren Energien. ICRA erwartet daher bis Ende 2024 eine netzgebundene Leistung von maximal 160 Gigawatt.

Beim Ausbau der erneuerbaren Energien fördert Indien neben Aufdach- und Freiflächen-Photovoltaikanlagen (PV) sowie Windparks auch schwimmende PV-Anlagen und Wind-Solar-Hybridparks. Das Potenzial für "Floating Solar" beziffert das MNRE auf 280 Gigawatt. Bis Ende 2022 sollen 10 Gigawatt ans Netz gehen. Mitte 2021 dürfte im Bundesstaat Telangana mit einer Leistung von 100 Megawatt der bislang größte schwimmende Solarpark mit der Stromproduktion starten. Der Investor, die National Thermal Power Corporation, plant die Installation von weiteren 217 Megawatt. Im Bundesstaat Madhya Pradesh befindet sich ein "Floating Solar"-Projekt mit 600 Megawatt in Vorbereitung, Kostenpunkt: 440 Millionen US$.

Bau von Wind-Solar-Hybridanlagen geplant

Das Potenzial von Wind-Solar-Hybrid-Parks schätzt IEEFA bis 2023 auf 12 Gigawatt. Ende 2020 lagen die netzgebundenen Kapazitäten bei 150 Megawatt. Aktuell befinden sich Vorhaben mit einer Leistung von 3,5 Gigawatt in der Pipeline. Auch die Offshore-Windkraft bietet bislang unerschlossenes Potenzial. Für die Küstenregionen der Bundesstaaten Gujarat und Tamil Nadu wird es auf jeweils 30 Gigawatt geschätzt. Ursprünglich sollten bis 2022 Offshore-Kapazitäten von 5 Gigawatt ans Netz gehen, doch die Industrie hält sich wegen der im Vergleich zum Onshore höheren Kosten und der mangelnden Erfahrung der Projektentwickler bislang zurück.

Mit dem Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wachsen auch die Anforderungen an das indische Übertragungs- und Verteilungsnetz. Dieses ist weitgehend auf die Einspeisung aus thermischen Großkraftwerken und nicht aus tausenden kleiner Wind- und Solaranlagen ausgelegt. Zum Ende des Finanzjahres 2019/20 hatten die erneuerbaren Energien einen Anteil von 10 Prozent an der gesamten Stromerzeugung von rund 1.400 Terawattstunden. Doch dieser könnte bis 2040 landesweit auf durchschnittlich 30 bis 40 Prozent steigen, in Bundesstaaten wie Gujarat und Tamil Nadu sogar auf über 50 Prozent, so die Prognose von IEEFA.

Diese Entwicklung würde auch den Bedarf an Speichertechnik beflügeln. Die Energiebehörde IEA schätzt den Bedarf an Batteriespeicherkapazitäten in Indien bis 2040 auf 140 bis 200 Gigawatt. Die Entwicklung steht hier noch ganz am Anfang: Bislang gibt es in ganz Indien nur eine netzgebundene Energiespeicherlösung mit einer Kapazität von 10 Megawatt. Im Januar 2020 wurden die ersten Wind- und Solarprojekte mit integrierter Speicherlösung über insgesamt 1.200 Megawatt ausgeschrieben.

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.